Media Relations

Brutvögel trotz Bio-Landwirtschaft weiter gefährdet

Viele Brutvögel der Bergwiesen leiden unter der Intensivierung der Grünlandnutzung. Die Einführung der Bio-Landwirtschaft konnte den Bestandsrückgang bisher nicht aufhalten. Erfolg versprechend ist gemäss einer Studie der Universität Bern einzig die Extensivierung der Nutzung von Mähwiesen.

Nachdem viele Insekten fressende Wiesenvögel bereits aus dem Schweizer Mittelland verschwunden sind, droht ihnen nun auch im Berggebiet das Aus. Der Grund: die Intensivierung der Grünlandnutzung. Obwohl die Bio-Landwirtschaft im Aufwind ist, wurde bisher dem Rückgang verschiedener Vogelarten kein Einhalt geboten. Unter der Leitung von Prof. Raphaël Arlettaz hat eine Forschergruppe der Abteilung «Conservation Biology» der Universität Bern und der Schweizerischen Vogelwarte Sempach eine ökologische Studie am Braunkehlchen, einer bedrohten Vogelart, durchgeführt. Die Ergebnisse wurden soeben in «Biological Conservation» veröffentlicht, die betreffend Schutz von bedrohten Tier- und Pflanzenarten zu den renommiertesten wissenschaftlichen Zeitschriften gehört.


Düngung und systematische Bewässerung als Ursachen

Das Braunkehlchen ist ein kleiner, Insekten fressender Singvogel, der in Wiesen brütet und einst sowohl im Mittelland wie im Berggebiet häufig und weit verbreitet war. Die Intensivierung der Landwirtschaft führte zuerst zum Verschwinden der Art in tieferen Lagen. Der Bestand ist nun aber auch in den Voralpen und selbst in entlegenen Gebieten der Alpen rückläufig. Infolge der Intensivierung der Bewirtschaftung, insbesondere wegen Düngung und Bewässerung durch moderne Anlagen können Landwirte immer früher mit der Mahd beginnen. Als Bodenbrüter hat das Braunkehlchen kaum mehr Zeit genug, seine Brut aufzuziehen, bevor das Gras geschnitten wird.

Lange Zeit dachte man, dass das Ausmähen der Nester die Hauptursache für den Bestandsrückgang sei. Ein Vergleich des Bruterfolgs und der Nestlingsnahrung in intensiv genutzten und in traditionell bewirtschafteten Wiesen im Unterengadin offenbarte nun aber, dass der zu frühe Mahdzeitpunkt keineswegs die einzige Ursache für die Bestandsabnahme ist. Schuld daran ist auch die Intensivierung der Graswirtschaft, die zu einer weit reichenden Verarmung der Wiesen führt. Hauptursachen sind dabei die Düngung, insbesondere das Austragen von Gülle und die systematische Bewässerung mittels Sprenkelanlagen.

Die Berner Forscher zeigen mit ihrer Studie, dass die Intensivierung der Graswirtschaft zu einer drastischen Verminderung der Artenvielfalt von Fauna und Flora führt. Zudem wiesen sie nach, dass die Biomasse der Wirbellosen (Insekten, Spinnen usw.) in intensiv genutzten Wiesen bis zu fünfmal niedriger war als in traditionell bewirtschafteten Wiesen. Doch bilden gerade diese wirbellosen Tiere die Nahrung der Braunkehlchen. Die Vogeleltern mussten in Intensivwiesen jeweils weitere Strecken zurücklegen um Nahrung zu finden als ihre Artgenossen in Extensivwiesen. Damit einher ging auch ein geringerer Fortpflanzungserfolg in Intensivwiesen. Es wundere daher kaum, dass der Bestand der Braunkehlchen, aber auch jener anderer Wiesenbrüter immer weiter abnehme, so die Biologen.


Bio-Wiesen werden ähnlich stark bedüngt

«Die Intensivierung der Graslandnutzung schreitet weiter voran, was sich verheerend auf die Biodiversität in der Schweiz auswirkt», schliesst Arlettaz aus den Ergebnissen. Nach den starken Veränderungen des Kulturlands im Mittelland leide nun auch das Berggebiet unter dem starken Produktionszwang. Bedauerlich ist gemäss Arlettaz auch, dass die Zunahme der Bio-Betriebe die aktuelle Tendenz bisher nicht aufhalten konnte. Im Berggebiet unterschieden sich die Pflichten der Bio-Bauern bezüglich Graswirtschaft kaum von jenen konventioneller Landwirtschaftsbetriebe. Die maximale tolerierte Menge an natürlichem Dünger seit auf Bio-Wiesen nur wenig geringer als auf intensiv bewirtschafteten Wiesen. Dadurch lässt sich laut Arlettaz die fortschreitende Intensivierung der Grasnutzung nicht aufhalten. Er fordert daher: «Um die Biodiversität zu erhalten, müssen neuere, extensivere Bewirtschaftungsmethoden ins Auge gefasst werden.»

Charakteristische Wiesenbewohner wie das Braunkehlchen können hierbei in Zukunft als objektive Kriterien dienen, die den ökologischen Zustand der Landwirtschaft im Berggebiet widerspiegeln.


Quellenangabe:

Britschgi, A, Spaar R & Arlettaz R (2006): Impact of grassland farming intensification on the breeding ecology of an indicator passerine, the Whinchat Saxicola rubetra: lessons for overall Alpine meadowland management. Biological Conservation 130: 193-205.

20.09.2006