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Wie der Muskelkater verheilt

Wenn Muskeln überbelastet sind und sich entzünden, beginnt unser Körper das Protein Tenascin-C zu produzieren. Dies hat ein Forscherteam der Universität Bern herausgefunden und beginnt damit den Heilprozess bei Muskelkater zu verstehen. Die Resultate könnten neue Möglichkeiten zur Therapie krankhaften Muskelschwunds eröffnen.

Die Entstehung von Muskelkater wurde von der Forschung längst beschrieben: Feine Risse der Muskulatur, hervorgebracht durch eine vorgängige Überbelastung, lösen den lähmenden Muskelschmerz aus. Wenig ist jedoch bekannt über die Heilungsmechanismen. Der Arbeitsgruppe um Prof. Martin Flück am Institut für Anatomie der Universität Bern ist es nun mit einer Kombination von mikroskopischen Methoden und moderner Gentechnologie gelungen, erste Hinweise zur zellulären Steuerung der Genesung des überbelasteten Muskels zu erhalten. Die Forschenden konnten in experimentellen Studien aufzeigen, dass das Bindegewebsprotein Tenascin-C bei der Muskelheilung eine entscheidende Rolle spielt. Die Studie wurde mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds, der «Association Française contre les Myopathies» und des französischen Aussenministeriums durchgeführt. Auszüge daraus wurden im Wissenschaftsmagazin «Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America» (PNAS) publiziert. Ausserdem werden die Resultate Mitte September an der «European Muscle Conference» im Keeble College in Oxford (England) erstmals öffentlich vorgestellt.



Der bewegte Muskel ist ständig gestresst


Mit ihrer Fähigkeit zur Kontraktion, d.h. sich zusammenzuziehen, bestimmen die Skelettmuskeln über sehnige Verbindungen mit den beweglichen Teilen des Skeletts Bewegungsabläufe dynamisch mit. Die aktive Muskulatur ist dabei auf «Schritt und Tritt» Kräften ausgesetzt, die das Gewebe zu verletzen drohen. Die Muskelzellen (Fasern) des belasteten Muskels erleiden so mikroskopisch definierte Verletzungen, die zusammen mit der nachfolgenden Entzündung die Kontraktionskraft der Muskelfasern hemmt. Diese Erscheinung tritt besonders bei mechanisch hoch belastenden Bewegungsformen auf, etwa nach einer Wanderung oder im Sport – und äussert sich als Muskelkater. Im gesunden Muskel ist das Protein Tenascin-C nicht vorhanden. Seine Produktion wird nach der Überbelastung des Muskels am Ort des Faserschadens ausgelöst. Die Studien der Gruppe um Prof. Martin Flück haben in transgenen Mäusen mit zu wenig Tenascin-C Defekte im Bindegewebe und in den Muskelfasern in Folge erhöhter Muskelbelastung nachgewiesen.



Zukünftige Therapieformen von Muskelschwund


Bei Mangel an Tenascin-C wiesen die Forschenden zudem eine Schrumpfung der Muskelfasern nach, welche die Muskelkontraktion verlangsamt. Diese Ergebnisse liefern somit erste Hinweise, dass wiederholt unverheilte Mikroblessuren der Muskeln eine Rolle spielen bei degenerativen Muskelerkrankungen und altersabhängigem Muskelabbau. Die Resultate können damit relevant sein für zukünftige Therapieformen krankhaften Muskelschwunds – denn sie zeigen auf, dass die effektive Wundheilung des Muskelgewebes in bislang unbekanntem Mass durch die Muskelaktivität beeinflusst wird.



Quellenangabe: Flück, M., S.I. Mund, J.C. Schittny, S. Klossner, A.-C. Durieux and M.-N. Giraud: Mechano-regulated Tenascin-C orchestrates muscle repair, PNAS, 2008, doi:10.1073/pnas.0805365105.



08.09.2008