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2025

KI enthüllt: Meteoroiden-Einschläge lassen den Mars beben

Meteoroiden-Einschläge verursachen seismische Wellen, die den Mars viel stärker und tiefer beben lassen als vorher angenommen: Dies zeigt eine Untersuchung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, die von einem internationalen Forschungsteam unter Leitung der Universität Bern durchgeführt wurde. So wurden Übereinstimmungen zwischen zahlreichen Meteoroiden-Einschlägen auf der Marsoberfläche und Marsbeben, die vom NASA Mars-Lander InSight registriert wurden, festgestellt. Diese Erkenntnisse eröffnen eine neue Perspektive auf die Einschlagsrate und die seismische Dynamik des Roten Planeten.

Meteoroiden-Einschläge haben einen wesentlichen Einfluss auf die Landschaftsbildung von festen Himmelskörpern in unserem Sonnensystem, einschliesslich des Mars. Anhand der Untersuchung von Kratern – den sichtbaren Überresten dieser Einschläge – lassen sich wichtige Merkmale des Planeten und seiner Oberfläche bestimmen. Satellitenbilder aus der Umlaufbahn helfen dabei, die Entstehungszeit von Einschlagskratern einzugrenzen und somit wertvolle Informationen über Einschlagsraten zu gewinnen.

Eine soeben veröffentlichte Studie unter der Leitung von Dr. Valentin Bickel vom Center for Space and Habitability der Universität Bern präsentiert den ersten umfassenden Katalog von Einschlägen auf der Marsoberfläche, die während der InSight-Mission zwischen Dezember 2018 und Dezember 2022 in der Nähe des NASA Mars-Landers stattfanden. Bickel ist ebenfalls Mitglied des Insight Science Teams. Publiziert wurde die Studie soeben im Journal Geophysical Research Letters.

Maschinelles Lernen identifiziert neue Mars-Einschläge

Die Einschlagsereignisse wurden mithilfe eines maschinellen Lernansatzes katalogisiert. Dabei wurden zehntausende Satellitenbilder nach neuen Kratern abgesucht, die während der seismischen Überwachung durch InSight entstanden sind. Anhand von Aufnahmen des High Resolution Imaging Science Experiment (HiRISE) und der Berner Mars-Kamera CaSSIS wurden die Krater hinsichtlich ihrer Grösse eingeordnet. «Als nächstes haben wir die Verteilung der Krater mit den seismischen Aufzeichnungen von InSight verglichen und nach Übereinstimmungen in Bezug auf Raum und Zeit gesucht», erklärt Erstautor Bickel.

Das innovative Vorgehen ermöglichte die Bestimmung von insgesamt 123 bisher unbekannten Einschlägen. Basierend auf dem ermittelten Zeitpunkt, der geschätzten Magnitude und der Entfernung zu InSight haben die Forschenden Übereinstimmungen zwischen 49 seismischen Ereignissen und jeweils einem oder mehreren möglichen Einschlagsstellen festgestellt. «Unsere Daten zeigen, dass mehr Einschläge auf dem Mars stattfinden als in vergangenen Untersuchungen mittels Satellitenbildern ermittelt wurden», so Bickel. Die geschätzte Einschlagsrate ist etwa 1,6 bis 2,5 Mal höher als bisher angenommen.

«Die Abweichungen zeigen, dass einige der aufgezeichneten Marsbeben tatsächlich auf Meteoroiden-Einschläge, und nicht auf tektonische Aktivitäten zurückzuführen sind. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige Schätzung der Marsbebenhäufigkeit und unser Verständnis der Dynamik der Marsoberfläche.»

Wellenausbreitung durch den Marsmantel

In einer Begleitstudie konzentriert sich das Forschungsteam auf einen der neu entdeckten, 21,5 Meter grossen Einschlagskrater in der Cerberus Fossae Region (deutsch: Gräben des Höllenhunds Cerberus), der mit einem spezifischen hochfrequenten Marsbeben verknüpft werden konnte. Das Grabensystem Cerberus Fossae befindet sich in einer jungen Vulkanebene des Mars, die für ihre tektonische Aktivität bekannt ist. Das ermöglicht den ersten direkten Vergleich zwischen einem durch Einschlag verursachten seismischen Signal und einem durch interne tektonische Bewegungen verursachten Signal.

Die Forschenden haben den Einschlagsort und den Zeitpunkt, zu dem InSight das ausgelöste Marsbeben registrierte, verglichen. Sie konnten zeigen, dass sich ein Teil der seismischen Wellen durch den tiefer liegenden Marsmantel ausgebreitet hat und nicht, wie bisher angenommen, nur durch die oberflächliche Kruste. «Diese Erkenntnis fordert frühere Annahmen über die Ausbreitung seismischer Wellen heraus und legt nahe, dass zahlreiche registrierte Marsbeben tatsächlich weiter vom Mars-Lander InSight entfernt waren als gedacht», sagt Constantinos Charalambous, der Erstautor der Begleitstudie. «Neben der Verortung von Epizentren früherer Beben muss damit auch das innere Strukturmodell des Mars überarbeitet werden.»

Suche nach weiteren Übereinstimmungen

«Unsere Ergebnisse sind nicht nur für die wissenschaftliche Gemeinschaft von Bedeutung. Wenn man beispielsweise in Zukunft eine permanente Infrastruktur auf dem Mars bauen möchte, muss man das Risiko für strukturelle Schäden einschätzen können, so wie zum Beispiel durch Meteoroiden-Einschläge», betont Bickel. Die Studien zeigten, dass die Kombination von seismischen Daten und orbitalen Bildinformationen entscheidend sei für das Verständnis der geophysikalischen Prozesse auf dem Mars. Weiterführende Forschung auf dem Mars wird darauf abzielen, Schätzungen der Marsbebenhäufigkeit und der Einschlagsraten zu verfeinern. Dazu sollen weitere seismische Ereignisse nachgewiesen werden, die mit Einschlägen aus dem Katalog des Forschungsteams um Valentin Bickel übereinstimmen.

Die Studien sind das Ergebnis einer internationalen, interdisziplinären Zusammenarbeit von Forschenden der Universität Bern und anderen renommierten Institutionen, darunter das NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL), das Imperial College London, die Brown University, und die ETH Zürich. «An der Universität Bern sind wir bestens positioniert, um diese Art der Forschung durchzuführen – insbesondere wegen unserem interdisziplinären Fachwissen in den Planetenwissenschaften und maschinellem Lernen sowie der aktiven Berner Beteiligung an InSight, HiRISE und CaSSIS», so Bickel abschliessend.

Publikationsangaben:

1. New Impacts on Mars: Systematic Identification and Association with InSight Seismic Events by Valentin T. Bickel et al. In: Geophysical Research Letters.

DOI: https://doi.org/10.1029/2024GL109133

2. New Impacts on Mars: Unraveling Seismic Propagation Paths through a Cerberus Fossae Impact Detection by Constantinos Charalambous et al. In: Geophysical Research Letters.

DOI: https://doi.org/10.1029/2024GL110159

Center for Space and Habitability (CSH)

Das Center for Space and Habitability (CSH) hat die Aufgabe, den Dialog und die Interaktion zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu fördern, die sich mit der Entstehung, Entdeckung und Charakterisierung anderer Welten innerhalb und ausserhalb des Sonnensystems, unserer Suche nach Leben in anderen Teilen des Universums und den Auswirkungen auf andere Disziplinen als die Naturwissenschaften beschäftigen. Zu den Mitgliedern, Partnern und Kooperationspartnern gehören Expertinnen und Experten aus der Astronomie, der Astrophysik und Astrochemie, der Klima- und Planetenforschung, der Geologie und Geophysik, der Biochemie und Philosophie. Beteiligt ist das CSH auch an Beobachtungen mit Weltraumteleskopen wie dem James Webb Space Telescope und mit grossen bodengestützten Einrichtungen wie dem Atacama Large Millimeter Array und dem European Extremely Large Telescope, das sich derzeit in der Bauphase befindet. Das CSH beherbergt zudem die CSH- und Bernoulli-Stipendien, die junge, dynamische und talentierte Forschende aus der ganzen Welt aufnehmen, um unabhängige Forschung zu betreiben. Das CSH führt eine Reihe von Programmen durch, um die interdisziplinäre Forschung an der Universität Bern zu fördern, einschliesslich der Zusammenarbeit und des offenen Dialogs mit Medizin, Philosophie und Theologie. Das CSH hat eine aktive Verbindung zu ähnlichen Zentren in der Schweiz, so mit dem Life in the Universe Center (LUC) in Genf und dem Centre for Origin and Prevalence of Life (COPL) in Zürich.

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Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solar Wind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

 

03.02.2025