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Infektionen trotzen Antibiotika immer häufiger

Bakterielle Krankheiten, bei denen Antibiotika immer weniger wirken, nehmen in der Schweizer Medizin zu. Dies ergeben die Überwachungssysteme, die an der Universität Bern im Nationalen Forschungsprogramm «Antibiotikaresistenz» (NFP 49) entwickelt wurden.

Jedes Jahr wird in der Schweiz bei etwa 1000 Spitalpatienten eine schwere Infektion mit einem antibiotikaresistenten Bakterium diagnostiziert, mindestens 80 Fälle verlaufen tödlich. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf jährlich mehrere zehn Millionen Franken. Dies sind die ersten Resultate des Überwachungssystems SEARCH, das im Nationalen Forschungsprogramm «Antibiotikaresistenz» (NFP 49) entwickelt worden ist. SEARCH steht für «Sentinel Surveillance of Antibiotic Resistance in Switzerland» und wurde heute an einer Pressekonferenz vorgestellt.

Kathrin Mühlemann, die das Monitoring am Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern aufgebaut hat, warnt: «Wenn keine Massnahmen ergriffen werden, könnte das Problem der Antibiotikaresistenzen rasch zu einer wesentlichen Bedrohung für die Bevölkerung werden». Bisher gab es in der Schweiz keine umfassenden Zahlen zur Häufigkeit von antibiotikaresistenten Erregern und zum Verbrauch von Antibiotika.


Erstmals wird Antibiotikakonsum überwacht

In der Datenbank von SEARCH werden die Daten über Antibiotikaresistenzen aus 22 mikrobiologischen Labors aus der ganzen Schweiz erfasst. Damit sind ungefähr 80 Prozent der Spitaltage und mindestens 30 Prozent der praktizierenden Ärztinnen und Ärzte abgedeckt. Erfasst werden sämtliche Bakterienarten, die von den Labors auf Resistenzen getestet werden. Ins Überwachungssystem fliessen auch Zahlen über Verkäufe und Konsum von Antibiotika ein. So lässt sich in Zukunft feststellen, wenn bestimmte Antibiotika immer häufiger konsumiert werden, und welche Ursachen dafür verantwortlich sind.

Das Problem antibiotikaresistenter Krankheiten ist heute deutlich grösser als früher. «Vor knapp zehn Jahren hatten wir im Spital nur wenige Male pro Jahr eine Infektion, die aufgrund der Antibiotikaresistenz des Keims schwierig oder nicht mehr zu behandeln war», sagt Kathrin Mühlemann. «Heute geschieht dies fast wöchentlich.»


Weltweit führendes System

Im internationalen Vergleich ist SEARCH das umfassendste System zur Kontrolle von Antibiotikaresistenzen. Die Bandbreite der überwachten Mikroorganismen ist in keinem anderen Programm so gross. Dazu kommt, dass in der Schweiz Risikogruppen wie Kinder erfasst sind, die in anderen Programmen vernachlässigt werden und dass auch Daten aus der ambulanten Medizin erhoben werden.

Die Daten von SEARCH sind über eine Website öffentlich zugänglich. Bei wichtigen Veränderungen in der Resistenzlage werden auch Empfehlungen von Experten für Infektionskrankheiten und Mikrobiologie veröffentlicht. Diese Informationen geben Ärztinnen und Ärzten im ambulanten und stationären Bereich Sicherheit bei der Wahl von Antibiotikatherapien.

Dank dem Programm ist man nun in der Lage, bei negativen Entwicklungen rechtzeitig Massnahmen einzuleiten. Deren Wirksamkeit lässt sich wiederum mit SEARCH überprüfen. Falls ein negativer Trend festgestellt wird, gebe es zwei Möglichkeiten zu handeln, erläutert Mühlemann. Zuerst müsse das Problem eingegrenzt werden und allenfalls seien zur Erhebung weiterer Zahlen Detailstudien nötig. Parallel dazu würden Sofortmassnahmen ergriffen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um den gezielten Einsatz von Antibiotika, welche die Verbreitung der Resistenzen möglichst nicht weiter fördern, und Hygienemassnahmen wie die Isolation hospitalisierter Patienten.


Nationales Antibiotikaresistenzzentrum nötig

Doch die Zukunft des Überwachungssystems SEARCH ist noch unklar. Die Entwicklung von SEARCH kostete 2,7 Millionen Franken und kann noch bis Ende 2007 mit den Geldern des NFP 49 weitergeführt werden. Überwachungssystems SEARCH ist noch unklar. Die Entwicklung von SEARCH kostete 2,7 Millionen Franken und kann noch bis Ende 2007 mit den Geldern des NFP 49 weitergeführt werden.

Die wichtigste Empfehlung der Leitungsgruppe des NFP 49 ist deshalb der Ausbau von SEARCH zu einem Nationalen Antibiotikaresistenzzentrum (NARC). Neben der Überwachung der Resistenzlage und des Antibiotikavkonsums hat das NARC die Funktion einer nationalen Informations- und Beratungsplattform. Es soll ausserdem die Zusammenarbeit mit der EU und anderen Ländern sicherstellen sowie die weiterführenden Forschungsaktivitäten zum Thema Antibiotikaresistenz unterstützen und koordinieren.

Die Programmverantwortlichen schätzen den finanziellen Aufwand für NARC auf jährlich 700’000 Franken. Je 150'000 Franken sind vom Bundesamt für Gesundheit und von der Universität Bern in Aussicht gestellt worden. Woher die restlichen 400'000 Franken kommen, ist noch offen.

12.04.2007