Die Vielfalt im Arbeitsleben stärken: G-VERSITY präsentiert Ergebnisse
Die Gleichstellung der Geschlechter und die Wertschätzung von Vielfalt am Arbeitsplatz sind der Schlüssel für eine gerechte Zukunft unserer Gesellschaften: Dies ist die Hauptbotschaft des vierjährigen europäischen Forschungsprojekts G-VERSITY unter Leitung der Universität Bern. Das Netzwerk stellte nun an seiner Abschlusskonferenz Lösungen zum Erreichen dieses Ziels vor.
G-VERSITY ist ein Forschungsnetzwerk, das Fachwissen bereitstellt, um eine Gleichstellung von Frauen und Männern sowie von sexuellen und geschlechtlichen Minderheitengruppen in Berufen und Positionen zu erreichen, in denen diese Gruppen jeweils noch immer unterrepräsentiert sind. Das Netzwerk hat untersucht, welche Faktoren die schulische und berufliche Laufbahn dieser Gruppen beeinflussen und wie Geschlechtervielfalt im Arbeitsleben gefördert werden kann. Die aktuellen Forschungsergebnisse richten sich gleichermassen an Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft.
Ein europäisches Grossprojekt
G-VERSITY wurde 2020 ins Leben gerufen und umfasst Forschungsgruppen in neun europäischen Ländern aus verschiedenen Disziplinen, darunter Psychologie, Pädagogik, Management, Betriebswirtschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, sowie mehrere Partnerorganisationen unter anderem aus der Industrie. Das EU-Förderungsprogramm «Horizon 2020» hat G-VERSITY mit 4,1 Millionen Euro gefördert. Sabine Sczesny vom Institut für Psychologie der Universität Bern hat das Projekt initiiert und koordiniert.
An der Abschlusskonferenz von G-VERSITY – sie fand vom 12. bis 14. Juni 2024 in Bern statt – wurden die Ergebnisse präsentiert. Mehr als 110 Vorträge und Präsentationen zeigten Lösungen auf, wie eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht werden kann und die Vielfalt in der Arbeitswelt mehr Wertschätzung erfahren kann.
Wie Geschlechtervielfalt im Arbeitsleben grundsätzlich gefördert werden kann
«Zuerst geht es immer darum, das Bewusstsein für das Thema zu erhöhen, sei das via Medien oder direkt in Schulen oder Organisationen», sagt die Sozialpsychologin Sabine Sczesny. Wichtig sei «aufzuzeigen, wohin die Kategorisierung nach Geschlecht führt: Einerseits arbeiten Frauen und Männer bislang überwiegend in getrennten Berufsfeldern, andererseits sind mehrheitlich Männer in Führungspositionen tätig.» Die negativen Konsequenzen seien vielfältig und reichten von sexueller Belästigung über ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle bis zur Altersarmut von Frauen. Weiterhin sollten stereotype Vorstellungen, wie eine Frau oder ein Mann zu sein hat, abgebaut werden. Besonderer Wert sollte auch auf die gesellschaftliche Inklusion von geschlechtlichen und sexuellen Minderheiten gelegt werden, um auch diese Menschen vor negativen Konsequenzen wie Arbeitslosigkeit und Gewaltverbrechen zur schützen.
«Am wirkungsvollsten ist es», so Sczesny, «diesen Stereotypen schon im Elternhaus, im Kindergarten und in der Schule entgegenzuwirken. Zwar haben wir Menschen das Bedürfnis nach Kategorisierung, doch die Kategorien Frau und Mann haben zu strukturellen Diskriminierungen geführt, die es abzubauen gilt.» Ziel in modernen Gesellschaften sei es daher, Vorurteile zu reflektieren und jeden Menschen als Individuum wahrzunehmen, unabhängig von dessen Geschlecht.
Von der Forschung zur Praxis
Auf der Onlineplattform des Projekts bietet G-VERSITY Leitfäden mit Lösungsansätzen für die Praxis an. Diese stehen allen zur Verfügung, die Vielfalt und Inklusion vorantreiben möchten, etwa Schulen, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Gleichstellungsbeauftragte oder Politikerinnen und Politiker. Es gibt beispielsweise Leitfäden zum Thema, wie Unternehmen Geschlechtervielfalt wirkungsvoller kommunizieren können, wie sich die Inklusion unterrepräsentierter Gruppen fördern lässt oder wie sich Schulungen zu Geschlechtervielfalt effektiv umsetzen lassen. Zusätzlich wird dieses Wissen über Medien und Social Media sowie über Vorträge in Firmen und Organisationen europaweit weiterverbreitet.
Emotionalität in der Kommunikation zu Geschlechtervielfalt
Ein Beispiel für eines der vielen diesen Leitfäden zugrundeliegenden Forschungsarbeiten ist eine Arbeit zur Emotionalität in der Kommunikation zu Geschlechtervielfalt. Um eine vielfältigere Belegschaft anzuziehen und zu halten, ergreifen viele Unternehmen Initiativen zur Förderung der Vielfalt, beispielsweise auf ihren Websites. In seinem Forschungsprojekt untersuchte Vladislav Krivoshchekov (Academy of Sciences of the Czech Republic) gemeinsam mit Sabine Sczesny an der Universität Bern und in Zusammenarbeit mit Sylvie Graf von der Academy of Sciences of the Czech Republic die Wirkung positiver Emotionalität in Diversity-Statements von Unternehmen. Die Analyse der Statements von 600 europäischen Unternehmen zeigte, dass sich diese zwar im Grad der Emotionalität unterschieden, die Unternehmen aber im Durchschnitt hoch emotionale Worte vermieden. Eine weitere experimentelle Studie belegte, dass ein hohes Mass an positiver Emotionalität in Diversity-Statements mehr positive Emotionen auslöst und zu einer positiveren Einstellung gegenüber dem Unternehmen führen. «Hochemotionale Wörter (z. B. leidenschaftlich; glücklich; von ganzem Herzen) in Diversity-Statements sind demnach von entscheidender Bedeutung, wenn Unternehmen ihre Attraktivität für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern wollen» sagt Sabine Sczesny.
Mehr über das G-VERSITY Projekt und die Konferenz (Programm) findet sich unter:https://gversity-2020.eu/g-versity-project.html Weitere Ergebnisse und Lösungsvorschläge von G-VERSITY lassen sich im G-VERSITY-Forschungsblog unter https://gversity-solutions.org/ nachlesen. |
Interview mit Sabine Sczesny in uniAKTUELL: «Divers zusammengesetzte Teams sind produktiver und kreativer»Vier Jahre haben Forscher*innen in ganz Europa geforscht und Massnahmen entwickelt, um Geschlechtervielfalt in der Arbeitswelt zu fördern. Initiiert und koordiniert hat das Projekt Sabine Sczesny von der Universität Bern. |
Über die Abteilung Soziale Neurowissenschaft und SozialpsychologieDie Abteilung ist am Institut für Psychologie der Universität Bern angesiedelt. Sie beschäftigt sich mit dem menschlichen Verhalten und Erleben im sozialen Kontext. Die Abteilung bezieht in ihrer Forschung neben der Vertiefung des Grundlagenwissens auch biologische Grundlagen des sozialen Erlebens und Verhaltens sowie die Anwendung verhaltens-ökonomischer Paradigmen mit ein. Der Forschungsansatz ist empirisch-quantitativ. Schwerpunkte sind: Soziale Neurowissenschaft, Neuroökonomie, Kooperation, soziale Konflikte, prosoziales Verhalten, Selbstregulatorische Fähigkeiten, Stereotype/Vorurteile. |
14.06.2024