Klimaveränderung fordert Wasserkraftwerke heraus
Die Klimaänderung wird kaum grössere Auswirkungen auf die gesamtschweizerische Stromproduktion aus Wasserkraft haben. Einzelne Kraftwerke können jedoch stark davon betroffen sein. Dies sind die Schlussfolgerungen eines mehrjährigen Forschungsprojektes, welches heute an einer Fachtagung in Visp vorgestellt und unter 200 Fachpersonen diskutiert wird.
Erstmals haben Forschende verschiedener Disziplinen für mehrere Kraftwerksanlagen aus unterschiedlichen Gebieten der Schweiz die ganze Wirkungskette von der regionalen Klimaänderung bis zur Stromproduktion analysiert. Als Zwischenschritte haben sie berechnet, wie rasch die Gletscher abschmelzen, wie sich die zukünftige Schneedecke auf- und abbaut und welche Konsequenzen das alles auf die Wasserführung der Bäche und Flüsse haben wird.
Ihre Schlüsse haben sie in der Studie «Auswirkungen der Klimaänderung auf die Wasserkraftnutzung» festgehalten, welche heute veröffentlicht wurde.
Auf der Alpensüdseite und im südlichen Wallis dürfte demnach die Stromproduktion gegen Ende des 21. Jahrhunderts sinken, weil die Jahresniederschlagssummen abnehmen werden. In den heute stark vergletscherten Gebieten, wo alle Gletscher bis zum Jahr 2100 weitgehend abschmelzen, wird bis etwa 2050 vorübergehend sogar etwas mehr Schmelzwasser aus den Gletschern zur Verfügung stehen.
Wenn es – wie erwartet – im Winter mehr regnet und der Schnee früher im Jahr schmilzt, wird das Wasser in allen Gebirgsregionen über das Jahr gesehen ausgeglichener fliessen. Dadurch könnte die Produktion im Winter steigen, im Sommer hingegen sinken; über das Jahr gesehen sind die Auswirkungen klein.
Auswirkungen der Klimaerwärmung unterschiedlich
Die Resultate lassen sich allerdings nicht gleichermassen auf alle Kraftwerke übertragen. Je nach geographischer Lage, Einzugsgebiet und Wassernutzung können die Auswirkungen auch beträchtlich sein. Ausserdem ist zu beachten, dass bei diesen Analysen nur die Auswirkungen der Klimaänderung auf Abfluss und Stromproduktion betrachtet wurden. Effekte wie die Veränderung von Extremereignisse, die den täglichen Betrieb massgeblich beeinflussen können, sowie Veränderungen im Stromverbrauch und auf dem europäischen Strommarkt sind unberücksichtigt geblieben.
Untersucht wurde auch der Einfluss auf den Geschiebetransport. Die transportierten Geschiebemengen werden im langjährigen Mittel aufgrund der sinkenden Abflussmengen tendenziell abnehmen, sind jedoch stark abhängig von den lokalen Bedingungen. Zu den für den Geschiebetransport besonders wichtigen Hochwasserereignissen konnte keine Aussage gemacht werden.
Fazit: Aus gesamtschweizerischer Sicht sind die Auswirkungen der Klimaänderung auf die Stromproduktion gering, insbesondere in der näheren Zukunft. Langfristig stehen einzelne Kraftwerke, insbesondere südlich der Alpen und im südlichen Wallis sowie solche, die heute einen hohen Anteil von Wasser aus den Gletschern beziehen, vor beträchtlichen Herausforderungen.
Zum Projekt:
Das Projekt wurde vom «Netzwerk Wasser im Berggebiet NWB» initiiert und begleitet. Die Forschungsarbeiten haben das Geographische Institut der Universität Bern GIUB, die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, das Institut für Atmosphäre und Klima IAC der ETHZ, das Geographische Institut der Universität Zürich und die Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie VAW-ETHZ durchgeführt. Zahlreiche Kraftwerksgesellschaften haben sich intensiv beteiligt.
Finanziell getragen wurde das Projekt durch swisselectric research, das Bundesamt für Energie, den Kanton Wallis und die Walliser Elektrizitätsgesellschaft FMV. Die Resultate sind in einem Synthesebericht (siehe Quicklinks rechts) zusammenfasst.
Quelle: Eidg. Forschungsanstalt WSL
08.09.2011