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Universität Bern: Spitzenposition in interdisziplinärer Forschung

Von der Erzeugung neuer Radio-Isotope zur Krebsbehandlung bis zu «Röntgenbildern» von Gletschern: Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) fördert vier interdisziplinäre Forschungsprojekte an der Universität Bern mit mehr als drei Millionen Schweizer Franken.

Treffen interdisziplinäre Kompetenzen aufeinander, kann Grundlagenforschung die Entwicklung neuer Anwendungen und Forschungsfelder anstossen und zu interessanten Ergebnissen in der angewandten Forschung beitragen – mit potenziell weitreichenden gesellschaftlichen Folgen. Die Universität Bern spielt in diesem Bereich vorne mit: Alleine in den letzten 12 Monaten hat der Schweizerische Nationalfonds (SNF) vier interdisziplinäre Projekte, alle von Berner Forschenden geleitet, zur Förderung ausgewählt. Die Gesamtförderungssumme beläuft sich auf über drei Millionen Schweizer Franken.

Alle Projekte wurden gemeinsam vom Labor für Hochenergiephysik (LHEP) und dem Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC) lanciert und zusammen mit Partnern von anderen Berner Instituten weiterverfolgt. «Methoden, die ursprünglich für die experimentelle Teilchenphysik entwickelt wurden, können oft erfolgreich in anderen wissenschaftlichen Disziplinen angewendet werden», sagt Antonio Ereditato, Direktor des AEC-LHEP. «Dies ist auch bei diesen vier ehrgeizigen und anspruchsvollen Projekten der Fall.»

Das Alter von Meteoriten bestimmen

PD Dr. Beda Hofmann vom Geologischen Institut und vom Naturhistorischen Museum Bern und Prof. Marc Schumann vom AEC-LHEP leiten das erste Projekt. Ziel ist es, radioaktive Isotope in Meteoriten zu untersuchen. Dabei kommt eine Methode zur Anwendung, die üblicherweise beim Bau von Detektoren zur Suche nach Dunkler Materie im Universum eingesetzt wird. Damit können Forschende bestimmen, wann ein Gesteinsbrocken die Erde traf und um welchen Meteoriten-Typ es sich handelt. Im Rahmen der Studie soll ein spezielles Spektrometer im Schweizer Untergrundlabor Vue des Alpes im Jura aufgebaut werden, wo es gegen die kosmische Strahlung abgeschirmt ist. Dies wird die erste derartige Anlage weltweit sein, die über ein eigenes Programm zur Meteoritenforschung verfügt.

Bilder lebender Zellen

Um medizinische Immunologie dreht sich das Projekt von Prof. Jens Stein vom Theodor Kocher Institut und Dr. Akitaka Ariga vom AEC-LHEP: Sogenannt dynamische Aufnahmen lebender Zellen liefern wertvolle Informationen für biologische Studien. Dank ihnen können Forschende etwa die Reaktion des Immunsystems auf Viren und andere Erreger besser verstehen. Die Geschwindigkeit, mit der die grossen Bild-Datenmengen solcher Versuche ausgewertet werden können, ist aber beschränkt. Mittels neuer Ansätze in der Bildverarbeitung, wie sie unter anderem am CERN in Genf bei Experimenten der Teilchenphysik zum Einsatz kommen, können solche Datenberge hingegen in viel kürzerer Zeit bewältigt werden.

Neue Isotope gegen Krebs

Das dritte Projekt wird von Prof. Andreas Türler vom Department für Chemie und Biochemie und von PD Dr. Saverio Braccini vom AEC-LHEP durchgeführt. Das Ziel: Die Herstellung eines neuen medizinischen Radio-Isotops. Scandium-43 heisst das vielversprechende neue Isotop, das bei PET-Untersuchungen zum Einsatz kommen soll – die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) gehört zu den bildgebenden Untersuchungsverfahren und wird etwa zur Krebsdiagnose eingesetzt. Bislang wird dabei üblicherweise das Isotop Fluor-18 verwendet. Im Fall von Scandium ist ein kombinierter Einsatz für Diagnose und Therapie denkbar («Theradiagnostik»), was für Patienten von beträchtlichem Vorteil wäre: Das Isotop könnte sowohl zur Identifikation als auch zur Zerstörung des Tumors im menschlichen Körper eingesetzt werden. Scandium-43 soll im Zyklotron-Teilchenbeschleuniger des Inselspitals erzeugt werden. Die Abteilung Radiochemie des Paul Scherrer Instituts (PSI) ist an der folgenden radiochemischen und biologischen Forschung beteiligt.

«Röntgenbilder» von Gletschern

Das vierte Projekt dreht sich um die Herstellung digitaler Tomographie-Aufnahmen von Schweizer Gletschern. Auch hier kommen Methoden zum Einsatz, die aus der Elementarteilchenphysik stammen. Analog zur Untersuchung menschlicher Körper mit Röntgenstrahlen – wenn auch im viel grösseren Massstab – wollen die Forschenden mittels Myonen, kosmischen Elementarteilchen, zum ersten Mal «Röntgenbilder» von Gletschern erstellen. Sie hoffen, damit Einsichten in deren verborgene innere Struktur zu erhalten. Die Studie verspricht neue Erkenntnisse darüber, wie Gletscher die imposante Schweizer Gebirgslandschaft formen oder wie sie auf den Klimawandel reagieren. Das Projekt wird von Prof. Fritz Schlunegger vom Geologischen Institut und von AEC-LHEP-Direktor Antonio Ereditato durchgeführt.

Mehr Fördermittel – mehr Forschende

Jedes der Projekte hat vom SNF Fördermittel im hohen sechsstelligen Bereich erhalten. Das ermöglicht den beteiligten Instituten, insgesamt zehn Nachwuchsforschende anzustellen: fünf Doktoranden und fünf PostDocs. Laut Antonio Ereditato ist dies «eine besonders günstige Gelegenheit für diese Forscher, da sie neue Kompetenzen im Grenzbereich verschiedenerer Disziplinen erwerben werden, was sich für ihre weitere wissenschaftliche Karriere auszahlen wird.»

 

15.04.2015