Genetiker der Universität Bern erhält zwei Millionen Fördergelder
Der Genetiker und Zellbiologe Mariusz Nowacki erhält vom Europäischen Forschungsrat einen «Starting Grant» von zwei Millionen Franken. Er erforscht Prozesse der Vererbung und entdeckte eine neue Rolle der genetischen «Informationsvermittlerin» RNA (Ribonukleinsäure).
Prof. Dr. Mariusz Nowacki wurde Anfang 2010 als Oberassistent, danach als Assistenzprofessor am Institut für Zellbiologie der Universität Bern angestellt. Nur wenig später erhielt er bereits einen der wichtigsten europäischen Förderbeiträge: den «ERC Starting Grant», der vom Europäischen Forschungsrat an exzellente Nachwuchswissenschafter vergeben wird. Nowacki wird damit für seine Arbeit im Bereich der Epigenetik ausgezeichnet.
Die Epigenetik befasst sich mit Zelleigenschaften, die auf Tochterzellen vererbt werden, aber im Gegensatz zu den genetischen Eigenschaften nicht in der DNA (Desoxyribonukleinsäure) festgeschrieben sind, sondern durch die Chromosomen und durch spezifische Ribonukleinsäuren definiert werden. Nowacki entdeckte, dass diese Ribonukleinsäuren nicht nur Regelfunktionen haben, sondern auch direkt Änderungen im Erbgut vornehmen können. Sie sind damit viel aktiver als bisher angenommen. Der Genetiker und Zellbiologe will nun mit dem Förderbeitrag von umgerechnet zwei Millionen über eine Laufzeit von fünf Jahren am Institut für Zellbiologie eine neue Forschungsgruppe aufbauen.
RNA-Moleküle: eine neue Schlüsselrolle in der Vererbung
In jedem Organismus spielen epigenetisch aktive RNA-Moleküle eine zentrale Rolle in der Steuerung genetisch festgelegter Eigenschaften. Sie setzen genetische Informationen um, indem sie zum Beispiel bestimmte Gene ausschalten, um unkontrolliertes Zellwachstum zu verhindern. Gewisse RNA-Moleküle sind aber auch noch weit mehr als blosse Informationsvermittler: Wie Mariusz Nowacki entdeckte, programmieren sie auch selber genetische Änderungen in der DNA. Somit kann die RNA ebenso wie die DNA Zelleigenschaften an die nächsten Generationen weitergeben. Und nicht nur das: RNA-Moleküle können sogar defekte Gene reparieren.
Wimperntierchen als Modell-Organismus
Wimperntierchen sind geeignete Modelle, um neue Wege in der Vererbung von Zelleigenschaften zu erforschen. Sie sind Einzeller, enthalten aber zwei Zellkerne. Der eine steuert die körperlichen Vorgänge, der andere dient der Fortpflanzung. Wie Nowacki herausfand, enthält bei Wimperntierchen die RNA mütterlicherseits sowohl eine Art Anleitung, um DNA abzuändern, als auch eine Vorlage, die spontane Mutationen während des Heranwachsens des Wimperntierchens von einer zur nächsten Generation erlaubt.
Damit ist die RNA zur sogenannten «Lamarck’schen Vererbung» fähig, der Vererbung erworbener, nicht angeborener Eigenschaften. «RNA hat somit eine neue biologische Rolle erhalten», so der Genetiker. Er ist überzeugt, dass die Fähigkeit der Wimperntierchen, erworbene Eigenschaften zu vererben, ihnen zusätzliche Möglichkeiten der Anpassung bietet und dass sie dieser Fähigkeit ihre weltweit erfolgreiche Ausbreitung verdanken.
Mariusz Nowacki (32) hat in Warschau (PL) Pflanzenbiologie studiert und in Paris an der Ecole normale supérieure dissertiert. Als Postdoktorand erhielt er ein Forschungsstipendium an der Princeton University (USA) am «Laura Landweber’s Laboratory», einem der wenigen und weltweit renommiertesten Labore, die sich mit der Genetik von Wimperntierchen befassen. 2010 folgte Nowacki einem Ruf an die Universität Bern, wo er eine Assistenzprofessur (Tenure track) in RNA-Biologie erhielt.
30.07.2010