«Alle unsere Erwartungen wurden übertroffen»

Es war ein Wissenschaftsfest für alle: «Bern im All» stiess auf grossen Anklang in der Bevölkerung. Bei hochsommerlichen Temperaturen fanden Anlässe auf dem Bundesplatz, im Kursaal und an der Universität Bern statt. Und die grossen Raumfahrtorganisationen feierten mit.

Die Mission ist geglückt: es sollte ein Wissenschaftsfest nicht nur für die Fachwelt, sondern in erster Linie für die Bevölkerung werden. «Es macht mich stolz, dass es uns gelungen ist, die Berner Bevölkerung und viele Institutionen in Bern für das 50-jährige Jubiläum der Mondlandung und die Berner Weltraumforschung zu begeistern», sagt Christoph Pappa, Generalsekretär der Universität Bern und Gesamtprojektverantwortlicher für «Bern im All». Rektor Christian Leumann ergänzt: «Alle unsere Erwartungen wurden übertroffen».

Hochkarätige Wissenschaftsveranstaltung zum Auftakt

Der «Lift-off» von «Bern im All» fand am Freitag, 28.06.2019, um 10 Uhr statt mit der Weltelite der Weltraumforschung. Am sehr gut besuchten wissenschaftlichen Symposium konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter anderem dem Wissenschaftsdirektor der ESA, Günther Hasinger, und dem Wissenschaftsdirektor der NASA, Thomas Zurbuchen, Fragen zu den nächsten ESA- und NASA-Missionen stellen. Vorträge hielten zudem Xavier Barcons (Generaldirektor der ESO), Ewine van Dishoeck (Präsidentin der IAU), Pascale Ehrenfreund (Vorstandsvorsitzende des DLR) und der Nobelpreisträger Brian Schmidt.

«Die perfekte Berner Story»

Der Raketenkubus auf dem Bundesplatz wurde am Freitagabend mit Reden von Rektor Christian Leumann, Stadtpräsident Alec von Graffenried, US-Botschafter Edward T. McMullen und Grossratspräsident Hannes Zaugg eingeweiht. Im Zentrum stand die historische Bedeutung der Berner Beteiligung an der Mondlandung: Christian Leumann betonte, wie wichtig auch bei grossen wissenschaftlichen Errungenschaften der Dialog der Wissenschaft  mit der Bevölkerung sei, Alec von Graffenried sang spontan «Fly me to the moon» und sprach von der «perfekten Berner Story». US-Botschafter McMullen bestätigte, dass es in den USA tatsächlich etwas bedeute, dass das Sonnenwindsegel noch vor der amerikanischen Flagge entrollt worden sei – dies sei nur möglich gewesen dank des grossen wissenschaftlichen Commitments der Berner. Hannes Zaugg schlug angesichts der grossen Leistungen der Universität Bern vor, diese in «Universumität» umzubenennen. Nach der Eröffnungsfeier sorgten der stimmgewaltige Marius Bear und die sphärischen Klänge von Yokko für Festivalatmosphäre auf dem Bundesplatz. 

Die Reise im Raketenkubus zeigt Meilensteine der Berner Weltraumforschung – vorbei am Mond und am Berner Sonnenwindsegel, am Mars und an weiteren Planeten. Thematisiert werden auch die grossen Fragen: Woher kommen wir? Wo liegt der Ursprung des Lebens? Fragen, die alle Weltraumforscherinnen und Weltraumforscher antreiben. Bis Donnerstag, 4. Juli ist der Raketenkubus noch jeweils von 10 bis 20 Uhr für das Publikum kostenlos und ohne Voranmeldung zugänglich.

Weltraumforschung und Raumfahrt verbindet

Der Samstagnachmittag im Kursaal stand ganz im Zeichen der Weltraumnation Schweiz: Sie war 1975 eines der 10 Gründungsmitglieder der ESA und ist seit 50 Jahren eine der weltweit aktivsten Nationen in der Raumfahrt. Die Mondlandung habe jedem Kind deutlich gemacht, was mit  Wissenschaft erreicht werden kann, sagte Rektor Christian Leumann. Weltraumforschung habe viel Innovationen gebracht, die wir heute alltäglich nutzen – von der Mobiltelefonie über Kreditkarten bis zu GPS. 

Der Berner Volkswirtschaftsdirektor Christoph Ammann gratulierte im Namen des Regierungsrats – dieser sei «sehr stolz auf die Uni Bern» Er betonte die Wichtigkeit der Berner Weltraumforschung für die Industrie – sie sei ein gutes Beispiel dafür, wie Technologien in Märkten auch ausserhalb der Raumfahrt verwendet würden. Die Industrie war durch den CEO der RUAG Space, Peter Guggenbach, vertreten. Er hob hervor, dass in der Satellitentechnologie, die wir heute im Alltag etwa für Telekommunikation nutzten zu 80% Schweizer Technologie drinstecke.

Der Berner Professor Peter Wurz und die emeritierte Professorin Kathrin Altwegg – zwei «Berner Koryphäen», wie sie von Moderatorin Katja Stauber genannt wurden – stellten die wichtigsten Berner Missionen und deren Errungenschaften vor. Der Astronaut Claude Nicollier, der zu einer späteren Generation gehört als die Apollo-Astronauten, antwortete auf die Frage, was die Mondlandung für ihn bedeute: «Wir standen auf den Schultern von Riesen». Die Apollo-Missionen hätten soviel gebracht, und durch die Berner Sonnenwindforschung sei unsere Kenntnis über unser Sonnensystem «nahezu explodiert». Die Zeitzeugen Jürg Meister und der emeritierte Professor Hans Balsiger erinnerten sich an besondere Momente dieses Experiments, und dass es auf sie wie ein Wunder gewirkt habe, zum Mond hochzublicken und zu wissen, dass dort jetzt das Sonnenwindsegel stand. 

Thomas Zurbuchen, Wissenschaftsdirektor der NASA, gratulierte und dankte der Universität Bern. Sein Dank beziehe sich nicht nur auf die Berner Beteiligung an Apollo, sondern auf die zukünftige Arbeit der NASA mit der Schweiz. Zurbuchen betonte das Potenzial von Weltraumforschung, die Menschheit zu vereinen, wenn gemeinsam für ein friedliches Ziel zusammengearbeitet werde: «Dafür wollen wir in den Weltraum gehen». Die nächste Mars-Mission werde beispielsweise eine Kooperation der ESA und der NASA sein. Zusammen wieder zum Mond aufzubrechen, als eine internationale Gemeinschaft, sei ein weiteres Ziel: «Es ist wichtig, ausserhalb unserer Begrenzungen zu denken, wie dies Johannes Geiss tat – und diese Reise als internationale Gemeinschaft fortzuführen.» Dies war auch die Botschaft von Johann-Dietrich Wörner, Generaldirektor der ESA: «Wenn du schnell gehen willst, geh alleine, wenn du weit gehen willst, geh mit jemandem zusammen.» Er sprach auch über den Nutzen der Weltraumforschung und nannte globale Herausforderungen wie den Klimawandel, Migration, demographischen Wandel, denen mit Hilfe der Weltraumforschung begegnet werden könne. Zum Beispiel sei der Treibhauseffekt nicht auf der Erde entdeckt worden, sondern auf der Venus. 

Einen Ausblick auf zukünftige Berner Missionen gaben die beiden Professoren der Universität Bern Nicolas Thomas und Willy Benz: Die ESA-Mission «Comet Interceptor» zu einem noch zu bestimmenden Kometen werde mit zwei Berner Instrumenten bestückt, für die einerseits die Berner Mars-Kamera CaSSiS Vorbild gewesen sei, und zum anderen der PEP-Massenspektrometer, der Messungen beim Jupiter vornehmen wird. Das nächste Abenteuer seien die Exoplaneten, erklärte Benz. Man habe nun zahlreiche davon gefunden, nun gelte es, sie zu charakterisieren, um herauszufinden, ob auf einem von ihnen Leben möglich sei. Dies sei die Aufgabe von CHEOPS, dem Weltraumteleskop unter Berner Leitung. Die aktuelle Forschung wurde mittels diversen Videoporträts von Nachwuchsforschenden präsentiert, die sich auch dazu äusserten, warum die Uni Bern der optimale Ort ist für Ihre Forschung. 

Zum Abschluss sprach Bundesrat Guy Parmelin und nannte die Schweiz eine wichtige Akteurin der Raumfahrt. Die Schweizer Weltraumforschung gehöre zu den besten weltweit, und die Uni Bern leiste ihren Beitrag dazu. Er dankte der Stadt und dem Kanton Bern für ihr überzeugtes Engagement in diesem Sektor, in dem es noch so viel zu entdecken gäbe. Er freue sich darüber, dass die NASA vor 50 Jahren dem Berner Experiment eine Chance gab: diese Berner Leistung sei der Auftakt gewesen zur jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit der Schweiz als zuverlässiger Partnerin.

Grosser Andrang an der Nacht der Sterne

Am Samstagabend war auf der Grossen Schanze Sternegucken angesagt: Die Nacht der Sterne lockte bei wolkenlosem Himmel ein grosses Publikum an, das sich unter kundiger Anleitung diverse Himmelskörper in unterschiedlich grossen Teleskopen zeigen und erklären liess. Am Nachmittag hatte bereits der Raketenbau-Wettbewerb stattgefunden, an dem rund 500 Raketen abgefeuert wurden – mit dem Schulprogramm, in dem zuvor Raketen von Schülerinnen und Schülern gebaut wurden, waren es sogar über 1000 Flugkörper. Im Hauptgebäude und im Gebäude der Exakten Wissenschaften fanden zahlreiche Vorträge und Experimentier-Shows statt.

Sonne und Eis im Weltraumdorf

Am Sonntag schliesslich verwandelte sich der Bundesplatz bei sengender Hitze in ein Weltraumdorf. Über 250 Personen lauschten am Vormittag den «Space Talks» von Peter Wurz, Johann-Dietrich Wörner, Rudolf Emanuel von Steiger, Nicolas Thomas, Thomas Zurbuchen und Kathrin Altwegg. Zahlreiche Experimente machten die Weltraumforschung hautnah in den Zelten erlebbar – und sogar geniessbar: so wurden über 500 Glaceportionen, die mit Hilfe von flüssigem Stickstoff bei -200 Grad gefroren und mit Bioaromen versehen werden, konsumiert. Zum Abschluss spielten Traktorkestar trotz der Hitze lautstark und dem üblichen Schwung auf, wobei auf der Bühne auch mal Sonnenschirme etwas Schatten spenden mussten. 

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Edwin «Buzz» Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.
Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und ein Satellit wurde gebaut (CHEOPS, Start 2. Hälfte 2019).
Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

01.07.2019

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