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2024

Wie unbedenklich ist Arsen in Meeresfrüchten?

Eine interdisziplinäre Studie der Universität Bern zeigt, dass Darmbakterien bei der Umwandlung von Arsenobetain in giftige Arsenverbindungen eine entscheidende Rolle spielen. Die Resultate zeigen, dass Arsenobetain, das häufig in Meeresfrüchten vorkommt und bisher als unbedenklich galt, im Körper von Säugetieren durch Darmbakterien teilweise in giftige Arsenverbindungen umgewandelt wird. Diese Erkenntnisse werfen neue Fragen über die Sicherheit des Verzehrs von Meeresfrüchten auf.

Arsen ist ein weit verbreitetes toxisches Spurenelement, das in verschiedenen Lebensmitteln und im Wasser vorkommt und in vielen chemischen Formen existiert. Anorganisches Arsen, die häufigste Umweltform, wird mit schwerwiegenden Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurologische Störungen bei langfristiger Exposition. Infolgedessen stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung anorganisches Arsen als krebserregend ein. Arsenobetain ist eine der am häufigsten vorkommenden Arsenverbindungen in Meeresfrüchten, einschliesslich Algen, Fisch und Schalentieren. Es wird daher oft als «Fischarsen» bezeichnet. Auch in einigen Pilzen sind erhebliche Konzentrationen von Arsenobetain zu finden. Für den Menschen galt Arsenobetain aufgrund seiner geringen Toxizität und schnellen Ausscheidung bisher als risikoarm.

Eine neue Studie, die im Rahmen der interfakultären Forschungskooperation «One Health» der Universität Bern durchgeführt wurde, zeigt nun, dass das Darmmikrobiom von Säugetieren eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung von Arsenobetain in andere Arsenverbindungen, einschliesslich krebserregendem anorganischem Arsen, spielt. Über die Rolle des Darmmikrobioms bei der Anreicherung, Toxizität und Ausscheidung von Arsen wurde bereits früher berichtet, aber frühere Forschungen konzentrierten sich hauptsächlich auf anorganisches Arsen. Über den mikrobiellen Abbau von Arsenobetain im Darm war wenig bekannt. Neue Ergebnisse eines interdisziplinären Teams unter der Leitung von Prof. Dr. Siegfried Hapfelmeier vom Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern und Prof. Dr. Adrien Mestrot vom Geographischen Institut der Universität Bern stellen frühere Annahmen über die Sicherheit von Arsenobetain-haltigen Meeresfrüchten in Frage. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal of Hazardous Materials veröffentlicht.

Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten

Die Berner Forschenden setzten Gnotobiologie und modernste analytische Chemie ein, um den Arsenbetain-Stoffwechsel bei Mäusen mit unterschiedlicher Zusammensetzung des Darmmikrobioms zu untersuchen. Sie untersuchten drei Gruppen: keimfreie Mäuse (ohne Darmmikroben), herkömmliche Mäuse mit einer natürlichen Mikrobiota (besiedelt mit Hunderten verschiedenen Mikroorganismen) und «gnotobiotische» Mäuse mit einer vereinfachten Mikrobiota (bestehend aus 12 definierten Darmbakterienarten). Alle wurden mit einer arsenobetainreichen Diät gefüttert, um den Arsenstoffwechsel, die Verteilung im Körper und die Ausscheidung zu vergleichen. «Der Zugang zu keimfreien Mäusen aus der Clean Mouse Facility der Medizinischen Fakultät und die hochmodernen Analysegeräte, die vom cLab des Instituts für Geographie zur Verfügung gestellt wurden, sowie komplementäre Expertise in Darmmikrobiom-Biologie und Arsenstoffwechsel ermöglichten diese Forschung auf einzigartige Weise», sagt Dr. Teresa Chávez-Capilla, Arsen-Expertin und Mitautorin der Studie.

Mögliche schädliche Wirkung von Darmmikroben

Die Forschenden stellten fest, dass Mäuse mit Darmmikroben höhere Arsenkonzentrationen in ihrem Darmtrakt anreicherten als keimfreie Mäuse. «Wir fragten uns daher, ob dies darauf zurückzuführen ist, dass Darmbakterien die Chemie des aufgenommenen Arsens verändern. Tatsächlich beobachteten wir bei mikrobiell besiedelten Mäusen – aber nicht bei keimfreien Mäusen – die Bildung bestimmter hochtoxischer Arsenverbindungen im Dickdarm», erklärt Prof. Siegfried Hapfelmeier, Darmmikrobiom-Forscher und Mitautor der Studie. Diese toxischen Verbindungen reichern sich bekanntermassen stärker im Körper an. Dementsprechend wiesen konventionelle Mäuse mit einer natürlichen Darmmikrobiota eine erhöhte Arsenakkumulation in ihren Organen auf. Darüber hinaus war bei konventionellen Mäusen, die auf eine arsenarme, gereinigte Diät umgestellt wurden, die Ausscheidung von Arsen aus dem Körper deutlich langsamer als bei keimfreien Mäusen. «Darmmikroben spielen also eine entscheidende Rolle bei der Verstoffwechselung von Arsenobetain im Körper. In diesem Fall scheint das Mikrobiom jedoch eine schädliche Wirkung zu haben», fügt Hapfelmeier hinzu.

Neue Fragen zur Sicherheit von Meeresfrüchten

Arsenobetain ist derzeit nicht als toxisch eingestuft und unterliegt daher keinen gesetzlichen Grenzwerten in Lebensmitteln. Obwohl frühere Studien darauf hindeuteten, dass Arsenobetain in Säugetieren metabolisiert werden könnte, blieb unklar, ob dieser Prozess durch den Säugetierwirt oder sein Mikrobiom vermittelt wird. «Die translationale Mikrobiomforschung mit Hilfe von Mausmodellen hat sich enorm weiterentwickelt. Obwohl Studien an Mäusen sich nicht unkritisch auf den Menschen übertragen lassen, deuten die von uns beobachteten sehr deutlichen Effekte stark darauf hin, dass beim Menschen ähnliche Prozesse ablaufen», sagt Hapfelmeier.

Die Arbeit unterstreicht die Bedeutung des Mikrobioms für die menschliche Gesundheit und steht im Einklang mit den Schwerpunktthemen der Universität Bern: Gesundheit und Medizin sowie Nachhaltigkeit. Die «One Health»-Kooperation berücksichtigt die engen Wechselwirkungen zwischen der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt und untersucht, wie Umweltfaktoren wie chemische Toxine das Mikrobiom und die allgemeine Gesundheit entlang der Nahrungskette beeinflussen. «Arsenobetain ist weltweit eine der Hauptquellen für Arsen in der Nahrung, insbesondere in Regionen, in denen viel Fisch und Meeresfrüchte verzehrt werden», erklärt Mitautor Prof. Adrien Mestrot, Experte für Umweltchemie. «Die Tatsache, dass Arsenobetain im Darm von Säugetieren in giftigere Formen umgewandelt werden kann, stellt frühere Annahmen zur Sicherheit von Lebensmitteln in Frage und hat auch erhebliche Auswirkungen auf Lebensmittelbehörden», so Mestrot abschliessend.

Angaben zur Publikation:

Mukherjee, M. et al. (2024). Microbiota-dependent in vivo biotransformation, accumulation, and excretion of arsenic from arsenobetaine-rich diet. Journal of Hazardous Materials, 480, 136463. DOI: 10.1016/j.jhazmat.2024.136463

Interfakultäre Forschungskooperation «One Health»

Die 2018 gegründete Interfakultäre Zusammenarbeit «One Health» fördert die interdisziplinäre Forschung zwischen den Fakultäten für Naturwissenschaften, Veterinärmedizin und Medizin der Universität Bern durch einen einheitlichen Rahmen, der die Auswirkungen verschiedener Arten von Chemikalien auf die Gesundheit von Nahrungsketten untersucht. Dadurch werden zwei der thematischen Schwerpunkte der Universität Bern – Nachhaltigkeit und Gesundheit/Medizin – miteinander verbunden. Die Initiative hat auch junge Forschende unterstützt und eine neue Generation kompetenter und interdisziplinärer Wissenschaftler ausgebildet.

Weitere Informationen

Clean Mouse Facility

Die Clean Mouse Facility (CMF) ist eine zentrale Einrichtung des Departments of BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern, die vom Inselspital mitbegründet wurde. Die CMF ist eine hochmoderne gnotobiotische Mausanlage, in der Mäuse unter strengen keimfreien oder gnotobiotischen (definierte mikrobielle Besiedlung) Bedingungen gezüchtet und gehalten werden. Darüber hinaus ist die CMF so ausgestattet, dass Experimente unter solchen hygienischen Bedingungen durchgeführt werden können.

 

09.12.2024