Neue Funktionen von Antikörper produzierenden Zellen entdeckt
Spezielle Immunzellen, die sogenannten Plasmazellen, produzieren nicht nur Antikörper, die dem Schutz gegen Krankheitserreger dienen: Sie können auch Entzündungsmoleküle herstellen. Damit kurbeln sie das Immunsystem an und regulieren es aktiv. Dies hat eine internationale Forschergruppe mit Berner Beteiligung herausgefunden.
Über die Schleimhäute können viele Infektionserreger – Viren oder Bakterien – in den menschlichen Körper eindringen. Unser Immunsystem schützt uns deshalb mit Antikörpern vor solchen Infektionserregern. Dies ist insbesondere im Darm-Immunsystem und in der Darmschleimhaut wichtig. Dort produzieren Immunzellen den Antikörper Immunglobulin A (IgA). IgA ist jedoch nicht nur gegen Krankheitserreger gerichtet, sondern auch gegen die Vielzahl von «guten» Darmbakterien, welche unsere Verdauung und die Abwehr von krankmachenden Keimen unterstützen. Da der Darm stets von einer sehr grossen Anzahl solcher Bakterien besiedelt ist, ist IgA in der Darmschleimhaut der am meisten produzierte Antikörper in unserem Körper.
Trotz dieser enormen Menge an täglich produziertem IgA ist die genaue Funktion dieser Antikörper gegen «gute» Darmbakterien nicht geklärt. Eine internationale Forschergruppe mit Berner Beteiligung hat nun herausgefunden, dass die IgA-produzierenden Plasmazellen nicht nur den Antikörper herstellen, sondern auch Entzündungsmoleküle absondern. Dadurch nehmen diese Zellen aktiv an der Immunregulation teil. Dies ist überraschend, denn bisher galten die Plasmazellen als reine «Antikörper-Fabriken» ohne weitere Funktion.
Diese aktive Rolle der Plasmazellen beschreiben Prof. Andrew Macpherson und Prof. Kathy McCoy vom Departement Klinische Forschung der Universität Bern und der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals Bern sowie Dr. Siegfried Hapfelmeier vom Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern zusammen mit Forschenden aus Kanada und den USA. Ihre Erkenntnisse werden nun in «Nature» publiziert.
«Dies stellt einen Paukenschlag in der Erforschung des Darm-Immunsystems dar», sagt Dr. Siegfried Hapfelmeier. Die Forscher zeigen auf, dass auf diese Weise die Besiedelung mit gutartigen Bakterien die Produktion von Entzündungsmolekülen im Darm anregt, welche wiederum die IgA-Produktion ankurbeln. «Diese Erkenntnis ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Erforschung und Entwicklung moderner Impfstoffe und Therapien von chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten», so Hapfelmeier.
Erfolgreiche Forschergruppen an Universität und Universitätsspital Bern
Bereits am 20. November publizierte eine Forschergruppe mit Beteiligung von Prof. Andrew Macpherson und Prof. Kathy McCoy eine Studie zum Immunsystem des Darms in «Nature Medicine» (Medienmitteilung «Darmflora»). Nun erscheint fast zeitgleich aus demselben Forschungslabor erneut ein Artikel in «Nature». Dr. Siegfried Hapfelmeier und Prof. Kathy McCoy erhielten zudem dieses Jahr je einen der renommierten, mit 1,8 Millionen Schweizer Franken dotierten «Starting Grants» des European Research Council (ERC) zur Förderung ihrer Forschungsprojekte.
Quellenangabe:
Jörg H. Fritz, Olga Lucia Rojas, Nathalie Simard, Douglas D. McCarthy, Siegfried Hapfelmeier, Stephen Rubino, Susan J. Robertson, Mani Larijani, Jean Gosselin, Ivaylo I. Ivanov, Alberto Martin, Rafael Casellas, Dana J. Philpott, Stephen E. Girardin, Kathy D. McCoy, Andrew J. Macpherson, Christopher J. Paige, Jennifer L. Gommerman: Acquisition of a multifunctional IgA1 plasma cell phenotype in the gut, Nature (Online Advance Publication), 11. Dezember 2011, doi:10.1038/nature10698
11.12.2011