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Tropfsteine helfen das Rätsel um Noahs Sintflut zu lösen

Das Schwarze Meer hat eine wechselhafte Geschichte: Während der letzten 670‘000 Jahre war es mehrmals völlig vom Mittelmeer isoliert und wurde zu einem riesigen Süsswassersee. Einem Forschungsteam der Universität Bern ist es gelungen, mit hoher Genauigkeit die verschiedenen Wassereinbrüche in das Schwarze Meer zu rekonstruieren.

Das Berner Team um Dominik Fleitmann und seine Doktorandin Seraina Badertscher benutzte ein auf den ersten Blick ungewöhnliches geologisches Archiv, um die Geschichte des Schwarzen Meeres zu rekonstruieren: Tropfsteine. In einer Höhle an der südlichen Schwarzmeerküste datierten die Wissenschaftler des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung und des Instituts für Geologie an der Universität Bern zahlreiche, bis zu 670‘000 Jahre alte Tropfsteine. Sie bestimmten die darin enthaltenen Sauerstoffisotope, die sich durch geringfügige Massenunterschiede voneinander unterscheiden. Mit Hilfe dieser Messungen gelang es, die Sauerstoffisotopen-Zusammensetzung des Schwarzmeerwassers in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Daraus wiederum lässt sich auf mindestens 19 Einbrüche von Wasser aus dem Mittelmeer oder dem Kaspischen Meer ins Schwarze Meer schliessen, denn diese hatten jeweils zu einer dramatischen Veränderung der Isotopen-Zusammensetzung des Wassers geführt. Über die Verdunstung veränderten sich in der Folge auch die lokalen Niederschläge, was sich schliesslich in der Isotopen-Zusammensetzung des versteinerten Regenwassers der in Bern analysierten Tropfsteine widerspiegelte.

«Es ist erstaunlich, wie oft sich der hydrologische Zustand des Schwarzen Meeres grundlegend verändert hat», erklärt Dominik Fleitmann. Die Rekonstruktion seines Teams zeigt, dass es während der letzten 670‘000 Jahre mindestens zwölfmal zu Einbrüchen von Mittelmeerwasser gekommen ist und siebenmal eine Verbindung mit dem Kaspischen Meer bestand. «Unsere Daten belegen auch», so Fleitmann, «dass die Tiefe der Bosporus-Schwelle, über die das Schwarze Meer mit dem Mittelmeer verbunden ist, trotz starker tektonischer Aktivität in dieser Region im Laufe der Zeit nahezu konstant geblieben ist.» Die Ergebnisse sind nun im renommierten Fachmagazin «Nature Geoscience» erschienen.

Wechselspiel zwischen Süss- und Salzwasser

Durch den Einstrom von salzhaltigem Mittelmeerwasser über den 35 Meter tiefen Bosporus ist das Schwarze Meer heute ein grosser Brackwassersee – ein Gewässer mit einem vergleichsweise tiefen Salzgehalt. Doch während der letzten Eiszeit – vor rund 20‘000 Jahren – war das Schwarze Meer ein riesiger Süsswassersee, da die Verbindung mit dem Mittelmeer unterbrochen war. Der Grund: Der globale Meeresspiegel – und damit auch der des Mittelmeers – lag 120 Meter tiefer als heute. Mit dem Abschmelzen der grossen Eismassen und dem damit verbundenen Anstieg des globalen Meeresspiegels konnte vor rund 9'400 Jahren Wasser vom Mittelmeer in das Schwarze Meer einströmen, das sich so von einem riesigen Süsswassersee in ein brackisches Nebenmeer verwandelte. Dieses Ereignis, so nimmt man an, bildete die Grundlage für die biblische Geschichte von Noah und der Sintflut.

In groben Zügen waren diese Zusammenhänge schon länger bekannt, doch bisher gab es kaum Informationen darüber, wann und wie oft das Schwarze Meer mit dem Mittelmeer verbunden war. «Die Noah-Flut, wenn es sie denn wirklich gab, war im Schwarzen Meer kein einmaliges Ereignis», erklärt Dominik Fleitmann. Durch die Rekonstruktion am Institut für Geologie der Universität Bern wurde diese Wissenslücke nun geschlossen.

Quellenangabe:

S. Badertscher, D. Fleitmann, H. Cheng, R. L. Edwards, O. M. Göktürk, A. Zumbühl, M. Leuenberger, O. Tüysüz: Pleistocene water intrusions from the Mediterranean and Caspian seas into the Black Sea. Nature Geoscience, Advance Online Publication (AOP) vom 13. März 2011, doi: 10.1038/NGEO1106

14.03.2011