Weitere Zusprachen für EU-Fördergelder für die Universität Bern
Der Astrophysiker Jonas Kühn und der Philosoph Benjamin Matheson haben vom europäischen Forschungsrat ERC nachträglich einen positiven Bescheid zu ihrer Bewerbung für Forschungs-Fördergelder erhalten. Da sie ihre Forschungsprojekte an der Universität Bern durchführen werden, werden diese nicht von der EU, sondern vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI finanziert.
Wie auch die Schweiz ist Grossbritannien aktuell nicht an das EU-Forschungsrahmenprogramm «Horizon Europe» assoziiert. Deshalb mussten kürzlich viele Forschende, welchen ein Forschungs-Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) zugesprochen wurde, auf die Förderung durch den ERC verzichten: sie haben sich für einen Verbleib in der Schweiz oder in Grossbritannien entschieden. Die nicht bezogenen Forschungsgelder werden nun vom ERC weiteren Forschenden zugesprochen, deren hervorragenden Forschungsprojekte zwar in der Klasse «A» eingestuft wurden, vorerst jedoch nicht finanzierbar waren. Darunter sind auch zwei Forscher, die Projekte an der Universität Bern eingereicht haben. Beide Forscher haben sich dazu entschieden, den ERC Grant abzulehnen und ihr Forschungsprojekt an der Universität Bern durchzuführen.
Förderung für Projekte in Astrophysik und Philosophie
Dr. Jonas Kühn hat eine positive Evaluation erhalten für einen ERC «Consolidator Grant» mit einer Fördersumme von 2.5 Millionen Euro für sein Projekt RACE-GO am Physikalischen Institut, Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) und am NCCR PlanetS. Das Projekt zielt darauf ab, die neuesten digitalen Flüssigkristall-Displaytechnologien mit den Exoplaneten-Bildgebungsinstrumenten zu verbinden, die derzeit in den grössten bodengestützten astronomischen Teleskopen eingesetzt werden. «RACE-GO soll einen bahnbrechenden Beitrag im Hinblick auf die kommenden ‘Extremely Large’ 40-Meter-Teleskope leisten», so Jonas Kühn.
Dr. Benjamin Matheson hat eine positive Evaluation für einen ERC «Starting Grant» mit einer Fördersumme von 1.5 Millionen Euro erhalten. Sein Projekt Collective Guilt and Shame am Institut für Philosophie der Universität Bern hat zum Ziel, die erste umfassende philosophische Theorie des Wesens und der Ethik kollektiver Schuld- und Schamgefühle zu erstellen. «Da wir uns alle mit der Frage konfrontiert sehen, ob wir Schuld und Scham für historische Ungerechtigkeiten empfinden sollten, die von Gruppen begangen wurden, denen wir angehören, zielt CoGS nicht nur darauf ab, wissenschaftliche Durchbrüche zu erzielen, sondern auch erhebliche soziale Auswirkungen zu haben», erklärt Benjamin Matheson.
«Ich freue mich sehr über die positive Evaluation für die beiden vielversprechenden Projekte und gratuliere den Ausgezeichneten. Dies zeigt die internationale Konkurrenzfähigkeit der Universität Bern», sagt Hugues Abriel, Vizerektor Forschung der Universität Bern. «Dass die Schweiz von der Europäischen Kommission weiterhin als nicht-assoziiertes Drittland eingestuft wird, besorgt mich jedoch, weil die Forschung auf Vernetzung und internationale Zusammenarbeit angewiesen ist.»
Die Projekte von Jonas Kühn und Benjamin Matheson:
Jonas Kühn: Projekt RACE-GORACE-GO zielt darauf ab, die neuesten digitalen Flüssigkristall-Displaytechnologien mit den Exoplaneten-Bildgebungsinstrumenten zu verbinden, die derzeit in den grössten bodengestützten astronomischen Teleskopen eingesetzt werden. Durch die Kombination der schnellsten aktiven optischen Flüssigkristall-Modulatoren mit den besten derzeit verfügbaren Hochgeschwindigkeits-Infrarotkameras wird RACE-GO den Zeitbereich von Millisekunden untersuchen, um zwischen verbleibenden optischen Fehlern aus der Erdatmosphäre und echten astrophysikalischen Signalen (bedingt z.B. durch einen Exoplaneten) in unmittelbarer Nähe eines anvisierten Sterns zu unterscheiden. In der Praxis wird RACE-GO ein Upgrade des kommenden PLACID*-Bildgebungsinstruments finanzieren, das von einem Konsortium der Universität Bern und der HEIG-VD (Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt) in Yverdon für das neue 4-Meter-DAG-Teleskop in der Türkei gebaut wird. Dafür werden über zwei Jahre verteilt 60 sogenannte «guaranteed time observing (GTO)»-Beobachtungsnächte eingesetzt, um den neuen Ansatz zu validieren, bevor die Technologie bei 8-Meter-Observatorien und möglicherweise gar am European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit einen Spiegeldurchmesser von 40 Metern eingesetzt wird. * PLACID: Programmable Liquid-crystal Active Coronagraphic Imager for the DAG telescope «Das RACE-GO-Projekt soll einen bahnbrechenden Beitrag zu den kommenden «extremely large»-Teleskopen der 40-Meter-Klasse leisten. Damit erhoffen wir uns, eines Tages einen «blassen blauen Punkt» in unserer galaktischen Nachbarschaft zu sehen und damit zur Beantwortung von Fragen wie «sind wir allein im Universum?» beizutragen», sagt Jonas Kühn. Über Jonas KühnNach seinem Doktorat in Naturwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) erhielt Jonas Kühn von 2012 bis 2015 ein Postdoc-Stipendium am Caltech-NASA/Jet Propulsion Laboratory (JPL), wo er an stellarer Interferometrie und kontrastreichen Exoplaneten-Abbildungsinstrumenten für das 5-Meter Palomar Hale- und das 8-Meter Subaru-Teleskop arbeitete. Von 2015 bis 2018 erhielt er einen Ambizione-Grant des SNF am Institut für Teilchenphysik und Astrophysik der ETH Zürich, wo er Pionierarbeit bei der Verwendung von liquid-crystal spatial light modulators (SLMs) zum Nachweis von Exoplaneten leistete. Anfang 2019 wechselte er an die Universität Bern, wo er als Principal Investigator und Projektleiter des SLM-basierten Hochkontrast-Instruments PLACID für das türkische 4-Meter-Teleskop DAG tätig ist. |
Benjamin Matheson: Projekt Collective Guilt and ShameDie Geschichte der Menschheit ist voll von schrecklichen Ungerechtigkeiten. Es ist zwar unumstritten, dass die meisten heute lebenden Menschen keine Schuld an diesem Unrecht tragen. Dennoch gibt es zahlreiche empirische Untersuchungen, die belegen, dass viele Menschen aufgrund des Unrechts ihrer Vorfahren, ihrer Zeitgenossinnen und Zeitgenossen oder anderen Personen (ethnische oder religiöse Gruppen etc.) Schuld- oder Schamgefühle haben. Einige dieser Schuld- und Schamgefühle erklären sich aus der direkten oder indirekten Beteiligung der Person an einem bestimmten Unrecht. Zum Beispiel kann ein Bürger Schuldgefühle haben, weil er einen Tyrannen gewählt hat, der dann einen Völkermord begeht. In vielen Fällen waren die Menschen, die sich schuldig fühlen oder sich schämen, jedoch völlig unbeteiligt an diesem Unrecht, da sie erst später geboren wurden. Das Projekt Collective Guilt and Shame zielt darauf ab, die erste umfassende philosophische Theorie des Wesens und der Ethik unbeteiligter kollektiver Schuld- und Schamgefühle aufzustellen, wobei eine Reihe von Teildisziplinen der Philosophie sowie Disziplinen ausserhalb der Philosophie herangezogen werden. «Bern ist ein idealer Ort für mein Forschungsprojekt, unter anderem weil hier Philosophinnen und Philosophen arbeiten, die sich mit den vielen Teildisziplinen der Philosophie befassen, auf die sich dieses Projekt bezieht» sagt Benjamin Matheson. Über Benjamin MathesonBenjamin Matheson ist derzeit María-Zambrano-Fellow an der Universität Valencia. Ausserdem ist er Profesor Honorario an der Universidad Autónoma de Madrid (UAM). Zuvor war er Dozent für Philosophie an der University of Glasgow und Humboldt-Forschungsstipendiat an der LMU München. Darüber hinaus hatte Matheson auch Vollzeitstellen an der Universität Stockholm und der Universität Göteborg inne und war für Gastaufenthalte an der Universität Tilburg und am Madrid Institute for Advanced Study. Im Jahr 2014 promovierte Benjamin Matheson an der University of Manchester in Philosophie. |
09.08.2022