Volkswagenstiftung unterstützt Projekt über Emotionen der Forscher
Die Volkswagenstiftung fördert ein interdisziplinäres Projekt von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin und der Universität Bern als «Schlüsselthema für Wissenschaft und Gesellschaft» und stiftet dafür 750'000 Euro.
Wie prägen Emotionen die vermeintlich objektive wissenschaftliche Arbeit? Diese Frage steht im Zentrum des interdisziplinären Forschungsprojekts von Prof. Dr. Katja Liebal und Thomas Stodulka von der Freien Universität Berlin sowie Prof. Dr. Oliver Lubrich von der Universität Bern. Ein Team aus Ethnologen, Primatologen und Literaturwissenschaftlern rückt die Affekte in den Blickpunkt, die sonst aus Forschungsprozessen ausgeblendet werden. Ziel ist es, sie für die Wissenschaft und deren Verständnis nutzbar zu machen. Die Volkswagenstiftung fördert dieses Vorhaben in der Reihe «Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft» mit 750.000 Euro bis 2016.
Besonderer Schwerpunkt des Projekts sind die Emotionen von Forschern im Feld wie Ethnologen, Primatologen und Reiseschriftstellern, die ihrem Forschungsgegenstand in einer fremden Umwelt begegnen. «Persönliche, subjektive Aufzeichnungen und Berichte solcher Begegnungen spielen in der Ethnologie traditionell eine große Rolle», sagt Thomas Stodulka vom Institut für Ethnologie. «Welche Gefühle diese Texte erfassen, symptomatisieren oder verdrängen und wie diese Emotionen die Wahrnehmung einer Situation bedingen, wurde dabei bisher kaum erforscht.»
Ähnliches trifft für die Vergleichende Psychologie und Primatologie zu: «Die Gefühle, mit denen Wissenschaftler anderen Arten wie beispielsweise Affen begegnen, bestimmen die Wahrnehmung unserer nächsten Verwandten. Ob diese Emotionen und die Beziehung zum Forschungsobjekt Affe in Abhängigkeit vom Forschungsort – im Freiland, im Zoo oder im Labor – variieren, ist bisher nicht systematisch untersucht worden», erklärt Katja Liebal, Juniorprofessorin für Evolutionäre Psychologie an der Freien Universität Berlin. Es sei eine offene Frage, inwiefern diese Wahrnehmung Einfluss auf die Datenerhebung und die Ergebnisse von Studien mit nicht-menschlichen Primaten hat.
In Zusammenarbeit mit Literaturwissenschaftlern sollen wissenschaftliche Texte aus Ethnologie und Primatologie analysiert werden. Gleichzeitig leistet die Wissenschaftler einen Beitrag zur Literaturgeschichte der Fremderfahrung: «Der literatur- und kulturwissenschaftliche Postkolonialismus ist weitgehend affektblind», sagt Oliver Lubrich, Professor für Komparatistik und Neuere deutsche Literatur an der Universität Bern. «Textanalytisch wie theoretisch wäre eine postkoloniale Emotionsforschung eine maßgebliche Innovation.»
In den nächsten drei Jahren wird das interdisziplinäre Projektteam den Einfluss von Emotionen auf die Forschung nicht nur beschreiben, sondern auch empirisch messen und theoretisch konzeptualisieren.
Quelle: Freie Universität Berlin
15.08.2012