Die heissen Jupiter ziehen ihre Bahnen nicht allein
Heisse Jupiter sind Riesenplaneten, von denen bisher angenommen wurde, dass sie im jeweiligen Planetensystem alleine in der Nähe ihres Sterns kreisen. Ein Team unter der Leitung der Universität Genf mit Beteiligung der Universität Bern und der Universität Zürich im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS sowie mehreren ausländischen Universitäten hat ein Planetensystem mit einer unerwarteten Architektur entdeckt: WASP-132 enthält nicht nur einen heissen Jupiter, sondern auch eine Supererde – und einen eisigen Riesenplaneten. Diese Erkenntnisse sind von Bedeutung für das Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Planetensystemen.
Heisse Jupiter sind Planeten mit einer ähnlichen Masse wie Jupiter, die jedoch in einem viel geringeren Abstand um ihren Stern kreisen als zum Beispiel Merkur um die Sonne. Weil es in der Nähe des Sterns nicht genügend Gas und Staub gibt, bilden sich die Planeten weit vom Stern entfernt und wandern dann ins Innere, wenn sich das Planetensystem entwickelt. Bis vor kurzem ging man davon aus, dass diese heissen Jupiter isoliert um ihren Stern kreisen, ohne dass sich andere Planeten in ihrer Nähe befinden. Diese Annahme schien umso stichhaltiger, als es eine Theorie gab, die dies erklärte: Die Prozesse, die bei der Wanderung von Riesenplaneten in Richtung ihres Sterns ablaufen, führen zur Akkretion oder zum Verdrängen von Planeten in einer inneren Umlaufbahn. Jüngste Beobachtungen legen jedoch andere Szenarien nahe.
Ein Forschungsteam unter der Leitung des Département d’Astronomie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf hat in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und der Universität Zürich im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS sowie mit anderen internationalen Institutionen wie der University of Warwick diese jüngsten Beobachtungen bestätigt. Das Team hat ein Mehrplanetensystem entdeckt, das aus einem heissen Jupiter, einer inneren Supererde (noch näher am Stern als der heisse Jupiter) und einem äusseren massereichen Riesenplaneten (viel weiter vom Stern entfernt als der heisse Jupiter) besteht. Wenn heisse Jupiter nicht immer allein in ihrem Planetensystem sind, dann muss ihr Migrationsprozess anders verlaufen, um die Architektur des Systems zu erhalten. Die aktuelle Studie wurde soeben in Astronomy & Astrophysics publiziert.
Ein einzigartiges Mehrfachplanetensystem
Das System WASP-132 ist ein einzigartiges Mehrfachplanetensystem. Es enthält einen heissen Jupiter, der seinen Stern in 7 Tagen und 3 Stunden umkreist, eine Supererde (ein Gesteinsplanet mit der 6-fachen Masse der Erde), die den Stern in nur 24 Stunden und 17 Minuten umkreist, und einen Riesenplaneten (mit der 5-fachen Masse des Jupiters), der den Gaststern in 5 Jahren umkreist. Darüber hinaus umkreist ein wesentlich massereicherer Begleiter, wahrscheinlich ein Brauner Zwerg (ein Himmelskörper, dessen Masse zwischen der eines Planeten und der eines Sterns liegt), den Stern in sehr grosser Entfernung.
«Das System WASP-132 ist ein bemerkenswertes Laboratorium für die Untersuchung der Entstehung und Entwicklung von Mehrplanetensystemen. Die Entdeckung eines heissen Jupiters neben einer inneren Supererde und einem entfernten Riesen stellt unser Verständnis von der Entstehung und Entwicklung dieser Systeme in Frage», sagt François Bouchy, ausserordentlicher Professor am Département d’Astronomie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf und Mitautor der Studie. «Dies ist das erste Mal, dass wir eine solche Konfiguration beobachtet haben», fügt Solène Ulmer-Moll hinzu, die zum Zeitpunkt der Studie als Postdoktorandin an der Universität Bern und der Universität Genf tätig war und Mitautorin der Studie ist.
18 Jahre Beobachtung
Für die Exoplanetenforschung begann die Geschichte des Sterns WASP-132 im Jahr 2006 im Rahmen des Programms Wide Angle Search for Planets (WASP). Im Jahr 2012 ermöglichte die Menge von mehr als 23’000 photometrischen Messungen die Identifizierung eines Planetenkandidaten mit einem Radius des 0,87-fachen des Jupiters und einer Umlaufzeit von 7,1 Tagen. Im Jahr 2014 begann der CORALIE-Spektrograph, der am Schweizer Euler-Teleskop installiert ist und der von der Universität Genf gesteuert wird, mit der Beobachtung dieses Kandidaten. Im Jahr 2016 wurde WASP-132b bestätigt, und seine Masse wurde mit 0,41 Jupitermassen gemessen. Die CORALIE-Messungen deuten jedoch auf die Anwesenheit eines weiteren Riesenplaneten mit einer sehr langen Periode hin: In der Nähe desselben Sterns entdeckte das Weltraumteleskop TESS Ende 2021 das Signal einer umlaufenden Supererde mit einem Durchmesser von 1,8 Erdradien und einer Periode von nur 1,01 Tagen. In der ersten Jahreshälfte 2022 wurde mit dem Spektrographen HARPS des Observatoriums von La Silla die Masse dieser Supererde gemessen, die sechsmal so schwer ist wie die Erde, und zwar im Rahmen eines von David Armstrong von der Universität Warwick geleiteten Programms.
«Die Entdeckung der inneren Supererde war besonders aufregend», erklärt Erstautor Nolan Grieves, der zum Zeitpunkt der Studie Postdoktorand am Département d’Astronomie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf war. «Wir mussten eine intensive Kampagne mit HARPS und optimierter Signalverarbeitung durchführen, um die Masse, Dichte und Zusammensetzung des Planeten zu charakterisieren.»
Die Beobachtungen von WASP-132 sind jedoch noch nicht abgeschlossen, da der ESA-Satellit Gaia seit 2014 die winzigen Positionsveränderungen von Sternen misst, um deren planetarische Begleiter und äussere braune Zwerge zu entdecken.
Ein neues Verständnis der Planetenentstehung
Die Entdeckung eines äusseren kalten Riesenplaneten und einer inneren Supererde fügt dem WASP-132-System eine weitere komplexe Ebene hinzu. Die Standardhypothese einer Migration durch dynamische Störungen des heissen Jupiters in Richtung des Inneren ist nicht zutreffend, da dies die Bahnen der beiden anderen Planeten destabilisiert hätte. Stattdessen deutet ihr Vorhandensein auf einen stabileren und dynamisch «kühleren» Migrationspfad in einer proto-planetaren Scheibe für den heissen Jupiter hin, wobei seine Nachbarn erhalten blieben.
Die Kombination aus präzisen Radius- und Massenmessungen hat es auch ermöglicht, die Dichte und innere Zusammensetzung der Planeten zu bestimmen. Der heisse Jupiter WASP-132b weist eine Anreicherung schwerer Elemente von etwa 17 Erdmassen auf, was mit Modellen der Gasriesenbildung übereinstimmt. Die Supererde hat eine Zusammensetzung, die von Metallen und Silikaten dominiert wird und derjenigen der Erde recht ähnlich ist.
«Die Kombination eines heissen Jupiters, einer inneren Supererde und eines äusseren Riesenplaneten im selben System liefert wichtige Hinweise auf Theorien zur Planetenentstehung und insbesondere auf deren Migrationsprozesse», folgert Ravit Helled, Professorin für Theoretische Astrophysik an der Universität Zürich und Mitautorin der Studie. «WASP-132 zeigt die Vielfältigkeit und Komplexität multiplanetarer Systeme und unterstreicht den Bedarf an sehr langfristigen, hochpräzisen Beobachtungen», so Helled abschliessend.
Publikationsangaben:Discovery of a cold giant planet and mass measurement of a hot super-Earth in the multi-planetary system WASP-132 by N. Grieves et. al. in Astronomy & Astrophysics, January 2025. https://www.aanda.org/10.1051/0004-6361/202348177 |
Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der WeltspitzeAls am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solar Wind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant, gebaut und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung. Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht. Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet. |
Quelle: Universität Genf
15.01.2025