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Einstein Lectures: Die Magie der Mathematik

Der französische Mathematiker Cédric Villani hält derzeit die Einstein Lectures 2013 an der Universität Bern. Der exzentrische Träger der Fields-Medaille, die als Nobelpreis für Mathematiker unter 40 Jahren gilt, zieht das Publikum in seinen Bann.

«Es ist leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil.» Dieses Zitat von Albert Einstein bewahrheitet sich ganz besonders für die Mathematik: Sie gilt als unverständlich, trocken und realitätsfern, obwohl sie die Grundlage für fast alle heutigen Schlüsseltechnologien ist – von mobiler Kommunikation über GPS, Datenkompression und Optimierung bis hin zur medizinischen Bildverarbeitung.

Hört man jedoch dem französischen Mathematiker Cédric Villani zu, ist man berührt von der Schönheit der Mathematik – er schafft es, ihr Wesen zu vermitteln, ohne ihre Komplexität zu verbergen. Villani begeisterte damit am Montag Abend an der Auftaktveranstaltung der Einstein Lectures 2013 die Zuhörer in der vollen Aula der Universität Bern. Der diesjährige Einstein Lecturer wurde 2010 mit der Fields Medaille ausgezeichnet, dem Äquivalent des Nobelpreises für Mathematiker unter 40 Jahren.

Mathematik ist voller ungelöster Fragen

«Was kann man denn in der Mathematik noch forschen?» ist eine häufige Frage an Mathematiker. Mathematische Gleichungen seien Spiegelungen der realen Welt, so Villani – und deren Erforschung werfe noch immer unendlich viele Fragen auf. Seine grosse Leidenschaft gilt den partiellen Differentialgleichungen, welche die Veränderung einer Grösse bezüglich mehrerer Variablen wie zum Beispiel Zeit, Ort und Geschwindigkeit beschreiben.

Dem eleganten Resultat für die Boltzmann-Gleichung aus der kinetischen Gastheorie, für das er die Fields-Medaille erhielt und das Villani allgemein verständlich erläuterte, sieht man die Anstrengungen von mehr als einem Jahrzehnt Forschung und vielen schlaflosen Nächten nicht an.

Mathematik als Brücke zwischen Gasdynamik und Ökonomie

Die Macht der Abstraktion der Mathematik demonstrierte Villani an einem überraschenden Zusammenhang. Mit Hilfe der Riemannschen Geometrie, die sich mit gekrümmten Räumen beschäftigt, erkannten Villani und seine Koautoren die Analogie zwischen Gasdynamik und den Resultaten des russischen Mathematikers Leonid Kantorowitsch über optimalen Transport und Ressourcenverteilung, für die dieser 1975 den Wirtschafts-Nobelpreis erhielt. Dass Villanis Horizont weit über die Mathematik hinausgeht, zeigte seine Anspielung auf das von Science Fiction inspirierte Buch «Red Plenty» von Francis Spufford, in dem Kantorowitsch die Rolle des intellektuellen Helden einnimmt.

Mathematische Forschung lebt von Begegnungen

Das Vorurteil des «einsamen Forschers im stillen Kämmerlein» widerlegte Villani zuletzt eindrücklich, nicht nur durch seine exzentrische Erscheinung. So war es ein persönliches Gespräch mit dem US-amerikanischen Mathematiker John Lott in Berkeley, das Villani die Welt der Differentialgeometrie eröffnete und den Grundstein für die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden über neue Ansätze des optimalen Transport legte.
Villanis auch rhetorisch brillianter Vortrag war ein Beweis dafür, wie das Charisma eines Forschers auch das breite Publikum in seinen Bann ziehen kann – und dass auch der Mathematik ein Zauber innewohnt.

Weitere Vorträge

Im Rahmen der Einstein Lectures 2013 hält Cédric Villani zwei weitere öffentliche Vorträge an der Universität Bern. Am Dienstag richtet er sich an ein Fachpublikum, am Mittwoch an die breite interessierte Öffentlichkeit.

«From Riemann to the Synthetic Theory of Ricci Curvature», Dienstag, 29. Okt., 17.15 Uhr
«Stars, Particles ans Probabilities: What is the Fate of Galaxies», Mittwoch, 30. Okt., 19.30 Uhr
Hauptgebäude der Universität Bern, Aula, Hochschulstrasse 4, Bern.
Die Vorträge sind kostenlos. Vortragssprache ist Englisch.

29.10.2013