Natürliche Klimaarchive besser verstehen
Baumringe, Eisbohrkerne und Stalagmiten gelten als natürliche Klimaarchive, mit deren Hilfe sich das Klima vergangener Epochen rekonstruieren lässt. Doch wie genau sind die Informationen aus diesen Archiven? Forscher der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, des Oeschger Zentrums der Universität Bern und der Universität Mainz haben herausgefunden, dass jährliche Schwankungen wie beispielsweise extreme Temperaturen und Niederschläge im Vergleich zu langfristigen Klimatrends bisher unterschätzt wurden. Die Erkenntnisse wurden soeben in der renommierten Fachzeitschrift «Nature Climate Change» publiziert.
Bei der Rekonstruktion des Klimas vergangener Epochen spielen natürliche Archive eine bedeutende Rolle. Tausende von Jahre zurückreichende Klimainformationen finden sich beispielsweise in Baumringen, Stalagmiten, Korallen und Seesedimenten sowie im Gletschereis.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat nun Klimadaten aus diesen so genannten Proxy-Archiven mit Klimamodellen sowie instrumentell erhobenen Messreihen der Temperatur und des Niederschlags verglichen.
Extreme Witterung in Proxydaten nicht immer erkennbar
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich aus manchen dieser Proxy-Zeitreihen nur bedingt klimatische Informationen ableiten lassen. Beispielsweise wird die Breite oder Dichte von jährlich angelegten Baumringen im Holz nicht nur von der aktuellen Temperatur, sondern auch vom Klima des Vorjahres sowie von anderen Wachstumsfaktoren wie dem Alter eines Baumes beeinflusst. Es gilt dann, den Einfluss der Temperatur auf das Holzwachstum von anderen Einflussgrössen zu trennen.
Die Forscher fanden heraus, dass stark schwankende Grössen wie die jährliche Variabilität der über einer Landmasse gemessenen Lufttemperatur in Proxydaten grundsätzlich unterschätzt werden, hingegen werden langfristige Niederschlagtrends von den Proxy-Archiven eher überschätzt. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild des Klimas früherer Epochen. Die Forschenden schliessen aus ihrer Arbeit auch, dass Jahre mit extremen Temperaturen und Niederschlägen in den Proxy-Archiven oft unterschätzt wurden.
Nicht von Temperatur- auf Niederschlagstrend schliessen
Die Autoren der Studie empfehlen, dass sich die Forschung stärker mit den einzelnen Faktoren und Prozessen auseinandersetzen müsse, die Baumringe, Eis- oder Stalagmitenschichten erzeugen. Sie warnen explizit davor, von Proxy-Archiven, welche die Temperaturentwicklung relativ genau wiedergeben, auf Niederschlagstrends zu schliessen und umgekehrt. Demnach lässt sich die Klimaentwicklung erst dann genauer bestimmen, wenn die Einflussgrössen der Proxydaten besser bekannt sind.
«Unsere Ergebnisse zeigen, dass es bei Klimarekonstruktionen Unsicherheiten gibt, die bei globaler Betrachtung bisher noch nicht bekannt waren. Dies mag erstaunen, denn generell weiss man heute ja mehr und besser über das Klima der Erde Bescheid als noch vor 20 Jahren. Für mich als Wissenschaftler ist es jedoch normal, dass wir neue Grenzen entdecken, währenddem wir verfeinerte Klimarekonstruktion entwickeln», sagt David Frank von der WSL, einer der Autoren dieser Studie. Demnach sei noch viel Grundlagenforschung zu betreiben, um ein genaueres Bild des Klimas aus Zeiten vor der menschlichen Beeinflussung zu bekommen.
Bibliographische Angaben:
Franke, J.; Frank, D.; Raible, C.C.; Esper, J. und Brönnimann, S. (2013):Spectral biases in tree-ring climate proxies. Nature Climate Change, doi:10.1038/nclimate1816.
Quelle: WSL
03.02.2013