Das Gelb der Kohlmeise ist ein Zeichen für die Spermien-Fitness
Die gelbe Farbe des Federkleides der Kohlmeisen ist eng gekoppelt an die Qualität ihrer Spermien: Die leuchtend gelbe Meise kann ihre Spermien besser vor Schäden schützen und ist fruchtbarer als die blasse. Das Kohlmeisen-Prinzip kann gemäss Berner Evolutionsbiologen auf alle Tiere übertragen werden.
Kohlmeisen mit leuchtend gelber Brustfarbe sind fruchtbarer als die blasseren: In ihrer neuen Studie bestätigen Berner Evolutionsbiologen eine gängige Hypothese, dass sexuelle Ornamente wie bunte Federkleider bei Vögeln ein Zeichen für die Spermienqualität sind. Ein Team um Heinz Richner und Fabrice Helfenstein vom Institut für Ökologie und Evolution hat herausgefunden, dass Kohlmeisen mit leuchtenden Brustfedern besser in der Lage sind, ihre Spermien von oxidativem Stress zu schützen. In der Folge sind sie fruchtbarer als die blasseren Kohlmeisen. Die Studie, die in «Ecology Letters» erschienen ist, hat «Nature» in seiner aktuellen Ausgabe zum Forschungs-Highlight erklärt.
Die Weibchen wählen gelb
Stress beim Brüten, bei der Nahrungssuche oder der Revierverteidigung: Umweltfaktoren beeinflussen bei Kohlmeisen den Organismus, der durch diese Belastungen auf der Zellebene oxidativen Stress verursachen und mehr freie Radikale freisetzen kann – Moleküle also, welche die Zellen angreifen, insbesondere die empfindlichen Spermien. Gegen die freien Radikale kann ein Organismus Carotinoide einsetzen, welche die freien Radikale neutralisieren. «Da bei der Kohlmeise die Carotinoide gleichzeitig als Pigmente für die gelben Brustfedern dienen, ist die Farbintensität des Gelbes ein Indikator, wie gut ein Kohlmeisen-Männchen mit oxidativem Stress umgehen kann», erklärt Heinz Richner: Ein leuchtendes Männchen scheint genügend Carotinoide einzusetzen, um diese – neben der Neutralisation der freien Radikale – auch noch als Farbpigmente in sein Federkleid einbauen zu können. Bei einem blassen Individuum werden aufgrund geringerer Carotinoid-Aktivität mehr Spermienschäden erwartet. «Die Weibchen scheinen diese Signale zu erkennen und wählen deshalb ein möglichst gelbes Männchen», so Richner. Damit würden die Weibchen sowohl das Risiko unbefruchteter Eier minimieren als auch Nachwuchs, der erblich vorbelastet wäre.
Extra-Stress durch zusätzliche Junge
Die Berner Evolutionsbiologen simulierten in ihren Experimenten Stress, in dem sie 29 in Berner Wäldern nistenden Kohlmeisen-Paaren je zwei Jungvögel zusätzlich in die Brut legten. «Normalerweise machen die beiden Partner pro Tag 500 Nahrungsflüge, mit zwei Jungen mehr verdoppelt sich diese Zahl», so Richner. In wiederholten Messungen über 15 Tage zeigte sich deutlich, dass die blasseren Männchen weniger Spermienaktivität zeigten als die leuchtenden. Fütterte man die Blassen allerdings zusätzlich mit Carotinoiden verbesserte sich die Fitness ihrer Spermien gemäss Richner drastisch.
Die Kohlmeise als Modell für alle Tiere
«Der Zusammenhang Stress/Spermienqualität lässt sich prinzipiell auf alle Tiere übertragen, da auf der Zellebene alle gleich funktionieren», sagt Heinz Richner, der an diesen evolutionsbiologischen Mechanismen interessiert ist, denen auch der Mensch unterliegt: Auch Menschen haben sekundäre Geschlechtsmerkmale, und auch bei ihnen findet eine Selektion bei der Partnerwahl statt. So haben Studien gezeigt, dass etwa die Symmetrie von Gesicht und die Körperproportionen beim Menschen als Selektionskriterium gelten. «Andere Merkmale wiederum sind sehr individuell, wie etwa der Duft, oder ethnische Ideale, die bei der Partnerwahl mitspielen», so Richner.
Quellenangabe:
Fabrice Helfenstein, Sylvain Losdat, Anders Pape Møller, Jonathan D. Blount and Heinz Richner: Sperm of colourful males are better protected against oxidative stress, Ecology Letters, 13, 2, 213-222 (4. Jan), doi:10.1111/j.1461-0248.2009.01419.x
22.01.2010