Berner Forscher entdecken Gen für Haarwuchs
Durchbruch in der Genetik: Ein internationales Forscherteam unter Federführung der Berner Cord Drögemüller und Tosso Leeb hat die Mutation gefunden, die zur Haarlosigkeit bei Nackthunden führt. Da auch der Mensch dieses Gen besitzt, könnte die Entdeckung eine Grundlage für eine künftige Therapie von Haarausfall sein.
Nur dank neuester Technologie haben die Berner Genetiker das Gen
entdeckt, das den Haar- und Zahnwuchs steuert. Sie haben sozusagen die
Nadel im Heuhaufen gefunden: «Die gesamte Erbsubstanz beim Hund ist in
rund drei Milliarden Grundbausteinen, so genannten Basenpaaren, auf den
Chromosomen enthalten», erklärt Tosso Leeb vom Institut für Genetik der
Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern. Um diese Unmenge an Daten zu
durchforsten und DNS-Abschnitte von verschiedenen Nackthunden auf
Übereinstimmung zu prüfen, bedarf es ausgeklügelter Labortechniken. In
einem einzigen DNS-Chip-Experiment war es dem Genetik-Team möglich,
viele tausend variable DNS-Stellen im Hundegenom gleichzeitig zu
untersuchen. «Früher hätten solche Studien Jahre gedauert», so Leeb.
Die Resultate des Forscherteams werden am Freitag, 12. September im
Wissenschaftsmagazin «Science» publiziert. Die Entdeckung verdeutlicht
einmal mehr, dass die enorme Vielfalt von Rassehunden grundlegende
Entdeckungen in der biomedizinischen Forschung ermöglicht.
Gen seit über 1000 Generationen unverändert
Die Berner Forscher konnten bei ihrer Suche schliesslich einen
DNS-Abschnitt eingrenzen, der bei den untersuchten Nackthunden immer
gleich war. Rund 100’000 Basenpaare auf Chromosom 17 hatten stets eine
identische Abfolge. Ein Vergleich dieses DNS-Abschnitts von nackten und
behaarten Hunden brachte schliesslich bei den nackten Tieren eine
Mutation zutage, die gemäss Leeb auf ein einziges Gründertier
zurückgehen muss. Damit war das Gen mit dem Namen «FOXI3» entdeckt.
Nackthunde gibt es schon seit mindestens 3700 Jahren und vermutlich
gehen die heutigen Rassen, wie zum Beispiel chinesische Schopfhunde,
alle auf den mexikanischen Nackthund (Xoloitzcuintle) zurück. Der
Xoloitzcuintle wurde von den Azteken als heiliger Hund verehrt, und die
ältesten Statuen von Nackthunden wurden auf 1700 v. Chr. datiert. Auch
dem berühmten Biologen Carl von Linné fielen die Nackthunde auf. Er hat
sie im Jahre 1758 in seinem Werk über die Systematik der Arten als Canis aegyptius beschrieben.
Ein Baustein in der Therapie der Haarlosigkeit
Für Tosso Leeb und seine Kollegen öffnet die Beschreibung des
FOXI3-Gens neue Perspektiven: «Die Entwicklung von Haaren und Zähnen
wird bislang nicht gut verstanden. Mit FOXI3 ist ein weiterer wichtiger
Baustein in der komplexen Steuerung identifiziert.» Das Ergebnis von
Leebs Grundlagenforschung kann vielleicht in der weiteren Zukunft auch
therapeutisch eingesetzt werden: «Kennt man ein Gen und seine
Funktionen, kann sein Produkt – ein Protein – möglicherweise später
durch Medikamente beeinflusst werden oder selbst als Wirkstoff dienen»,
erklärt Leeb, betont aber auch: «Es ist nicht zu erwarten, dass sich
ein Mann ein Wässerchen mit FOXI3 auf das lichte Haupt reiben könne und
am nächsten Tag würden seine Haare wieder wie im Jugendalter spriessen.
Aber ein besseres Verständnis der Steuerungsvorgänge des Haarwachstums
könnte in Zukunft schon zur Entwicklung von wirksameren Therapien für
spezifische Formen der Haarlosigkeit beitragen.»
Quellenangabe: Drögemüller C., E. K. Karlsson, M. K. Hytönen, M. Perloski, G. Dolf, K. Sainio, H. Lohi, K. Lindblad-Toh & T. Leeb: Mutations in Hairless Dogs Implicate FOXI3 in Ectodermal Development, Science, 2008.
12.09.2008