Berner messen Satellitenbahn auf zwei Zentimeter genau
Ein neuer ESA-Satellit soll das Gravitationsfeld der Erde genauer vermessen. Die Daten könnten etwa für künftige Klimaprognosen von Bedeutung sein. Das Astronomische Institut der Universität Bern ist mit einem seiner Spezialgebiete an dieser Mission beteiligt: Es bestimmt die Umlaufbahn des Satelliten – und dies äusserst präzis.
Am 5. Oktober 2008 wird der ESA-Satellit GOCE («Gravity Field and Steady-State Ocean Circulation Explorer») im russischen Plesetsk gestartet. GOCE soll das Gravitationsfeld der Erde mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen. Daraus können wichtige Beiträge zum besseren Verständnis von Prozessen, die in und auf der Erde ablaufen, abgeleitet werden. So ist das Gravitationsfeld zum Beispiel ein wichtiger Faktor bei der Klimaforschung. Seine präzise Bestimmung erlaubt, Änderungen der Dichte der Erdkruste zu messen, geophysikalische Prozesse in dieser Kruste zu verstehen und Veränderungen der Eismassen an den Polen zu erfassen. Die Daten ermöglichen auch ein besseres Modellieren von Ozeanströmungen. Viele dieser Informationen sind wichtige Bausteine in Modellen, welche die Entwicklung des globalen Klimas für die Zukunft vorhersagen sollen.
Uni Bern berechnet die Bahn des Satelliten
Ein Zusammenschluss von zehn Institutionen und Universitäten aus ganz
Europa hat von der ESA den Auftrag bekommen, die Messdaten der
komplexen Satellitenmission auszuwerten. Das Projekt kostet 7,8 Mio.
Euro und wird durch das Institut für Astronomische und Physikalische
Geodäsie der Technischen Universität München gemeinsam mit dem
Niederländischen Raumforschungsinstitut in Utrecht koordiniert. Das
Astronomische Institut der Universität Bern (AIUB) wird für die präzise
Bestimmung der Umlaufbahn des neuen Satelliten verantwortlich sein.
«Dafür werden die Daten eines auf dem Satelliten mitfliegenden
GPS-Empfängers verwendet, woraus die Umlaufbahn mit einer Genauigkeit
von besser als zwei Zentimetern bestimmt werden kann», erklärt Heike
Bock vom AIUB. Die Genauigkeit der berechneten Bahnen wird
routinemässig durch direkte Distanzmessungen zum Satelliten, unter
anderem vom Observatorium Zimmerwald bei Bern aus, überprüft. Diese
präzise Bestimmung der Satellitenbahn ist erforderlich, um die
Parameter des Gravitationsfeldes der Erde aus den Messungen des
sogenannten Gradiometers berechnen zu können. Dieses komplexe
Präzisionsinstrument, das Herzstück der Mission, misst kleinste
Beschleunigungsdifferenzen. Die Bahnbestimmung für diesen Satelliten
ist eine besondere Herausforderung, da er in einer sehr geringen Höhe
von lediglich 260 Kilometern über dem Erdboden auf einer fast polaren
Bahn um die Erde kreisen wird. Eine solche Bahn ist notwendig, um eine
optimale Empfindlichkeit der Messsysteme für das Gravitationsfeld zu
erreichen.
Berner Software wird weltweit eingesetzt
Das AIUB nimmt seit vielen Jahren weltweit eine führende Position im Bereich der Auswertung von GPS-Daten und der präzisen Bestimmung von Satellitenbahnen ein. Zu diesem Zweck wird seit etwa 20 Jahren ein Softwarepaket, die «Bernese GPS Software», kontinuierlich weiterentwickelt. Es wird inzwischen in etwa 300 anderen Universitäten und Institutionen weltweit zur Auswertung von GPS-Messungen mit höchsten Genauigkeitsansprüchen eingesetzt. Das Institut betreibt ausserdem, unterstützt vom Bundesamt für Landestopographie, in Zimmerwald eine der weltweit modernsten Einrichtungen zur Vermessung von Satellitenbahnen mit Hilfe von Laserdistanzmessungen.
05.09.2008