Zwei Studien von Inselspital-Forschern zu Stents in renommierten Fachzeitschriften publiziert
Zwei gute Nachrichten für Herzkreislauf-Patienten: Neue Medikamenten-Stents sind mindestens ebenso wirksam und sicher wie herkömmliche Medikamenten-Stents. Und: Medikamenten-Stents sind auch für Diabetiker geeignet. Diese Forschungsergebnisse zweier Ärzte des Inselspitals sind am Montag, 1. September 2008, in den Online-Ausgaben zweier renommierter Fachzeitschriften publiziert worden. Die Studien entstanden dank einem neuen Zusammenarbeits-Modell zwischen Industrie und Forschung.
Wenn die Herzkranzgefässe immer enger werden, leidet die Durchblutung des Herzens, was im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt führen kann. Reicht eine medikamentöse Behandlung nicht aus, wird die Engstelle durch einen sogenannten Stent gestützt. Dieses Gitterröhrchen verhindert, dass sich die Arterie wieder verengt.
Zwei Stent-Typen sind gebräuchlich: Reine Metallstents und beschichtete Stents, die Medikamente frei setzen. Bei reinen Metallstents kommt es in etwa einem Fünftel der Fälle wieder zu einer Gefässverengung. Der Grund: An der Einsatzstelle des Stents vermehrt sich Gewebe und verengt die Arterie erneut. Daher wurden Stents entwickelt, die diese unerwünschte Neubildung von Gewebe hemmen. Zwei Wirkstoffe haben sich dabei durchgesetzt: das Immunsuppressivum Sirolimus und das Krebstherapeutikum Paclitaxel.
Die Medikamente freisetzenden Stents sind aber mit einem erhöhten Risiko von Thrombosen in Verbindung gebracht worden. Mitverantwortlich für diese gefährliche, wenn auch seltene Komplikation könnten die Trägersubstanzen sein, die eine stetige Medikamentenabgabe gewährleisten. Daher wurde eine neue Generation von Medikamenten-Stents mit einer neuartigen Trägersubstanz entwickelt, welche nach 6 – 9 Monaten vollständig in Kohlensäure und Wasser abgebaut wird. Zurück bleibt nur das stützende Metallröhrchen.
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Stephan Windecker (Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital Bern) und Dr. Peter Jüni (CTU Bern, Inselspital, und Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern) hat erstmals eine randomisierte, multizentrische Studie durchgeführt, in welcher der neue Stent-Typ (Biomatrix Flex) mit dem bisher wirksamsten herkömmlichen Medikamenten-Stent (Cypher, Cordis, Miami Lakes, Florida, USA) verglichen wurde. Insgesamt wurden 1707 Patienten in die Studie eingeschlossen.
Neue Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung und Industrie
Die Studie weist zudem den Weg für eine neuartige Zusammenarbeit
zwischen Industrie und universitärer Forschung: Finanziert wurde die
Studie primär durch den Hersteller des neuen Stents (Biosensors Inc.
Newport Beach, CA, USA). Die Verantwortung für die Durchführung der
Studie lag aber vollständig bei der Universitätsklinik für Kardiologie
des Inselspitals sowie der CTU Bern, der lokalen «Clinical Trials
Unit», in Zusammenarbeit mit der Universität Rotterdam. «Die
Verantwortung für Erfassung, Überwachung, Analyse, Interpretation und
Veröffentlichung der Daten wurde den Forschern überlassen, wodurch die
unabhängige und vollständige Publikation der Resultate gesichert werden
konnte», sagt Peter Jüni. Die Studie ist am Montag, 1. September 2008
in der Online-Ausgabe der Zeitschrift The Lancet erschienen.
Entwarnung für Diabetiker
In den letzten zwei Jahren wurde die Sicherheit von Medikamenten-Stents
wiederholt in Frage gestellt. Eine 2007 im New England Journal of
Medicine publizierte Studie fand bei Diabetikern ein beinahe dreifach
erhöhtes Sterblichkeitsrisiko unter Medikamenten-Stents im Vergleich zu
reinen Metall-Stents. Nun gibt ein internationales Forschungsteam unter
der Leitung von Dr. Peter Jüni, Dr. Christoph Stettler und Prof.
Stephan Windecker Entwarnung: Die Analyse von 35 Studien ergab, dass
Medikamenten-Stents auch für Diabetiker nicht gefährlicher sind als
reine Metall-Stents. Voraussetzung ist eine zusätzliche begleitende
medikamentöse Hemmung der Blutplättchen. «Das in früheren Studien
berichtete erhöhte Sterblichkeitsrisiko bei Patienten mit Diabetes
unter Medikamenten-Stents ist wohl auf ein zu frühes Absetzen der
doppelten Plättchenhemmung zurückzuführen», meint Stephan Windecker.
Die Studie ist in der Online-Ausgabe des British Medical Journals
ebenfalls am Montag, 1. September 2008 erschienen.
«Clinical Trials Unit»
Die akademische patientenorientierte klinische Forschung in der Schweiz zu stärken ist das Ziel der «Clinical Trials Units», Kompetenzzentren für klinische Forschung in Bern, Basel, Genf, Lausanne, Zürich und St. Gallen. Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) unterstützt diese sechs Kompetenzzentren finanziell. CTUs unterstützen Forschende verschiedenster Kliniken und Abteilungen bei der Durchführung und Auswertung von klinischen Studien. Zudem stellen sie sicher, dass international anerkannte Qualitätsmassstäbe eingehalten werden, bieten Ausbildungskurse für das Fachpersonal an, arbeiten mit den Behörden sowie den zuständigen Ethikkommissionen zusammen und vernetzen sich auf nationaler Ebene untereinander durch ihre Einbindung in eine nationale Koordinationsstelle.
01.09.2008