Innovative Therapie einer bösartigen Blutstammzell-Erkrankung
Das Eiweiss «Telomerase» gezielt stoppen: Eine Forschungsgruppe von Universität Bern und Inselspital Bern schafft damit die Grundlage zur Therapie einer lebensgefährlichen Überproduktion von Blutplättchen. Das New England Journal of Medicine berichtet über den Meilenstein in der Behandlung der häufigen Blutkrankheit «ET».
Prof. Dr. med. Gabriela Baerlocher vom Departement Klinische Forschung und stv. Chefärztin der Universitätsklinik für Hämatologie und des Hämatologischen Zentrallabors am Inselspital Bern, kam – basierend auf vorangegangenen Forschungsergebnissen ihres Teams – auf die Idee, mit einem neuartigen Wirkstoff direkt das Eiweiss Telomerase zu hemmen, das zur starken Vermehrung der Blutplättchen bei «ET» beiträgt. Dafür benutzte sie den Telomerasehemmer Imetelstat. Dieser neuartige Wirkstoff wurde von der amerikanischen Firma Geron Corporation entwickelt und wird nun in Zusammenarbeit mit Janssen Biotech, Inc. in Studien weiter evaluiert. Der Forschungsbericht erscheint im renommierten New England Journal of Medicine.
Erfolgreiche Pilotstudie
In einer Pilotstudie, an welcher neben der Universität Bern und dem Inselpital Bern die Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt, das Universitätsklinikum Essen, die Universität Chicago, die Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore sowie die Hämatologie der City of Hope in den USA beteiligt waren, wurden 18 Patienten mit essentieller Thrombozythämie (ET) aus der Schweiz, Deutschland und den USA mit der neuen Substanz behandelt. Sie hatten auf andere Medikamente nicht angesprochen oder diese nicht vertragen.
Bereits nach ein bis zwei Monaten normalisierte sich bei allen Patienten die Anzahl der Blutplättchen. Auch die Anzahl defekter plättchenproduzierender Zellen im Knochenmark nahm unter der Behandlung ab, wie die Forschungsgruppe anhand von molekularen Markern zeigen konnte. Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Therapie gehörten Müdigkeit, Darmbeschwerden, Blutarmut sowie ein Anstieg der Leberwerte, welche sich aber nach Therapieende wieder normalisierten. Damit gelang dem Team um Gabriela Baerlocher und der Humangenetikerin Elisabeth Oppliger Leibundgut erstmals eine spezifische Therapie einer Ursache der ET. Bisher konnten Betroffene lediglich symptomatisch behandelt werden.
Vielversprechender Therapie-Ansatz
Die Telomerase stattet die Krebszellen mit einem unendlichen Vermehrungspotential aus und macht sie resistent gegen herkömmliche Krebstherapien. Der neue translationale Ansatz hemmt gezielt die Produktion bösartiger Zellen, während gesunde Zellen erhalten bleiben. Das innovative Berner Therapieprinzip zur gezielten Bekämpfung der Krankheit wird künftig auch bei anderen bösartigen Blutkrebsarten geprüft werden.
Essentielle Thrombozythämie ist eine häufige chronische Blutkrankheit: Weltweit sind etwa 3 von 10‘000 Personen betroffen; das Berner Inselspital behandelt jede Woche 3-6 Patienten mit diesem Krankheitsbild. Die Stammzell-Erkrankung des blutbildenden Systems ist charakterisiert durch eine übermässig grosse Anzahl von Blutplättchen. Daraus folgt ein Risiko für lebensgefährliche Blutgerinnungsstörungen wie innere Blutungen oder Thrombosen. Die Krankheit kann sich auch zu einer akuten Leukämie entwickeln.
Angaben zur Publikation:Gabriela Baerlocher et al.: Telomerase inhibitor imetelstat in patients with essential thrombocythemia, New England Journal of Medicine, 3. August 2015, in press. |
Quelle: Inselspital
03.09.2015