Die Postgasse ist ein lebendiger Grünraum in der Berner Altstadt

Die Postgasse in Bern wird seit zwei Jahren im partizipativen Projekt «Grünste Gasse der Schweiz» durch die Universität Bern begrünt. Neue Messungen zeigen unter anderem, dass sich die Postgasse zur Gasse mit der höchsten Biodiversität der Berner Altstadt entwickelt hat. Das Projekt «Grünste Gasse der Schweiz» des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern wird auch 2025 fortgesetzt und könnte bereits nächstes Jahr auf weitere Gassen ausgedehnt werden.

Der Verlust der Biodiversität und die verstärkte Erwärmung städtischer Gebiete im Vergleich zum Umland durch dichte Bebauung und versiegelte Flächen – der Hitzeinseleffekt – sind drängende Herausforderungen der Gegenwart. Eine aktive Stadtbegrünung kann ein vielversprechender Lösungsansatz sein, um diesen Problemen entgegenzuwirken.

Hier setzt das Postgassenprojekt «Grünste Gasse der Schweiz» des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern und weiteren Forschungsgruppen an. Gemeinsam mit den Anwohnerinnen und Anwohner wird die Postgasse und ihre Fenstersimse seit 2023 aktiv begrünt. Bisher wurden über 700 Pflanzen in die Gasse geliefert und gepflanzt. Mit der Begrünungsaktion leistet das Projekt einen aktiven Beitrag zur Erforschung und Förderung der biologischen Vielfalt, zur Verbesserung des lokalen Stadtklimas, zur Steigerung der Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner sowie zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für urbane Begrünung.

Positive Effekte der Begrünung auf die Biodiversität

Durch die Begrünungsaktionen der letzten zwei Jahre ist die Postgasse deutlich grüner geworden, und die Anzahl Pflanzenarten konnte signifikant gesteigert werden. Dies zeigen die neuen Messungen vom Jahr 2024. Die Postgasse zeigt im Vergleich zu den anderen Gassen und Strassen der Berner Altstadt mit 0,9 Arten pro Meter die höchste Anzahl an Pflanzenarten pro Meter auf. Dies sind 225 Arten auf rund 248 Meter. Darauf folgt die Brunngasse mit rund 0,6 Arten pro Meter, also 136 Arten auf rund 219 Meter.

Die Messungen zeigen, dass die Rathausgasse mit rund 148 m² Grünfläche bei etwa 2016 m² Strassenfläche, die meiste grüne Fläche besitzt. Die Postgasse zeigt hingegen rund 101 m² Grünfläche bei ca. 1919 m² Strassenfläche. Diese Ergebnisse sind darauf zurückzuführen, dass in der Rathausgasse vor allem grössere, nicht-heimische Pflanzenarten vorkommen, die sich häufig wiederholen. In der Postgasse hingegen wurde bewusst eine breite Vielfalt möglichst heimischer Pflanzen angesiedelt. «Obwohl die Postgasse derzeit einen geringeren Grünflächenanteil aufweist, dürfte sich dies in den kommenden Jahren ändern. Die gepflanzten Gewächse sind noch jung, werden aber weiter in die Höhe und Breite wachsen», erklärt Adrian Metry, Projektleiter «Grünste Gasse der Schweiz».

Mehr Artenvielfalt führt zu mehr Lebensqualität

Eine Umfrage unter den Anwohnenden der Postgasse zeigt, dass ein Grossteil der Befragten (90,5%) die Postgasse dank der Begrünung als deutlich grüner wahrnimmt. Fast alle Befragten (95,2%) berichten von einer gesteigerten Lebensqualität aufgrund der ausgeweiteten Begrünung. «Dies ist ein deutliches Indiz für den Erfolg des Projektes», sagt Prof. Dr. Matthias Erb, Professor für Biotische Interaktionen am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern und Initiator des Projekts. Ausserdem wurde durch die Begrünung das soziale Leben in der Postgasse gefördert. Eine deutliche Mehrheit der Befragten (71,2%) erlebt mehr Begegnungen und Gespräche mit der Nachbarschaft. Darüber hinaus berichten 70% der Befragten von einem positiven mikroklimatischen Effekt, und mehr als die Hälfte (60%) geben an, dass sie durch das Projekt zum Nachdenken oder Handeln in Bezug auf das Stadtklima und die Biodiversität angeregt wurden. Fast alle Befragten (95%) wünschen sich eine Fortsetzung des Projekts.

Temperaturmessungen belegen: Die Postgasse ist ein Hitze-Hotspot

Pflanzen in der Stadt können die Umgebung spürbar abkühlen – vor allem durch Schatten und Verdunstung. Deshalb sind grüne Flächen ein wichtiger Teil, um Städte an den Klimawandel anzupassen. Die Gruppe für Klimatologie vom Geographischen Institut der Universität Bern ist ebenfalls Teil des Projekts und führte Temperaturmessungen in der Postgasse durch, um den Effekt der urbanen Begrünung auf das Mikroklima zu erfassen. Ihre Resultate zeigen: Die Postgasse gehört zu den heissesten Orten Berns. Im Vergleich zur ländlichen Region in Zollikofen war es in der Postgasse im Schnitt täglich 2,2 °C wärmer, mit Maximalwerten von bis zu +7,5 °C. Zudem wurden im Jahr 2024 sieben Tropennächte (nächtliche Tiefsttemperaturen über 20 °C) verzeichnet. Dies ist ein Wert, der an südliche Städte wie Valencia erinnert. Die Ergebnisse zeigen also, dass die bisherige Begrünung nicht ausgereicht hat, um die Gasse insgesamt abzukühlen. Dafür wäre eine deutlich umfangreichere Begrünung nötig, die jedoch nur durch bauliche Veränderungen möglich ist.

Ausblick auf 2025

Das Postgassenprojekt wird auch im Jahr 2025 weitergeführt und wird neu von der Burgergemeinde Bern finanziell mitunterstützt. Geplant ist ein weiterer Pflanztag, der am 31. Mai 2025 stattfinden wird, wissenschaftliche Messungen und Veranstaltungen zu projektbezogenen Themen. Auch die Social-Media-Präsenz soll ausgebaut werden, um Pflanzenporträts und biologische Konzepte einer breiteren Öffentlichkeit näherzubringen. Podcasts und Radiosendungen sind ebenfalls in Planung. «Ich bin zuversichtlich, dass wir 2025 noch mehr Menschen erreichen werden. Unser Ziel ist es, die Idee der Stadtbegrünung weiterzutragen und vielleicht schon bald weitere Gassen, Strassen oder Plätze in Bern grüner zu machen», sagt Metry. «Ziel ist, die Postgasse zu einem Vorbild für die partizipative Begrünung von europäischen Städten zu machen», so Metry abschliessend.

Die «Grünste Gasse der Schweiz» unterstützen

Weitere Informationen zum Projekt und wie das Projekt unterstützt werden kann, gibt es auf Instagram (@projekt.postgasse) und TikTok (@postgassenprojekt).

Engagement der Grünen Branche als Zeichen für die wissenschaftlich begleitete Nachhaltigkeit

Die «Grünste Gasse der Schweiz» wird durch engagierte Partner aus der Berner Wirtschaft und von Unternehmen der Grünen Branche unterstützt, welche Pflanzen, Erde, Pflanzgefässe und Bewässerung zur Verfügung stellten. Unterstützung kommt von der Baumschule Gartenpflanzen DaeppRICOTER und dem Spin-Off der Universität Bern Boum. Finanziell wird das Postgassenprojekt von der Burgergemeinde Bern mitunterstützt. Weiter wird es von der Stadt Bern sowie dem Leist der Untern Stadt Bern begleitet.

Das Institut für Pflanzenwissenschaften

Das Institut für Pflanzenwissenschaften an der Universität Bern widmet sich dem Verständnis der Funktionsweise, des Wachstums und der Entwicklung von Pflanzen. Die Grundlagenforschung am Institut umfasst viele Bereiche, von der Physiologie zur Ökologie, von Molekülen über Zellen bis hin zu ganzen Pflanzen und Vegetationen.

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01.05.2025