Streifen auf dem Mars doch kein Zeichen für Wasser?
Eine Studie der Universität Bern und der Brown University in den USA lässt Zweifel an einem der verlockendsten Hinweise auf fliessendes Wasser auf dem heutigen Mars aufkommen. Die Forscher analysierten eine neue Datenbank von 500’000 der seltsamen Streifen, die an steilen Marshängen auftreten, und kamen zu dem Schluss, dass diese höchstwahrscheinlich durch trockene Prozesse und nicht durch fliessendes Wasser verursacht werden.
Seit Jahren beobachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seltsame helle und dunkle Streifen, die an den Fels- und Kraterwänden des Mars entlanglaufen. Einige Forschende haben diese Hangstreifen als Flüssigkeitsströme interpretiert, was auf die Möglichkeit einer gegenwärtig bewohnbaren Umgebung auf dem Roten Planeten hindeuten würde. Die neue Studie, bei der maschinelles Lernen eingesetzt wurde, um einen riesigen Katalog dieser Streifen zu erstellen und zu analysieren, deutet jedoch auf eine andere Erklärung hin: trockene Prozesse im Zusammenhang mit Wind- und Staubaktivitäten.
«Ein Schwerpunkt unserer Forschung ist das Verständnis der Oberflächenprozesse die heute auf dem Mars ablaufen – einschliesslich der Möglichkeit von flüssigem Wasser auf seiner Oberfläche», sagt Dr. Valentin Bickel, Planetenforscher am Center for Space and Habitability (CSH) an der Universität Bern, der die Studie zusammen mit Dr. Adomas Valantinas verfasst hat, der bis April 2023 Postdoktorand in der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie (WP) am Physikalischen Institut der Universität Bern war und jetzt an der Brown University forscht. «Unsere Studie hat verschiedenste Merkmale der Hangstreifen untersucht, aber keine Hinweise auf Wasser gefunden. Unser Modell spricht für trockene Entstehungsprozesse.» Die Studie wurde soeben in Nature Communications veröffentlicht.
Ursprung der Hangstreifen intensiv diskutiert
Forschende sahen die seltsamen Streifen erstmals auf Bildern, die von der Viking-Mission der NASA in den 1970er Jahren zurückkamen. Diese Strukturen sind in der Regel dunkler als das umliegende Gelände und erstrecken sich über Hunderte von Metern in abschüssigem Gelände. Einige bleiben über Jahre oder Jahrzehnte bestehen, während andere schneller kommen und gehen. Die Streifen, die schneller auftauchen und wieder verschwinden (sogenannte Recurring Slope Lineae RSL) scheinen während der wärmsten Perioden des Marsjahres an denselben Stellen immer wieder aufzutauchen.
Der Ursprung der Streifen ist ein intensiv diskutiertes Thema unter Planetenforschenden. Der moderne Mars ist bemerkenswert trocken, und die Temperaturen steigen selten über den Gefrierpunkt. Dennoch ist es möglich, dass sich kleine Mengen Wasser – vielleicht aus unterirdischem Eis, unterirdischen Wasserspeichern oder ungewöhnlich feuchter Luft – mit genügend Salz vermischen, um selbst auf der gefrorenen Marsoberfläche eine flüssige Phase zu erzeugen. Wenn das stimmt, könnten RSLs und Hangstreifen seltene, bewohnbare Nischen auf einer Wüstenwelt markieren.
Andere Forschenden sind davon nicht überzeugt. Sie behaupten, dass die Streifen ausschliesslich durch trockene Prozesse wie Steinschlag oder Windböen ausgelöst werden und nur auf Satellitenbildern flüssig erscheinen.
Neue Erkenntnisse durch maschinelles Lernen
In der Hoffnung auf neue Erkenntnisse wendeten Bickel und Valantinas maschinelles Lernen an, um so viele Hangstreifen wie möglich zu katalogisieren. Nachdem sie ihren Algorithmus anhand von bestätigten Streifen-Sichtungen trainiert hatten, nutzten sie ihn, um mehr als 86’000 hochauflösende Satellitenbilder zu scannen. Das Ergebnis war die erste globale Karte von Hangstreifen auf dem Mars, mit mehr als 500’000 individuellen Streifen.
«Sobald wir diese globale Karte hatten, konnten wir sie mit Datenbanken und Katalogen zu anderen Faktoren wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Steinschlagaktivität und Staubteufelaktivität vergleichen», erklärt Bickel. «Dann konnten wir in Hunderttausenden von Fällen nach Korrelationen suchen, um die Bedingungen besser zu verstehen, unter denen sich die Streifen bilden.»
Diese globale, geostatistische Analyse zeigte, dass Hangstreifen und RSLs im Allgemeinen nicht mit Faktoren verbunden sind, die auf einen flüssigen oder frostigen Ursprung hindeuten, wie z.B. eine bestimmte Hangausrichtung, hohe Oberflächentemperaturschwankungen oder hohe atmosphärische Feuchtigkeit. Stattdessen ergab die Studie, dass sich beide Merkmale eher an Orten mit überdurchschnittlicher Windgeschwindigkeit und Staubablagerung bilden – Faktoren, die auf einen trockenen Ursprung der Streifen hindeuten.
Bickel und Valantinas kommen zu dem Schluss, dass sich die Streifen höchstwahrscheinlich bilden, wenn Schichten von feinem Staub plötzlich von steilen Hängen abrutschen. Die spezifischen Auslöser können variieren. Hangstreifen treten häufiger in der Nähe von jüngeren Einschlagskratern auf, wo Schockwellen möglicherweise Oberflächenstaub lockern und lostreten. RSLs werden dagegen häufiger an Orten gefunden, an denen sogenannte Staubteufel oder Felsstürze häufig sind.
Auswirkung auf zukünftige Marsmissionen
Insgesamt lassen die Ergebnisse neue Zweifel an der Eignung von Hangstreifen und RSLs als Hinweis auf potenziell lebensfreundliche Umgebungen auf dem Mars aufkommen.
Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Erforschung des Mars. Auch wenn potenziell lebensfreundliche Umgebungen nach guten Forschungszielen klingen, bleiben die NASA und ESA lieber auf Abstand zu solchen Umgebungen. Alle irdischen Mikroben, die auf einer Raumsonde mitgeflogen sind, könnten potenziell lebensfreundliche Marsumgebungen kontaminieren und so die Suche nach Leben auf dem Mars erschweren. Diese Studie deutet allerdings darauf hin, dass das Kontaminationsrisiko an den Gebieten mit Hangstreifen kein grosses Problem darstellt.
«Das ist der Vorteil dieses Big Data-Ansatzes», sagt Valantinas. «Er hilft uns, einige Hypothesen aus dem Orbit auszuschliessen, bevor wir Raumfahrzeuge und Rover zur Erkundung schicken.»
Publikationsangaben:Bickel, V.T., Valantinas, A. Streaks on martian slopes are dry. Nat Commun 16, 4315 (2025). DOI: 10.1038/s41467-025-59395-w |
Quelle: Brown University
19.05.2025