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Das Gefängnispersonal der Schweiz ist mit seiner Arbeit mehrheitlich zufrieden

Die Arbeitszufriedenheit des Vollzugspersonals – also der Menschen, die in Gefängnissen und ähnlichen Institutionen arbeiten – ist im Durchschnitt hoch, sogar höher als bei den übrigen Berufstätigen. Allerdings besteht bei rund zehn Prozent des Personals ein grosses Risiko, an einem Burnout zu erkranken, besonders in der Westschweiz und im Tessin. Zu diesen Schlüssen kommt die durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützte erste repräsentative Untersuchung des schweizerischen Vollzugspersonals.

Wer in den Institutionen des Schweizer Justizvollzugs arbeitet, also im Straf- und Massnahmenvollzug, in Untersuchungsgefängnissen oder in anderen Anstalten des Freiheitsentzugs, übt einen besonderen Beruf aus. Die Tätigkeit des Gefängnisangestellten steht unter Sparzwang und dem Druck von Öffentlichkeit und Medien, die Arbeit mit Inhaftierten und Verurteilten erfährt in der Regel wenig Wertschätzung. Zudem ist die Betreuung und Beaufsichtigung von Straftätern, denen man die Freiheit entzogen hat, belastend. Wie erleben die Mitarbeitenden des Justizvollzugs ihre Tätigkeit?

Um diese Frage zu beantworten, hat ein Forschungsteam unter der Leitung des Sozialanthropologen Ueli Hostettler von der Universität Bern die erste gesamtschweizerische, repräsentative Untersuchung des Vollzugspersonals durchgeführt. Zwischen 2010 und 2012 befragten die vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschenden mittels Fragebogen rund 1880 Personen, die in 84 Institutionen des Freiheitsentzugs arbeiten. Ein Viertel der fast ausschliesslich männlichen Befragten war gemäss Eigenangabe früher im handwerklichen Sektor tätig, ein Zehntel im Sicherheitsbereich (Polizei, Militär, private Dienste).

Hohe Arbeitszufriedenheit

Überraschenderweise geben 82 Prozent der Befragten an, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein. Diese Werte sind sehr hoch: Laut HR-Barometer, der regelmässig durchgeführten repräsentativen Befragung von Arbeitnehmenden aller Branchen der Schweiz, waren 2012 rund 77 Prozent der Befragten mit ihrer Arbeit zufrieden. Nur 3 Prozent des befragten Gefängnispersonals sind unzufrieden mit ihrer Tätigkeit. Zudem fühlen sich rund 50 Prozent der Befragten mit ihrer Institution in hohem Mass verbunden – dies entspricht dem durchschnittlichen Wert aller Branchen (HR-Barometer). Der Anteil der Befragten, der sich mit der Institution wenig verbunden fühlt, ist mit knapp 10 Prozent nur halb so hoch wie bei den übrigen Branchen.

Der Grossteil der Befragten erlebt das Arbeitsumfeld als positiv. Zwei Drittel empfinden die an sie gestellten Anforderungen als angemessen und bewerten ihre Autonomie – die Möglichkeit, selber Entscheidungen zu treffen – als gut. Rund ein Drittel fühlt sich über- oder unterfordert: Entweder weil die Menge der Aufgaben zu gross sei oder der Inhalt der Arbeit zu wenig anspruchsvoll.

Hohes Burnout-Risiko

Positiv zu bewerten ist ebenfalls der Gesundheitszustand des Personals. 90 Prozent der Befragten geben an, bei guter Gesundheit zu sein. Das ist mehr als der gesamtschweizerische Schnitt (laut HR-Barometer 85 Prozent). Nur 2 Prozent des Vollzugspersonals bewerten ihre Gesundheit als schlecht. Allerdings besteht bei 10 Prozent ein hohes Risiko, an einem Burnout zu erkranken. Diese Mitarbeitenden litten bereits zum Zeitpunkt der Befragung unter emotionaler Erschöpfung. Zudem sind gesundheitsbedingte längere Absenzen relativ hoch: 39 Prozent der Befragten gaben an, in letzter Zeit mehr als drei Tage bei der Arbeit gefehlt zuhaben. Im HR-Barometer sind es nur 33 Prozent.

Divergierende Einstellungen zu Gefangenen

75 Prozent der Befragten haben täglich Kontakt zu Gefangenen. Zu diesen haben 37 Prozent der Befragten eine positive Einstellung, 18 Prozent jedoch eine negative. Sie neigen dazu, die Gefangenen auf deren strafbares Verhalten zu reduzieren. Von ähnlicher Ambivalenz zeugt die Präferenz der Strafzwecke: Rund 80 Prozent der Befragten sind der Meinung, die Strafe müsse der Resozialisierung der Inhaftierten dienen, zugleich stimmen rund 75 Prozent dem Vergeltungsgedanken zu. Rund 45 Prozent des Vollzugspersonals sind der Ansicht, der Zweck der Strafe sei, die Straftäter aus dem Verkehr zu ziehen.

Negative Medienberichterstattung

Laut internationalen Studien fühlen sich Angestellte des Freiheitsentzugs in ihrer Arbeit häufig falsch wahrgenommen. Das ist auch in der Schweiz der Fall. 61 Prozent der Befragten geben an, sie hätten nicht den Eindruck, ihre Arbeit würde anerkannt. Den Grund sehen sie in der Medienberichterstattung: Sie wird von ihnen noch negativer eingeschätzt als die fehlende Unterstützung durch die Politik. Allerdings geben 90 Prozent an, dass Menschen, denen sie das erste Mal von ihrem Beruf erzählen, jeweils Interesse zeigten.

Auffällige regionale Unterschiede

Wie erklärt sich Studienleiter Ueli Hostettler die positiven Resultate der Befragung? Das Vollzugspersonal setze sich überwiegend aus älteren, berufsbiografisch gefestigten Personen zusammen, die vorher in einem anderen Beruf gearbeitet hätten. Zudem schränke das Tätigkeitsfeld berufliche Alternativen ein, was offenbar eine erhöhte Treue zum Arbeitgeber zur Folge habe. Die positiven Resultate seien jedoch insbesondere von auffälligen regionalen Unterschieden geprägt, betont er. In der Westschweiz und im Tessin seien unter anderem die Überforderung und das Burnout-Risiko deutlich höher als in der Deutschschweiz. Hier sieht er Handlungsbedarf.

 

Quelle: Schweizerischer Nationalfonds (SNF)

 

Angaben zur Publikation

Anna Isenhardt, Ueli Hostettler, Christopher Young
Arbeiten im schweizerischen Justizvollzug – Ergebnisse einer Befragung zur Situation des Personals (KJS-CJS, Bd. 15). 
Stämpfli-Verlag, Bern 2014, 290 S.

 

20.01.2015