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Chlamydien-Tests: Effektivität falsch eingeschätzt

Die Wirksamkeit von Gelegenheitstests zum Nachweis von Chlamydien, wie sie in diversen westlichen Ländern empfohlen werden, ist nicht belegt: Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Berner Instituts für Sozial- und Präventivmedizin.

National unterstützte Screening-Programme, die Patientinnen und Patienten bei Konsultationen beim Hausarzt auch auf Chlamydien testen, werden in ihrer Wirksamkeit massiv überschätzt: Dies ist das Ergebnis einer Analyse von Dr. Nicola Low, Epidemiologin am Berner Institut für Sozial- und Präventivmedizin. Chlamydien sind eine weit verbreitete, heilbare, leicht zu diagnostizierende sexuell übertragbare Krankheit, die in der Regel keine Symptome aufweist. Eine Infektion durch die Bakterien kann jedoch zu schwerwiegenden Komplikationen führen wie Unfruchtbarkeit oder Eileiterschwangerschaften und einer erhöhten HIV-Ansteckung. Für ihre Analyse verwendete Low Daten aus einer langjährigen Forschungszusammenarbeit mit der Universität Uppsala (Schweden), von ihrem eigenen Institut sowie aus internationalen Konferenzen über sexuelle Gesundheit von 2006.

Fehlende empirische Basis

Ein sogenannt opportunistisches Screening, das bei ärztlichen Routineuntersuchungen angeboten wird, ist in England ab 2008 geplant. Low warnt aber davor: «Es gibt bisher keine verlässlichen Studien, die den Nutzen solcher Screening-Programme für die langfristige Bekämpfung dieser Krankheit beweisen.» In Schweden nahm die Zahl der Infektionen zwar ab, als landesweit opportunistische Chlamydientests durchgeführt wurden. Diese fanden aber gleichzeitig statt wie eine AIDS-Präventionskampagne. Der Rückgang der Chlamydien-Infektionen wurde den Tests zuge-sprochen, allerdings ohne dies empirisch überprüft zu haben. Wie Low in ihrer Studie zeigt, stieg die Zahl der Ansteckungen später wieder an – sobald der Effekt der AIDS-Präventionsmassnahmen nachgelassen hatte. Somit waren diese wohl der wahre Auslöser für ein verändertes Sexualverhalten und den vorläufigen Rückgang der Ansteckungen. Der vermeintliche Erfolg dieses Screenings wurde aber gemäss Low seitdem unkritisch auch für Screening-Programme anderer Länder übernommen.

Nicht nur die Wirkung, auch der Kosten-Nutzen werde überschätzt, meint die Berner Epidemiologin: Studien, die belegen sollten, dass ein opportunistisches Screening kosteneffektiv sei, hielten ökonomischen Evaluationskriterien nicht stand. Effektiver sei ein sogenannt proaktives Screening, bei welchem auf Grund von Bevölkerungsdaten bestimmte Risikogruppen zu regelmässigen Tests eingeladen werden, bei denen auch die jeweiligen Sexualpartnerinnen und -partner kontaktiert und getestet werden können. Low regt deshalb eine einheitliche Definition von Screening-Programmen an und empfiehlt Ländern, die nationale Screenings einführen wollen, vor-gängige Kosten-Nutzen-Analysen.

In der Schweiz nehmen – wie in anderen europäischen Staaten und in den USA – Chlamydien-Infektionen seit 2000 zu. Laut Low existieren in der Schweiz momentan jedoch weder Richtlinien noch Screening-Programme.


Quellenangabe: Low Nicola, Chlamydia screening programmes: when will we ever learn? British Medical Journal 2007; 334:725-8.

19.04.2007