Künstliche Intelligenz treibt die Entdeckung neuer Exoplaneten voran

Forschende der Universität Bern haben ein KI-Modell entwickelt, das in der Lage ist, die Architektur von Planetensystemen vorherzusagen und daraus auf das Vorhandensein von noch nicht entdeckten Planeten zu schliessen. Sie verwenden die sogenannte Transformer-Architektur, die die Grundlage der Large Language Models bildet, die Tools wie das kürzlich vorgestellte Schweizer Modell Apertus oder Chatbots wie ChatGPT antreiben.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten entwickeln Forschende an der Universität Bern das so genannte «Bern Model of Planet Formation and Evolution», eine Reihe von Computerprogrammen, die die Entstehung von Planetensystemen numerisch simulieren können und so Licht in deren Systemarchitektur bringen. Diese Modelle sind jedoch sehr komplex: Jede Simulation des Berner Modells kann mit modernen Supercomputern einige Tage bis Wochen in Anspruch nehmen, um berechnet zu werden.

Mit Hilfe moderner KI-Techniken, die auf den Daten des Berner Modells trainiert wurden, haben Prof. Yann Alibert und Sara Marques vom NFS PlanetS und dem Center for Space and Habitability der Universität Bern sowie Dr. Jeanne Davoult, ehemalige Doktorandin der Universität Bern und jetzt Forscherin am DLR in Berlin, ein KI-Modell entwickelt, das die Entstehung von Planetensystemen in Sekundenschnelle berechnen kann – eine Million Mal schneller als mit herkömmlichen Methoden. Die Studie wurde soeben in der Zeitschrift Astronomy and Astrophysics veröffentlicht und letzte Woche auf der Konferenz «Fast Machine Learning for Science» in Zürich (wo sie den Preis für das beste Poster gewann) und diese Woche auf dem Joint Meeting of the Europlanet Science Congress and the Division for Planetary Sciences (EPSC-DPS) 2025 in Helsinki vorgestellt.

Wissen, wo man beobachten kann

Heutige und künftige Beobachtungseinrichtungen werden bald in der Lage sein, erdähnliche extrasolare Planeten zu beobachten und zu charakterisieren, während sie bisher auf Planeten beschränkt waren, die sich näher an ihren Wirtssternen befinden. «Die Entdeckung erdähnlicher Planeten erfordert viel Zeit für die Beobachtung. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig zu wissen, wo man beobachten sollte, um sehr teure Beobachtungszeit zu sparen», erklärt Yann Alibert, Erstautor der Studie.

Um Prioritäten zwischen verschiedenen möglichen Zielen zu setzen, kann man die Beobachtungen von leichter zu beobachtenden anderen Planeten in denselben Systemen nutzen. Dies erfordert jedoch ein tiefgreifendes Verständnis der so genannten Architektur eines Systems: wie die Eigenschaften (Orbitalposition, Masse usw.) eines Planeten in einem System mit den Eigenschaften anderer Planeten im selben System zusammenhängen.

Inspiriert von grossen Sprachmodellen

Das Team trainierte sein KI-Modell mit Zehntausenden von numerischen Simulationen der Entstehung von Planetensystemen, die ebenfalls an der Universität Bern entwickelt wurden. «Das neue KI-Modell kann verwendet werden, um das Vorhandensein und die Eigenschaften von noch zu entdeckenden zusätzlichen Planeten in bereits bekannten extrasolaren Planetensystemen vorherzusagen», erklärt Sara Marques, Doktorandin an der Universität Bern.

In einem Experiment, das in der aktuellen Studie vorgestellt wird, haben die Forschenden gezeigt, dass in einem realen Drei-Planeten-System die Eigenschaften des zweiten und dritten Planeten aus den Eigenschaften des innersten Planeten des Systems abgeleitet werden können. Alibert erklärt: «Dieser Ansatz kann verwendet werden, um neue Planetensysteme zu erzeugen: Wenn wir einen einzigen Planeten in einem System kennen, können wir mit unserem Modell die restlichen Planeten für Systeme mit drei Planeten vorhersagen.» Alibert fährt fort: «Der Schlüssel zu unserer Studie war die Erkenntnis, dass Planetensysteme als Sequenzen von Planeten betrachtet werden können, genau wie Sätze Sequenzen von Wörtern sind. Das brachte uns auf die Idee, die KI-Methoden von Large Language Models, die zum Beispiel von Chatbots wie ChatGPT verwendet werden, für die Erstellung unseres KI-Modells zu nutzen.»

Die Forschenden verwendeten die sogenannte 'Transformer-Architektur', die 2017 auf dem Gebiet eingeführt wurde, um ein generatives Modell zu erstellen, das Sequenzen von Planeten erzeugen kann, die dieselben Sterne umkreisen. «Die Large Language Models sagen den Rest eines Satzes auf der Grundlage der Sequenz voraus, die durch die ersten paar Wörter entsteht. In unserem Fall sagen wir die Abfolge der äusseren Planeten in einem System auf der Grundlage der ersten inneren Planeten voraus», erklärt Marques weiter.

«Diese neue Studie baut auf einem früheren KI-Modell mit ermutigenden Ergebnissen auf», betont Dr. Jeanne Davoult, ehemalige Studentin im NFS PlanetS, die jetzt am DLR Berlin arbeitet. «Im letzten Modell, das auf dem inneren Planeten eines Systems basierte, sagten wir die Wahrscheinlichkeit voraus, dass sich ein erdähnlicher Planet in diesem System befindet. Um bei der Analogie zu Sprachmodellen zu bleiben, war es so, als ob wir das Vorhandensein eines bestimmten Wortes in einem Satz anhand seines Anfangs vorhersagen würden. In dieser neuen Studie sagen wir den ganzen Rest des Satzes voraus und nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines einzelnen Wortes.»

«Die Ergebnisse des generativen KI-Modells waren so genau, dass wir anfangs sehr skeptisch waren», erinnert sich Marques. Die Forschenden führten eine ganze Reihe von Tests durch, bei denen sie Klassifizierer für maschinelles Lernen einsetzen und die Resultate anderen Forscherinnen und Forschern vorlegten. «Am Ende kamen sie alle zu demselben Ergebnis: Die generierten Planetensysteme sind praktisch nicht von numerischen Simulationen zu unterscheiden», fährt Marques fort.

Vorbereitungen für die PLATO-Mission und andere

Die ESA-Mission PLATO, deren Start für 2026 geplant ist, wird Tausende von Planetensystemen entdecken, wobei der Planet, der dem Stern am nächsten ist, in der Regel als erstes beobachtet wird. Einige dieser Systeme könnten Planeten wie die Erde beherbergen, doch diese werden wahrscheinlich erst später durch bodengestützte Teleskope und andere Beobachtungen entdeckt.

«Unser neues KI-Modell könnte verwendet werden, um die Beobachtung dieser Systeme durch Teleskope zu priorisieren und so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, Erdzwillinge zu finden», sagt Davoult. In den kommenden Jahren sollen die Modelle erweitert werden, um weitere Eigenschaften von Planeten vorherzusagen, wie etwa ihre Zusammensetzung oder Bewohnbarkeit. «Als ich 2001 als Postdoc eingestellt wurde, habe ich an der Universität Bern mit numerischen Simulationen von Planetensystemen begonnen. Dieses neue KI-Modell ist die natürliche Fortsetzung dieser Berner Expertise», sagt Alibert. «Ich bin davon überzeugt, dass KI in Zukunft eine immer wichtigere Rolle bei wissenschaftlichen Entdeckungen spielen wird, in den Planetenwissenschaften und anderswo», schliesst er.

Publikationsangaben:

Alibert, Y, Davoult, J., Marques, S., 2025, A transformer-based generative model for planetary systems, Astronomy and Astrophysics.
URL: https://www.aanda.org/articles/aa/full_html/2025/09/aa52297-24/aa52297-24.html
DOI: 10.1051/0004-6361/202452297

«Bern Model of Planet Formation and Evolution»

Mit dem «Bern Model of Planet Formation and Evolution» können Aussagen gemacht werden, wie ein Planet entstanden ist und wie er sich entwickelt hat. Seit 2001 wird das Berner Modell an der Universität Bern laufend weiterentwickelt. Ins Modell fliessen Erkenntnisse ein zu den vielfältigen Prozessen, die bei der Entstehung und der Entwicklung von Planeten ablaufen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Submodelle zur Akkretion (Wachstum des Kerns eines Planeten) oder dazu, wie Planeten gravitationsbedingt miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen sowie zu Prozessen in den protoplanetaren Scheiben, in denen Planeten entstehen. Mit dem Modell werden auch sogenannte Populationssynthesen erstellt, die aufzeigen, welche Planeten sich wie häufig unter bestimmten Rahmenbedingungen in einer protoplanetaren Scheibe entwickeln.

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solar Wind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

09.09.2025