Aufsuchende Therapie hilft psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen nachhaltig
Eine aktuelle Langzeitstudie der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der UPD und der Universität Bern zeigt, dass die aufsuchende Therapie (Home Treatment) für Kinder und Jugendliche mit schweren psychischen Erkrankungen langfristig wirksamer sein kann als eine traditionelle stationäre Behandlung. Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial des sog. intensiven Home Treatment für eine nachhaltige Versorgung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Seit Mai 2019 erprobt die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJP) im Rahmen des Modellprojekts AT_HOME ein aufsuchendes Therapieangebot: Junge Menschen mit akuten psychischen Erkrankungen werden zuhause intensiv durch ein multiprofessionelles Team behandelt (Home Treatment). Bereits frühere Studie belegten, dass diese Form der Behandlung psychiatrische Symptome ähnlich gut reduziert wie eine stationäre Behandlung in der Klinik. Die nun veröffentlichte Langzeitstudie bestätigt besonders die nachhaltigere Wirksamkeit dieser Methode.
Langfristig bessere Behandlungsergebnisse
Die aktuelle Studie untersuchte die Langzeitverläufe ehemaliger Patient*innen, die im Rahmen von AT_HOME zuhause behandelt wurden, im Vergleich zu Patient*innen, die eine traditionelle stationäre Therapie durchliefen. 18 bis 24 Monate nach Therapieende zeigten dabei Kinder und Jugendliche aus dem AT_HOME-Programm signifikant geringere psychiatrische Symptome sowie ein deutlich höheres psychosoziales Funktionsniveau im Vergleich zur stationär behandelten Gruppe.
Diese Ergebnisse verdeutlichen die bedeutende Rolle des familiären und sozialen Umfelds in die therapeutische Arbeit, um eine nachhaltige Besserung psychischer Erkrankungen zu erreichen. Der gezielte Einbezug von Eltern, Geschwistern, schulischen Betreuungspersonen oder auch Gleichaltrigen erleichtert den Transfer der in der Behandlung erlernten Strategien und Lösungen in den Alltag. Dies trägt langfristig zur Stabilisierung und Genesung bei und reduziert das Risiko eines Rückfalls in frühere Problemmuster. Prof. Dr. med. Michael Kaess, Direktor und Chefarzt der KJP, betont: «Unsere Studie zeigt eindrücklich, dass die aufsuchende Therapie nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig eine nachhaltige Verbesserung für Kinder und Jugendliche mit schweren psychischen Erkrankungen bewirken kann. Der intensive Einbezug des sozialen Umfelds ist ein zentraler Erfolgsfaktor».
Zukunftsperspektiven: Ausbau der aufsuchenden Therapie
Das Projekt AT_HOME wurde 2019 als Modellversuch vom Kanton Bern initiiert und ermöglicht derzeit die stationsersetzende Behandlung von bis zu zehn Kindern und Jugendlichen gleichzeitig. Seit 2023 wurden im Rahmen des Projektes «Zentrum für Suizidprävention – Intensives Home Treatment» zwölf weitere aufsuchende Therapieplätze geschaffen. Die nun publizierte Studie stellt einen weiteren Schritt in Richtung flächendeckender, wohnortnaher und nachhaltiger Versorgungsangebote für Kinder und Jugendliche mit akuten psychischen Erkrankungen dar.
PublikationDaniel Graf, Stefan Lerch, Ulrich Böhnke, Corinna Reichl, Michael Kaess (2025) Comparison of the long-term outcome of home vs. inpatient treatment: 18–24 months follow-up of a non-randomized controlled trial. Eur Child Adolesc Psychiatry (2025) |
ExperteProf. Dr. med. Michael Kaess, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJP), Universitäre Psychiatrische Dienste UPD |
AT-HOME: Vorteile der stationsersetzenden Behandlung zu Hause
|
Die Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD) AG ist das Kompetenzzentrum für Psychiatrie und Psychotherapie im Kanton Bern. Die UPD bietet mit über 1'700 Mitarbeitenden an mehr als 25 Standorten die gesamte psychiatrische Versorgungskette an, von der Früherkennung über die ambulante, teilstationäre und stationäre Behandlung bis hin zur Rehabilitation und Reintegration von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Über 12'000 Patientinnen und Patienten suchen pro Jahr Unterstützung in einem der vielen Angebote der vier Universitätskliniken und des Zentrums Psychiatrische Rehabilitation. Für somatische Spitäler und weitere Institutionen bietet die UPD Dienstleistungen wie die forensische Psychiatrie oder Konsiliar- und Liaisondienste. Als Universitätsspital leistet die UPD einen erweiterten Auftrag in der psychiatrischen Spezialversorgung, in der Lehre und Forschung sowie Aus-, Weiter- und Fortbildung. |
Quelle: UPD
18.03.2025