Nord- und Südhalbkugel unterscheiden sich klimatisch stark
Innerhalb des letzten Jahrtausends gab es bei den Temperaturen der Nord- und Südhalbkugel grössere Unterschiede als bisher angenommen. Klimamodelle sind nur beschränkt in der Lage, diese Unterschiede abzubilden. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Raphael Neukom vom Oeschger-Zentrum der Universität Bern und der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL.
Wichtige Kenngrössen des Klimasystems lassen sich nur mit Daten aus mehreren Jahrzehnten bis Jahrhunderten berechnen; zum Beispiel der Einfluss von menschengemachten Treibhausgas-Emissionen auf die Temperaturen im Vergleich zu natürlichen Schwankungen. Solche langfristigen Berechnungen basieren im Moment fast ausschliesslich auf Daten der Nordhalbkugel. Der Grund dafür ist die bislang mangelhafte Datenabdeckung in der Südhemisphäre, welche grösstenteils von Ozeanen, antarktischem Eis sowie Steppen und Wüsten bedeckt ist.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Oeschger Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern und der WSL hat sich in den letzten Jahren daran gemacht, diese Einseitigkeit zu beheben. Am Projekt waren Klima-Experten aus Australien, Antarktisforscher, sowie Datenspezialisten und Klima-Modellierer aus Süd- und Nordamerika und Europa beteiligt. Dabei wurden Klimadaten von über 300 verschiedenen Orten zusammengetragen – verteilt auf die Ozeane und auf alle Kontinente der Südhalbkugel.
Die Informationen über Temperaturänderungen sind über Jahrhunderte in Baumringen, Korallen, Eisbohrkernen, See- und Meeressedimenten, Tropfsteinen und historischen Dokumenten gespeichert. Aus diesen Proben und Dokumenten wurden mit verschiedenen Methoden die Jahresmittelwerte der Temperaturen über die letzten 1000 Jahre bestimmt. In 99.7 Prozent dieser neuen Berechnungen von der Südhemisphäre fiel das wärmste Jahrzehnt der letzten 1000 Jahre in die Zeit nach 1970. Koordiniert wurde die grossangelegte Studie von Raphael Neukom vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung und der WSL. Die Ergebnisse werden heute im Fachjournal «Nature Climate Change» publiziert.
Zufällige Schwankungen spielen grosse Rolle
Ein Vergleich mit bestehenden Daten aus der Nordhemisphäre ergibt ein erstaunliches Bild: Nur gerade zwei Mal im gesamten letzten Jahrtausend zeigten beide Halbkugeln gleichzeitig extreme Temperaturen. Zum einen betraf dies die globale Kälteperiode im 17. Jahrhundert und zum anderen die gegenwärtige Erwärmungsphase, welche sich in globalen ununterbrochenen Wärmeextremen seit den 1970er Jahren manifestiert.
«Die ‹Mittelalterliche Wärmeperiode›, wie sie in europäischen Überlieferungen vorkommt, war ein regionales Phänomen», betont Raphael Neukom. «Zur gleichen Zeit waren die Temperaturen in der Südhemisphäre nur durchschnittlich». Immer wieder gab es im letzten Jahrtausend Perioden, in denen sich die eine Halbkugel erwärmte, während sich die andere in einer Abkühlung befand.
Die Forscher führen diese grossen Unterschiede auf die sogenannte «interne Variabilität» zurück. Damit meinen sie die chaotischen Wechselwirkungen innerhalb des Klimasystems, welche dazu führen, dass die Temperaturen immer wieder in die eine oder andere Richtung schwanken. Dabei sind die regionalen Unterschiede offenbar grösser als bisher angenommen. Die Weltmeere sind die Hauptmotoren der internen Variabilität, deshalb bewegen sich die Temperaturen auf der ozean-dominierten Südhemisphäre losgelöster von äusseren Einflüssen. Die grossen Landmassen der Nordhemisphäre reagieren dagegen schneller auf Stimulationen von der Sonne, von Vulkanausbrüchen oder Treibhausgasen.
Die Forschenden verglichen die Temperatur-Rekonstruktionen mit 24 verschiedenen Simulationen von Klimamodellen. Dabei zeigte sich, dass die meisten Modelle nicht in der Lage sind, die beträchtlichen Unterschiede zwischen den Halbkugeln befriedigend zu simulieren. «Dies ist von grosser Bedeutung», sagt Neukom, «denn diese Klimamodelle werden dazu verwendet, die zukünftige Entwicklung des Klimas abzuschätzen.»
Die Klimamodelle scheinen den Einfluss der internen Variabilität im Vergleich zu externen Antriebsfaktoren wie Sonneneinstrahlung, Vulkanausbrüchen oder menschlichen Treibhausgas-Emissionen zu unterschätzen – besonders in den politisch und gesellschaftlich relevanten Zeitskalen von mehreren Jahren bis Jahrzenten. «Regionale Unterschiede in der zukünftigen Temperaturentwicklung könnten also grösser sein, als es die gegenwärtigen Modelle vorhersagen», sagt Neukom.
Angaben zur Publikation:
Raphael Neukom, Joëlle Gergis, David Karoly, Heinz Wanner, Mark Curran, Julie Elbert, Fidel González-Rouco, Braddock Linsley, Andrew D. Moy, Ignacio Mundo, Christoph C. Raible, Eric J. Steig, Tas van Ommen,Tessa Vance, Ricardo Villalba, Jens Zinke and David Frank: Inter-hemispheric temperature variability over the past millennium, Nature Climate Change, April 2014, doi 10.1038/NCLIMATE2174
30.03.2014