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Bestäubende Insekten im Dilemma – Duft oder Farbe?

Biologen der Universitäten Bern und Neuenburg haben zwei DNA-Bereiche identifiziert, welche der Verbreitung von Duft bei Petunien zu Grunde liegen. Die Studie zeigt, dass der Duft zur Anlockung von bestäubenden Insekten eine ebenso wichtige Rolle spielt wie die Farbe der Blüten. Die Resultate sind nun in der Wissenschaftszeitschrift Current Biology erschienen.

Die Mechanismen der Bestäubung zu verstehen ist sehr wichtig für die Landwirtschaft, denn eine grosse Anzahl Nutzpflanzen ist auf diese Pollenübertragung angewiesen. Petunien begnügen sich nicht damit, Balkone und Gärten zu schmücken – sie haben auch einen besonderen Stellenwert in den Laboratorien für Pflanzenbiologie. Denn diese Blume ist wandelbar: Es existieren mehrere Arten, wovon jede spezielle Merkmale in der Morphologie, beim Duft oder der Farbe der Blütenblätter hat. Aufgrund dieser Eigenschaften locken sie sehr unterschiedliche Gruppen von Bestäubern an. Der interessanteste Aspekt der Petunien ist jedoch, dass sie sich schrittweise kreuzen lassen, was es ermöglicht Hybriden zu erhalten, die das Erscheinungsbild einer gegebenen Sorte aufweisen, zugleich aber mit einer vererbten Charakteristik einer verwandten Sorte versehen sind. Und dies, ohne auf transgene Organismen zurückgreifen zu müssen.

Duftende und neutral-riechende Züchtungen

Ulrich Klahre, Post-Doktorand des Berner Teams von Professor Cris Kuhlemeier, hat solche Hybridnachkommen gezüchtet, ausgehend von Petunia axillaris, einer weissblühenden Art, die grosse Mengen süssduftender Benzenoide verströmt und der rotblühenden Petunia exserta, die keinerlei Duft produziert. Der charakteristische Duft von P. axillaris resultiert aus der Eigenschaft von zwei DNA-Bereichen, die von Cris Kuhlemeiers Team identifiziert wurden. «Um Pflanzen mit roten, duftenden Blüten zu erhalten, haben wir die Arten P. axillaris und P. exserta miteinander gekreuzt», erklärt Ulrich Klahre: «Die erste Generation von Hybriden, die immer noch duften, haben hellrosa Blüten. Duftende Nachkommen wurden mit dem nichtduftenden Elternteil zurückgekreuzt und in jeder Generation werden die Hybriden etwas röter. Durch wiederholtes Rückkreuzen erhält man Hybridpflanzen mit roten, duftenden Blüten. Mit der entsprechenden Umkehrung konnte man auch weissblühende Petunien züchten, die nicht duften.»

Der Tabakschwärmer im Flugtunnel

Um zu bestimmen, wie gross die Anteile von Farbe und Duft für die Attraktivität der Blüten auf die Bestäuber sind, haben die Forschenden des Nationalen Forschungssschwerpunktes (NCCR) «Plant Survival» den Flug von Tabakschwärmern Manduca sexta beobachtet, wenn gleichzeitig verschiedene Petuniensorten im Raum vorhanden waren. In der freien Natur bezieht dieser Falter seine Nahrung von Petunia axillaris. An der Universität Neuenburg verfügt das Team von Patrick Guerin über einen Flugtunnel, mit dem das Verhalten von Insekten in Bezug auf die Verbreitung eines Duftsignals aufgezeichnet werden kann. Alexandre Gurba, Doktorand des Neuenburger Teams, hat so die Attraktivität der vier Petuniasorten auf die Tabakschwärmer getestet. Die Pflanzen wiesen jeweils folgende Charakteristika auf: weisse Blüten mit Duft (natürliche Art), weisse Blüten ohne Duft (Hybride), rote Blüten ohne Duft (natürliche Art), rote Blüten mit Duft (Hybride).

Im Flugtunnel, wo die Tabakschwärmer die Wahl hatten zwischen zwei Petunien, die zwar beide weiss blühen, eine hingegen duftet, die andere jedoch nicht, zeigten diese Insekten erwartungsgemäss eine deutliche Vorliebe für Pflanzen mit Duft – für solche Petunien also, wie sie in der Natur vorkommen. Die Verwirrung der Bestäuber war gross, wenn sie vor eine andere Situation gestellt wurden: Sie sollten entweder auf eine weissblühende Pflanze zufliegen, die entgegen ihrer Erwartung keinen Duft verströmte – oder sie sollten sich vom wohlbekannten Duft leiten lassen, der allerdings von einer Pflanze mit roten Blüten stammte. «Die Falter folgten zunächst dem Duftstrom, kamen sie aber in die Nähe der Blüten, die nicht die erwartete Farbe zeigten, waren sie verwirrt», kommentiert Alexandre Gurba. «Sie zögerten vor den einen wie vor den anderen Blüten. Der grösste Teil der Falter zog es schliesslich vor, sich von den roten und duftenden Blüten zu ernähren.»

Genetik und Verhalten im gleichen Experiment

Indem in dieser Studie Pflanzengenetik zusammen mit dem Verhalten von Tieren untersucht wurde, konnte zum ersten Mal am Beispiel lebender Organismen aufgezeigt werden, dass die Produktion von Duftstoffen nicht nur dazu dient, die Bestäuber über lange Distanzen hinweg zu denjenigen Pflanzen hinzuführen, welche als Nektarspender in Betracht kommen, sondern dass der Duft auch in nächster Nähe der Blüte für die Falter ebenso wichtig ist wie die Farbe derselben.

Die Arbeit zeigt, dass die Genetik der Düfte erstaunlich einfach ist. In einem sich wandelnden Klima, in welchem Bestäuber verschwinden, können sich Pflanzen vielleicht leichter anpassen als bisher gedacht. Die Studie weist allerdings auch darauf hin, dass die sehr seltene Art Petunia exserta in Ihrem Habitat in Südamerika akut durch Hybridisierung mit dem Unkraut P. axillaris bedroht wird.

Quellenangabe:

Ulrich Klahre, Alexandre Gurba, Katrin Hermann, Moritz Saxenhofer, Eligio Bossolini, Patrick M. Guerin, Cris Kuhlemeier: Pollinator Choice in Petunia Depends on Two Major Genetic Loci for Floral Scent Production. Current Biology vom 14. April 2011, doi: 10.1016/j.cub.2011.03.059

Die vollständige Mitteilung finden Sie auf der Website der Universität Neuchâtel (siehe Service-Box rechts).

Quelle: Medienmitteilung der Universität Neuchâtel

14.04.2011