Neues Buch zu Wirtschaftswachstum und Wachstumskritik in der Schweiz
Roman Rossfeld vom Historischen Institut der Universität Bern hat ein neues Buch über die Geschichte des Wirtschaftswachstums und der Wachstumskritik in der Schweiz seit 1945 herausgegeben. Es untersucht, wie (stetiges) Wachstum in den Nachkriegsjahren auch in der Schweiz zu einer die Wirtschaft und Politik prägenden Leitidee werden konnte. Zudem thematisiert Rossfeld die zunehmende Wachstumskritik seit den 1970er Jahren und ihre Wandlungen bis zur Stagnation in den 1990er Jahren.
Kein anderes Paradigma hat die Schweizer Wirtschaft und Wirtschaftspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg so stark geprägt wie das Wachstumsparadigma. Mit hohen Wachstumsraten war in den Nachkriegsjahren nicht nur der Wunsch nach «Wohlstand für alle» verbunden. In Krisenzeiten galt Wachstum auch als Heilmittel zur Überwindung wirtschaftlicher Konjunktureinbrüche und Depressionsphasen. Sei es durch eine Austeritätspolitik, die Stärkung der Marktkräfte oder eine keynesianisch inspirierte Politik der «Konjunkturankurbelung», bei der die Wirtschaft mit staatlichen Massnahmen wieder in Schwung gebracht werden soll: angestrebt wurde von allen Parteien immer eine Rückkehr auf den Wachstumspfad.
Spätestens seit der Ölpreiskrise der 1970er Jahre rückten aber auch die «Grenzen des Wachstums» zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. 1972 erschien der Bericht des Club of Rome zu den «Grenzen des Wachstums», und im selben Jahr fand auch die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt. Der mit dem Wachstum verbundene Ressourcenverbrauch und neue Konzepte, die mit den Begriffen «qualitatives», «nachhaltiges» oder «grünes» Wachstum umschrieben werden können, prägten die Debatte zunehmend. «Degrowth» und «Suffizienz» sind inzwischen zu neuen wachstumskritischen Schlagworten geworden.
Mit diesen Themen beschäftigt sich Roman Rossfeld, Wirtschaftshistoriker am Historischen Institut der Universität Bern, in seinem neu erschienenen Buch mit dem Titel «Mehr! Wirtschaftswachstum und Wachstumskritik in der Schweiz seit 1945».
Zur Dringlichkeit einer (Post-)Wachstumsdebatte heute
«Die Frage nach den Grenzen des Wachstums und unserem Umgang mit natürlichen Ressourcen stellt sich heute eindringlicher als je zuvor», sagt Rossfeld. Das Buch versteht sich als historischer Beitrag zu einer Debatte, die in den letzten Jahren in verschiedenen Disziplinen an Bedeutung gewonnen hat. Gegenstand dieser Debatte sind die Chancen und Risiken von weiterem Wirtschaftswachstum. Nachdem die Europäische Kommission mit dem «European Green Deal» bereits Ende 2019 eine «grüne» Wachstumsstrategie präsentiert hat, ist die Postwachstumsdebatte mit der «Beyond Growth Conference», die im Mai 2023 im Europäischen Parlament in Brüssel stattgefunden hat, inzwischen auch auf politischem Topniveau angelangt.
«Wer heute von einem Ende des fossilen Zeitalters spricht, sollte sich bewusst machen, wie tiefgreifend die Nutzung von Erdöl und die damit verbundene Petrochemie unseren Alltag bis heute prägen», so Rossfeld. «Die Herausforderung, Produktion und Konsum nachhaltig(er) zu gestalten, betrifft den Kern unseres energie- und ressourcenintensiven, expansiven und extraktiven Lebensstils sowie die damit verbundene, tief verinnerlichte Mentalität des Höher, Schneller, Weiter, Mehr. Wer heute vom Klima spricht, darf über Wachstum nicht schweigen.»
Veranstaltungen über Wirtschaftswachstum, Wachstumskritik und (Post-)Wachstumspolitik
Das neue Buch ist ab sofort erhältlich und wird am 26. August 2025 an einer Vernissage im Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich und am 25. September 2025 an einer Buchpräsentation im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv in Basel vorgestellt werden.
Podiumsdiskussion mit Cédric Wermuth (Co-Präsident SPS), Irmi Seidl (Universität Zürich) und Roman Rossfeld (Universität Bern / Universität St. Gallen), moderiert von Sara Elmer (SAGW)
Datum: Dienstag, 26. August 2025, ab 18.30 Uhr
Ort: Schweizerisches Sozialarchiv, Theater Stadelhofen, Stadelhoferstrasse 12,
8001 Zürich
Sprache: Die Veranstaltung wird in deutscher Sprache durchgeführt
Eintritt: Die Veranstaltung ist öffentlich, eine Anmeldung ist nicht nötig. Medienschaffende werden gebeten, sich bis zum 25. August unter medien@unibe.ch anzumelden.
Podiumsdiskussion mit Mathias Binswanger (FHNW), Eva Schmassmann (langjährige Leiterin der Plattform Agenda 2030) und Roman Rossfeld (Universität Bern / Universität St. Gallen), moderiert von Daniel Hanimann (SWA, SNB Basel)
Datum: Donnerstag, 25. September 2025, ab 18.30 Uhr
Ort: Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Auditorium, Peter Merian-Weg 6, 4002 Basel
Sprache: Die Veranstaltung wird in deutscher Sprache durchgeführt
Eintritt: Die Veranstaltung ist öffentlich, eine Anmeldung ist nicht nötig. Medienschaffende werden gebeten, sich bis zum 24. September unter medien@unibe.ch anzumelden.
Angaben zum Buch:
Rossfeld, Roman (Hg.): Mehr! Wirtschaftswachstum und Wachstumskritik in der Schweiz seit 1945, Schwabe Verlag, Basel 2025.
URL: https://schwabe.ch/roman-rossfeld-mehr-978-3-7965-5290-8
DOI: https://doi.org/10.24894/978-3-7965-5291-5
Rezensionsexemplare können von Medienschaffenden beim Schwabe-Verlag bestellt werden. Interviewanfragen und inhaltliche Nachfragen können an Roman Rossfeld gerichtet werden.
Über die Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte (WSU) am Historischen Institut der Universität BernDer Mensch im Wechselspiel mit seiner natürlichen Umwelt steht im Zentrum der Lehre und Forschung an dieser Abteilung. Das Forschungsinteresse erstreckt sich auf alle Epochen der Geschichte von der Antike bis heute. Regionale, auf die Schweiz bezogene Themen sind hier ebenso beheimatet wie solche mit globalen Perspektiven auf Umwelt und Klima in der Geschichte. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Klimageschichte des Mittelalters und der Neuzeit, auf der Erforschung extremer Naturereignisse (Rekonstruktion und kulturelle Verarbeitung), auf Fragen der Ressourcenverteilung und der Ernährungsgeschichte und auf der Verkehrs- und Mobilitätsgeschichte. Interdisziplinarität spielt in praktisch allen Tätigkeitsfeldern eine wesentliche Rolle. Eine enge Zusammenarbeit besteht u.a. mit dem Oeschger Centre for Climate Change Research. |
29.07.2025