Wo die nächste Erde zu finden sein könnte

Ein Team der Universität Bern und des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) PlanetS hat ein maschinelles Lernmodell entwickelt, das potenzielle Planetensysteme mit erdähnlichen Planeten vorhersagt. Das Modell könnte die zukünftige Suche nach bewohnbaren Planeten im Universum deutlich beschleunigen und damit revolutionieren.

Die Suche nach erdähnlichen Exoplaneten – Planeten, die andere Sterne als unsere Sonne umkreisen – ist ein zentrales Thema in der heutigen Planetenforschung, denn ausserirdisches Leben wird am ehesten dort vermutet.

Forschende der Universität Bern haben nun ein innovatives maschinelles Lernmodell entwickelt, das Planetensysteme identifiziert, die potenziell erdähnliche Planeten beherbergen könnten. Das gesamte Team ist oder war zum Zeitpunkt der Studie an der Universität Bern angestellt und alle Forschenden sind Mitglieder des NFS PlanetS. Die Erstautorin Dr. Jeanne Davoult, heute Postdoc am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin, erforscht Exoplaneten-Populationen und entwickelte das Modell im Rahmen ihrer Doktorarbeit in der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern. Prof. Dr. Yann Alibert, Co-Direktor des Centre for Space and Habitability (CSH), und Romain Eltschinger, ebenfalls Doktorand am CSH, haben massgeblich zur Studie beigetragen, die soeben in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics publiziert wurde.

Training mit Daten des renommierten Berner Modells

Ein maschinelles Lernmodell ist ein statistisches Werkzeug, das mit Daten trainiert wird, um bestimmte Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen. Jeanne Davoult erklärt: «Unser Modell basiert auf einem Algorithmus, den ich entwickelt habe und der trainiert wurde, um Planetensysteme zu erkennen und zu klassifizieren, die erdähnliche Planeten beherbergen.» Das Modell baut auf früheren Studien auf, um eine Korrelation zwischen dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines erdähnlichen Planeten und den Eigenschaften seines Planetensystems abzuleiten.

Der Algorithmus wurde mit Daten aus dem sogenannten ««Bern Model of Planet Formation and Evolution» trainiert und getestet. «Mit dem Berner Modell lassen sich Aussagen darüber machen, wie Planeten entstanden sind, wie sie sich entwickelt haben und welche Arten von Planeten sich unter bestimmten Bedingungen in einer protoplanetaren Scheibe entwickeln», erklärt Mitautor Yann Alibert.

Seit 2003 wird das Berner Modell an der Universität Bern kontinuierlich weiterentwickelt (siehe auch Infobox unten). «Das Berner Modell ist eines der wenigen Modelle weltweit, das eine solche Fülle von zusammenhängenden physikalischen Prozessen bietet und die Durchführung einer Studie wie der vorliegenden ermöglicht», so Alibert weiter.

99% Genauigkeit des neuen Modells

Der Algorithmus des neuen maschinellen Lernmodells wurde anhand von Daten über synthetische Planetensysteme aus dem Berner Modell trainiert und getestet. «Die Ergebnisse sind beeindruckend: Der Algorithmus erreicht Präzisionswerte von bis zu 0,99, was bedeutet, dass 99% der durch das maschinelle Lernmodell identifizierten Systeme mindestens einen erdähnlichen Planeten aufweisen», sagt Davoult.

Das Modell wurde dann auf tatsächlich beobachtete Planetensysteme angewandt. «Das Modell identifizierte 44 Systeme, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unentdeckte erdähnliche Planeten beherbergen. Eine weitere Studie bestätigte die theoretische Möglichkeit, dass diese Systeme einen erdähnlichen Planeten beherbergen», erklärt Davoult.

Effizientere Suche nach bewohnbaren Planeten

Der Mitautor der Studie, Romain Eltschinger, hat im Rahmen seiner Masterarbeit an der Weiterentwicklung des maschinellen Lernmodells mitgewirkt, so dass es in einem noch breiteren Spektrum von Szenarien eingesetzt werden kann. Er sagt: «Diese Ergebnisse sind wichtig für die wissenschaftliche Gemeinschaft und insbesondere für künftige Weltraummissionen wie PLATO oder künftige Missionskonzepte wie LIFE, die sich der Entdeckung und Charakterisierung von kleinen, kalten Planeten widmen werden.»

Der Einsatz dieses maschinellen Lernmodells zur gezielteren Suche nach erdähnlichen Planeten könnte die Suchzeiten minimieren und die Zahl der Entdeckungen maximieren. «Dies ist ein wichtiger Schritt bei der Suche nach Planeten mit günstigen Bedingungen für Leben und letztlich für die Suche nach Leben im Universum», so Alibert abschliessend.

Publikationsangaben:

Earth-like planets Predictor: A Machine Learning Approach. By Jeanne Davoult, Romain Eltschinger, and Yann Alibert, In: Astronomy & Astrophysics
https://www.aanda.org/10.1051/0004-6361/202452434
DOI: 10.1051/0004-6361/202452434

«Bern Model of Planet Formation and Evolution»

Mit dem «Bern Model of Planet Formation and Evolution» können Aussagen gemacht werden, wie ein Planet entstanden ist und wie er sich entwickelt hat. Seit 2001 wird das Berner Modell an der Universität Bern laufend weiterentwickelt. Ins Modell fliessen Erkenntnisse ein zu den vielfältigen Prozessen, die bei der Entstehung und der Entwicklung von Planeten ablaufen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Submodelle zur Akkretion (Wachstum des Kerns eines Planeten) oder dazu, wie Planeten gravitationsbedingt miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen sowie zu Prozessen in den protoplanetaren Scheiben, in denen Planeten entstehen. Mit dem Modell werden auch sogenannte Populationssynthesen erstellt, die aufzeigen, welche Planeten sich wie häufig unter bestimmten Rahmenbedingungen in einer protoplanetaren Scheibe entwickeln. 

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solar Wind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

09.04.2025