Neue Strategie vermindert das Risiko eines Hirnschlags
Knapp ein Viertel aller Hirnschlagpatientinnen und -patienten ist dem Risiko ausgesetzt, aufgrund des sogenannten Vorhofflimmerns einen erneuten Hirnschlag zu erleiden. Kardiologen des Inselspitals Bern haben mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds eine neue Strategie entwickelt, um diese Risikogruppe rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Die Resultate sind kürzlich in der Fachzeitschrift «Stroke» erschienen.
Der Hirnschlag ist in der Schweiz dritthäufigste Todesursache und häufigster Grund fur eine vorzeitige Invalidität. Personen, die einen Hirnschlag erlitten haben, sind ausserdem der besonderen Gefahr ausgesetzt, zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Mal einen Schlaganfall zu erleiden. Eine relativ häufige Ursache für das neuerliche Auftreten eines Hirnschlags ist das so genannte Vorhofflimmern.
Dadurch kann sich im linken Herzvorhof ein Blutgerinnsel bilden, das zu einem Schlaganfall führt. Die Gefahr kann mit der Einnahme von Blutverdünnungsmitteln reduziert werden. Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass ein plötzlich auftretendes Vorhofflimmern von den Betroffenen höchst unterschiedlich wahrgenommen wird: Während die einen beim Auftreten einer solchen Störung fast in Panik geraten, merken andere nicht einmal etwas davon.
Doch auch für die Medizin ist es nicht einfach, ein bestehendes Vorhofflimmern nachzuweisen und als Ursache eines Hirnschlagrisikos zu erkennen.
Bisheriges Zeitfenster war zu klein
Bislang war es üblich, dass man bei Patientinnen und Patienten drei bis vier Tage nach dem Hirnschlag ein 24-Stunden-Elektrokardiogramm (EKG) durchführte, um den Herzrhythmus zu kontrollieren. «Doch dieses Vorgehen allein bringt nicht viel, da 24 Stunden zu kurz sind», sagt Etienne Delacŕétaz, Professor für Rhythmologie und Elektrophysiologie an der Klinik für Kardiologie des Inselspitals Bern.
Der Grund liegt darin, dass es nicht nur ein chronisches Vorhofflimmern gibt, sondern auch ein anfallartiges: Der Herzrhythmus kann zum Beispiel während einer Woche in Ordnung sein, anschliessend zwei Tage abnormal, dann wieder normal.
Eine frühere Berner Pilotstudie hatte bereits Frühwarnsignale für das Vorhofflimmern angedeutet: Patienten, die in einem 24-Stunden-EKG mehr als 70 Extrasystolen (frühzeitige elektrische Impulse) aufwiesen, waren auch häufiger vom Vorhofflimmern betroffen. Aufgrund dieser Resultate entwickelten die Berner Kardiologen eine neue Strategie, um Hirnschlagpatienten mit Vorhofflimmern besser aufzuspüren: Zusätzlich zum 24-Stunden-EKG werden die Risikopatienten - jene mit mehr als 70 Extrasystolen im 24-Stunden-EKG – innert sechs Monaten drei Mal einem 7-Tage-EKG unterzogen. Dass diese Strategie sinnvoll ist, haben die Forscher nun an 127 Patienten nachgewiesen:
Bei den Risikopatienten erlaubten die Langzeit-EKG, in 26 Prozent der Fälle ein Vorhofflimmern zu diagnostizieren. Bei den anderen waren nur 6 Prozent betroffen. Die Resultate sind kürzlich in der Fachzeitschrift «Stroke» erschienen.
«Neue Strategie mit alten Werkzeugen»
Mit dieser Untersuchungs- und Behandlungsmethode wurde am Inselspital zwar nicht das Rad neu erfunden: «Wir haben keine neuen Werkzeuge erfunden, aber aufgrund unserer Studienergebnisse konnte mit alten Werkzeugen eine neue Strategie entwickelt werden, die das Hirnschlagrisiko bei gewissen Patienten senken kann», sagt Delacrétaz. Nun hoffen die Berner Mediziner natürlich, dass diese Strategie auch in anderen Städten und Ländern zum neuen Standard wird.
Quelle: Dieter Wallmann, MD; David Tüller, MD; Kerstin Wustmann, MD; Pascal Meier, MD; Jörg Isenegger, MD; Marcel Arnold, MD; Heinrich P. Mattle, MD; Etienne Delacrétaz, MD: Frequent Atrial Premature Beats Predict Paroxysmal Atrial Fibrillation in Stroke Patients. An Opportunity for a New Diagnostic Strategy.
Stroke, 31. July, DOI:10.1161/STROKEAHA.107.485110
02.08.2007