Berner Forschende an vier Innosuisse Flagship Initiativen beteiligt

Berner Forschende sind an allen vier Konsortien beteiligt, die im Rahmen der Ausschreibung für «Flagship Initiativen» von Innosuisse unterstützt werden. Sie erhalten finanzielle Mittel in Millionenhöhe, die von Innosuisse und den Industriepartnern gemeinsam bereitgestellt werden. Die transdisziplinären Projekte werden dazu beitragen, systemische Innovationen im Bereich Demenzforschung, Präzisionsonkologie und Diabetesprävention zu entwickeln.

Künstliche Intelligenz (KI) verändert bereits heute die klinische Forschung, Diagnostik und Therapie – etwa durch grosse Sprachmodelle oder durch Deep-Learning-Analysen von umfangreichen „Omics“-Daten für KI-gestützte Diagnostik. Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Demenz zählen zu den grössten gesundheitlichen Herausforderungen weltweit – mit weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Prävention, frühe Diagnose und wirksame Therapien sind daher zentrale Ziele der modernen Gesundheitsforschung.

Die Flagship-Ausschreibung 2024 der Innosuisse fokussiert auf das Leitthema «Künstliche Intelligenz in Life Sciences mit Schwerpunkt auf die menschliche Gesundheit». Ziel ist es, interdisziplinäre Innovationen zu fördern, die messbaren Nutzen für Patientinnen, Patienten, Gesundheitssysteme und die Wirtschaft bringen – mit dem Potenzial für systemische Veränderungen. Gefördert werden technologisch wie auch gesellschaftlich, rechtlich und ethisch tragfähige Lösungen, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz stärken.

Innovationspotenzial am Medizinalstandort Bern

Von den 24 eingereichten Projektskizzen, werden insgesamt vier Projekte mit rund 24.6 Millionen Franken gefördert. An allen vier Projekten sind Forschende der Universität Bern, des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern beteiligt.

«Wir sind hocherfreut, dass der Medizinalstandort Bern in so vielen zukunftsweisenden Projekten eine zentrale Rolle spielt», sagt Hugues Abriel, Vizerektor Forschung und Innovation der Universität Bern. «Diese Initiativen verdeutlichen das enorme Potenzial unserer Forschenden, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit bedeutende Fortschritte in der Gesundheitsforschung zu erzielen», ergänzt Abriel.

Universität Bern als Vorreiterin für Innovationen im Bereich Demenz

Die Universität Bern ist Leading House für die Innosuisse Flagship Initiative «SwissBrAInHealth» unter der Co-Leitung von Prof. Dr. Bogdan Draganski von der Universitätsklinik für Neurologie – Brain Health Clinic am Inselspital, Universitätsspital Bern und von Prof. Dr. Tobias Nef, vom ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern. Das Forschungsprojekt mit 5 akademischen Partnern (ETH Zürich, ETH Lausanne, CHUV, HE-SO, und HSLU) und 12 Industriepartnern ist über 5 Jahre ausgelegt und wird mit insgesamt 9.6 Millionen Franken von Innosuisse und den beteiligten Industriepartnern unterstützt.

Prognosen deuten auf eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Demenzfälle in der Schweiz bis 2050 hin, was geschätzte 25,4 Milliarden Franken pro Jahr an Gesundheitskosten verursachen könnte. «Meta-Analysen zeigen, dass das Risiko, an Demenz zu erkranken, zu fast 50% von Lebensstilfaktoren abhängt, wie z.B. Herz-Kreislauf Fitness, Bewegung und sozialen Aktivitäten. Effiziente und kostensparende Strategien sind dringend nötig, um die Prävention von Demenzerkrankungen zu verbessern», erklärt Draganski. «Eine Reduktion des Risikos um 20% bei einem Drittel der Risikopersonen würde zu jährlichen Einsparungen von 750 Millionen CHF führen», so Draganski.

Hier setzt «SwissBrAInHealth» an: Die Initiative hat zum Ziel ein sogenanntes «Augmented Intelligence System» zu entwickeln und zu evaluieren, um das Demenzrisiko bei Personen mit subjektiven kognitiven Beschwerden individuell zu senken: Dazu gehören z.B. digitale Biomarker für die Hirngesundheit, ein KI-System zur Unterstützung der Diagnostik und eine Therapie-App zur individualisierten Risikomodifikation durch Verhaltensänderungen. Diese Innovationen sollen die Früherkennung ermöglichen und den Ausbruch von Demenz durch gezielte Prävention verzögern. «Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des 2023 lancierten Swiss Brain Health Plan (SBHP). Es unterstützt, mit dem Aufbau praxistauglicher Instrumente, die individualisierte und evidenzbasierte Prävention der Demenz, eines der 5 strategischen Prioritäten des SBHP», erklärt Prof. Dr. Claudio Bassetti, Chair des Swiss Brain Health Plan und Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Bern und Direktor Lehre und Forschung der Insel Gruppe.

Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz

«Das Augmented Intelligence System ergänzt die menschliche Expertise mit KI-Fähigkeiten, indem es die klinische Bewertung mit einer kontinuierlichen Bewertung des Lebensstils über digitale Biomarker basierend auf Smartwatches, Bettsensoren oder Schuhsensoren, verbindet», sagt Tobias Nef. Er ergänzt: «Swiss BrAIn Health bietet ein Modell für frühe, individualisierte Interventionen, das auf Inklusivität und ethische Innovation setzt. Digitale Behandlungen unterstützen Patientinnen und Patienten dabei, die Therapie gemäss den Vorgaben und Empfehlungen des ärztlichen Personals durchzuführen und ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung und Betreuung auch ausserhalb des Spitals.»

Die Validierung des klinischen Nutzens wird in der Brain Health Clinic des Inselspitals durchgeführt und bildet die Grundlage für zukünftige Brain Health Centers. «Durch die Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz und die Erschwinglichkeit von Ressourcen zur Gehirngesundheit unterstützt das Projekt die gesellschaftliche Resilienz der Schweiz angesichts einer alternden Bevölkerung», so Nef abschliessend.

Weitere Berner Beteiligung an Innosuisse Flagship Initiativen

NAIPO - Nationale KI-Initiative für Präzisionsonkologie

Leitung: EPFL
Akademische Partner: ETHZ, UNIBAS, UNIGE, UZH, BFH, FHNW, UNIBE
Beteiligung UniBE: Prof. Dr. Deborah Stroka, Department of Biomedical Research und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin - Viszeral- und Transplantationschirurgie
Beteiligte Umsetzungspartner: 21

Die Nationale KI-Initiative für Präzisionsonkologie (NAIPO) hat zum Ziel, die Krebsbehandlung in der Schweiz mithilfe von künstlicher Intelligenz zu verändern. Das Projekt vereint ein grosses transdisziplinäres Team führender Schweizer Institutionen aus Wissenschaft, Gesundheitswesen und Industrie und soll eine sichere, vernetzte Infrastruktur entwickeln, die den Schutz sensibler Patientendaten gewährleistet und gleichzeitig KI-gestützte Forschung und Entdeckungen ermöglicht. Durch die Integration fortschrittlicher KI-Modelle in jede Phase der Patientenversorgung – von der Diagnose bis zur Behandlung – ermöglicht NAIPO eine personalisiertere, gerechtere und effektivere Versorgung. Die Initiative erforscht modernste Technologien, darunter KI-Grundlagenmodelle, KI-Agenten und Algorithmen zum Schutz der Privatsphäre, und wendet diese in realen klinischen Umgebungen an. Dank des starken Engagements von Krankenhäusern und Industrie wird NAIPO Innovationen beschleunigen, die Behandlungsergebnisse für Patienten verbessern und dazu beitragen, die Schweiz als weltweit führend im Bereich der medizinischen KI zu etablieren.

ORION

Leitung: HE-Arc Ingénierie
Akademische Partner: ETHZ, UNIBE, FHNW, CSEM, SIPB
Beteiligung UniBE: Prof. Dr. Marianna Kruithof-de Julio, Department of Biomedical Research und Universitätsklinik für Urologie
Beteiligte Umsetzungspartner: 18

Das Flagship ORION entwickelt eine intelligente, KI-gestützte «Mikrofabrik», die personalisierte Krebstherapien entwickeln soll. Unter Verwendung tumorspezifischer Inputs wie Patientendaten und Gewebe stellt die ORION-Mikrofabrik autonom Tumormodelle her, indem sie deren zelluläre Zusammensetzung und Mikroumgebung kontinuierlich so anpasst, dass sie gut charakterisierte Tumorproben von Patienten genau widerspiegeln.

Die Modelloptimierung wird durch eine Kombination aus Closed-Loop-Feedback von integrierten Sensoren und diskreten Messungen, wie z. B. Sequenzierung, gesteuert. Die genauesten Modelle werden anhand früherer Behandlungsdaten validiert, dann erweitert und mit ausgewählten therapeutischen Wirkstoffen getestet. Um die Sicherheit zu gewährleisten, untersucht ORION mögliche toxische Wirkungen auf Organmodelle wie Leber, Lunge und Niere.

ORION unterstützt die Arzneimittelentwicklung und hilft bei der Identifizierung wirksamer Therapien für klinische Studien. Langfristig könnte das Unternehmen personalisierte Behandlungen im klinischen Umfeld steuern und die Erstellung biodigitaler Zwillinge ermöglichen, um Behandlungsreaktionen zu simulieren.

Dieses Projekt hat das Potenzial, die Krebsforschung und -behandlung zu revolutionieren, indem es die Präzisionsmedizin anpassungsfähiger, skalierbarer und datengesteuerter macht.

Schweizerische digitale Präzisionstherapeutika zur Prävention von Typ-2-Diabetes

Leitung: Empa
Akademische Partner: ETHZ, UNISG, UZH, BFH, OST, UNIBE
Beteiligung UniBE: Prof. Dr. Lia Bally, Universitätspoliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung
Beteiligte Umsetzungspartner: 12

In der Schweiz ist der Typ-2-Diabetes (T2D) eine der häufigsten nicht übertragbaren Krankheiten. Sie verursacht schwerwiegende Gesundheitsprobleme und erhebliche Kosten im Gesundheitswesen. Die Prävention von T2D verringert die gesundheitliche und wirtschaftliche Belastung für das Schweizer Gesundheitssystem und die Bevölkerung. Das Flaggschiff «Schweizerische digitale Präzisionstherapeutika zur Prävention von Typ-2-Diabetes» zielt auf drei systemische Herausforderungen ab: (1) begrenzte langfristige Beteiligung an Massnahmen, die die Lebensweise betreffen, wodurch die Wirkung der Vorsorge gemindert wird; (2) fehlende nachhaltige Geschäftsmodelle für die Prävention von Typ-2-Diabetes bei Gesundheitsdienstleistern, Krankenkassen und Technologieanbietern; (3) unzureichende Nutzung der Gesundheits- und Lebensstildaten der einzelnen Personen, um eine KI-gestützte Diabeteserkennung und personalisierte Präventionsmassnahmen zu ermöglichen.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen und einen systemischen Wandel in der T2D-Prävention herbeizuführen, hat EMPA ein multidisziplinäres Konsortium mit Partnern aus den Bereichen digitale Gesundheitsinterventionen, tragbare Körperüberwachung, Krankenversicherung, Ernährungsberatung, Lebensmitteleinzelhandel und Lebensmittelverarbeitung gegründet. Dem Konsortium gehören auch Krankenhäuser, ein Schweizer Innovationspark und eine kantonale Regierung an. Diese Innovationen können die gesundheitliche und wirtschaftliche Belastung durch T2D in der Schweiz erheblich reduzieren und die sozioökonomischen Ungleichheiten im Gesundheitsbereich verringern.

Weitere Informationen über die Innosuisse Flagship Initiative: https://www.innosuisse.admin.ch/de/flagship-initiative

Forschungsgruppe Gerontechnology and Rehabilitation am ARTORG Center

Die spezialisierte Gruppe des ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern entwickelt in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Neurologie des Inselspitals, sowie mit sitem-insel, dem Schweizerischen Institut für Translationale Medizin und Unternehmertum, digitale Technologien zur Früherkennung, Monitoring und Therapie neurodegenerativer Erkrankungen – oft in Zusammenhang mit dem Altern. Forschungsfelder umfassen Sensorsysteme (Wearables, Umgebungssensoren etc.), Serious Games sowie Virtual und Augmented Reality. Anwendungsgebiete umfassen Gedächtnis- und Sprachtraining bei Demenzen und nach Hirnschlag, Tele-Rehabilitation, Rehabilitations-Robotik und nicht-invasive Hirnstimulation. Zur Entwicklung von aussagekräftigen, im eigenen Heim erhobenen, Bewegungs-Parametern für Patientinnen und Patienten mit Demenz, Parkinson oder weiteren neurodegenerativen Erkrankungen arbeitet die Gruppe eng mit dem NeuroTec der Universitätsklinik für Neurologie des Inselspitals zusammen.
Weitere Informationen: www.aging.unibe.ch

Brain Health Clinic

Die Brain Health Clinic an der Neurologischen Universitätsklinik, Inselspital Bern, bietet personalisierte Beratung zur Stärkung der kognitiven Gesundheit und wirksamen Vorbeugung von Demenzen, besonders bei bestehenden subjektiven Gedächtnisbeschwerden. In der Erstberatung werden neurologischer Status und kognitive Funktionen geprüft. Falls erforderlich, wird eine weiterführende Diagnostik durchgeführt. Basierend auf diesen Befunden entwickeln wir mit unseren Patientinnen und Patienten einen individuellen Plan aus medizinischen Interventionen und Lifestyle-Anpassungen, um Gehirnfunktionen optimal zu schützen und langfristig zu verbessern.
Weitere Informationen: https://neurologie.insel.ch/de/unser-angebot/brain-health

18.09.2025