Einzigartiger Exoplanet platzt in CHEOPS-Studie herein
Bei der Untersuchung von zwei Exoplaneten in einem hellen, nahe gelegenen Sternsystem hat der CHEOPS-Satellit den dritten bekannten Planeten des Systems ausgemacht, der unerwarteterweise die Oberfläche des Sterns kreuzte. Dieser Transit offenbart spannende Details über einen «beispiellosen Planeten», wie das wissenschaftliche Team unter der Leitung der Universitäten Genf und Bern sowie Mitglieder des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS betonen.
Sogenannte Fotobomben – wenn ein Objekt oder eine Person während der Aufnahme eines Fotos unerwartet in das Sichtfeld der Kamera gerät – passieren jeden Tag. Manchmal ist es ein Bekannter, ein anderes Mal eine Fremde oder vielleicht ein Vogel. Selten jedoch ist es ein ganzer Planet. Doch genau das passierte, als das von der Schweiz geleitete Weltraumteleskop CHEOPS Bilder von einem 50 Lichtjahre entfernten Planetensystem aufnahm.
Ein Planet wie kein anderer
Das Planetensystem befindet sich im Sternbild Lupus (lateinisch für Wolf), um einen Stern namens Nu2 Lupi, der mit blossem Auge sichtbar ist (allerdings nicht von der Schweiz aus). Im Jahr 2019 gaben Schweizer Astronomen die Entdeckung von drei Exoplaneten um diesen hellen, sonnenähnlichen Stern bekannt. Die drei Exoplaneten haben Massen zwischen denen von Erde und Neptun (17-mal jene der Erde) und brauchen 12, 28 und 107 Tage, um ihren Mutterstern zu umkreisen. «Was diese Exoplaneten wirklich herausragend macht, ist, dass wir sie direkt vor ihrem Stern vorbeiziehen sehen können; man spricht von einem 'Transit'», sagt Yann Alibert, Professor für Astrophysik an der Universität Bern und Mitautor der Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Nature Astronomy publiziert wurde. «Das wussten wir bereits über die beiden inneren Planeten, was uns dazu veranlasste, CHEOPS überhaupt auf das System zu richten. Der dritte Planet ist jedoch ziemlich weit vom Stern entfernt, seinen Transit hatte niemand erwartet», ergänzt Alibert. Je weiter der Planet von seinem Stern entfernt ist, desto unwahrscheinlicher ist nämlich ein Transit.
Es ist das erste Mal, dass ein Exoplanet mit einer Umlaufzeit von über 100 Tagen – was einer Entfernung vom Stern entspricht, die irgendwo zwischen der von Merkur und Venus von der Sonne liegt – entdeckt wurde, der einen Stern kreuzt, der hell genug ist, um von blossem Auge sichtbar zu sein.
«Aufgrund seiner relativ langen Umlaufzeit ist die Menge an stellarer Strahlung, die den Planeten erreicht, im Vergleich zu vielen anderen entdeckten Exoplaneten mild. Je weniger Strahlung ein Planet erhält, desto weniger verändert er sich im Laufe der Zeit. Daher könnte ein Planet mit einer langen Periode mehr Informationen über seine Entstehung bewahrt haben», sagt David Ehrenreich, Professor an der Universität Genf und Missionswissenschaftler von CHEOPS, der an der Studie mitbeteiligt war. Doch die wenigen solchen Exoplaneten, die Astronominnen und Astronomen bisher gefunden hatten, umkreisten schwach strahlende Sterne. Mit anderen Worten: Wenig von ihrem Licht erreicht die Erde und macht sie daher schwer zu untersuchen. Nicht so dieses Mal: «Da sein heller Wirtsstern recht nahe bei uns ist, lässt er sich leichter untersuchen. Das macht ihn zu einem beispiellosen Ziel für zukünftige Studien», ergänzt Ehrenreich.
Weitere Erkenntnisse von anderen Teleskopen
Die hochpräzisen Messungen von CHEOPS zeigen, dass der dritte Planet, nu2 Lupi d genannt, etwa 2,5-mal so gross ist wie die Erde und fast 9-mal so schwer. Durch die Kombination dieser Messungen mit Archivdaten von anderen Observatorien und numerischen Modellen, die von der Universität Bern entwickelt wurden, konnte Laetitia Delrez, Gastforscherin an der Universität Genf und Hauptautorin der Studie, die Dichte und Zusammensetzung des Planeten und seiner Nachbarn genau charakterisieren. «Der innerste Planet ist hauptsächlich felsig, während die beiden äusseren von Hüllen aus Wasserstoff- und Heliumgasen umhüllt zu sein scheinen, unter denen sie grosse Mengen an Wasser enthalten», erklärt Delrez. Dies ist weit mehr Wasser, als die Erde hat: Ein Viertel der Masse jedes Planeten besteht aus Wasser, verglichen mit weniger als 0,1% im Falle der Erde. Dieses Wasser ist jedoch nicht flüssig, sondern liegt in Form von Hochdruckeis oder Hochtemperaturdampf vor, was die Planeten unbewohnbar macht. Doch diese Erkenntnisse könnten nur der Anfang sein.
«Jetzt, da wir entdeckt haben, dass alle drei Planeten Transite zeigen und ihre Eigenschaften genau gemessen haben, ist der nächste Schritt, sie mit grösseren und leistungsfähigeren Instrumenten als CHEOPS zu untersuchen. Wie dem Hubble-Weltraumteleskop oder seinem Nachfolger, dem James Webb-Weltraumteleskop. Sie könnten weitere Details aufdecken, etwa die Zusammensetzung der Atmosphäre», sagt Ehrenreich. Angesichts seiner Gesamteigenschaften und seiner Umlaufbahn wird Planet d das Aushängeschild für Exoplaneten mit einer Atmosphäre von milder Temperatur um einen sonnenähnlichen Stern werden.
Angaben zur Publikation:L. Delrez et al.: Transit detection of the long-period volatile-rich super-Earth ν2 Lupi d with CHEOPS, Nature Astronomy. |
CHEOPS – Auf der Suche nach potenziell lebensfreundlichen PlanetenDie CHEOPS-Mission (CHaracterising ExOPlanet Satellite) ist die erste der neu geschaffenen «S-class missions» der ESA – Missionen der kleinen Klasse mit einem Budget, das kleiner ist als das von grossen und mittleren Missionen, und mit einer kürzeren Zeitspanne von Projektbeginn bis zum Start. CHEOPS widmet sich der Charakterisierung von Exoplaneten-Transiten. Dabei misst CHEOPS die Helligkeitsänderungen eines Sterns, wenn ein Planet vor diesem Stern vorbeizieht. Aus diesem Messwert lässt sich die Grösse des Planeten ableiten und mit bereits vorhandenen Daten daraus die Dichte bestimmen. So erhält man wichtige Informationen über diese Planeten – zum Beispiel, ob sie überwiegend felsig sind, aus Gasen bestehen oder ob sich auf ihnen tiefe Ozeane befinden. Dies wiederum ist ein wichtiger Schritt, um zu bestimmen ob auf einem Planeten lebensfreundliche Bedingungen herrschen. CHEOPS wurde im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der ESA und der Schweiz entwickelt. Unter der Leitung der Universität Bern und der ESA war ein Konsortium mit mehr als hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Ingenieurinnen und Ingenieuren aus elf europäischen Nationen während fünf Jahren am Bau des Satelliten beteiligt. CHEOPS hat am Mittwoch, 18. Dezember 2019 an Bord einer Sojus-Fregat-Rakete vom Europäischen Weltraumbahnhof Kourou, Französisch-Guyana, seine Reise ins Weltall angetreten. Seither umkreist CHEOPS die Erde innerhalb von ungefähr anderthalb Stunden in einer Höhe von 700 Kilometer entlang der Tag-Nacht-Grenze. Der Bund beteiligt sich am CHEOPS-Teleskop im Rahmen des PRODEX-Programms (PROgramme de Développement d'EXpériences scientifiques) der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Über dieses Programm können national Beiträge für Wissenschaftsmissionen durch Projektteams aus Forschung und Industrie entwickelt und gebaut werden. Dieser Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Industrie verschafft dem Werkplatz Schweiz letztlich auch einen strukturellen Wettbewerbsvorteil – und er ermöglicht, dass Technologien, Verfahren und Produkte in andere Märkte einfliessen und so einen Mehrwert für unsere Wirtschaft erbringen. Mehr Informationen: https://cheops.unibe.ch/de/ |
Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der WeltspitzeAls am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war in der Geschichte der Berner Weltraumforschung ein erster grosser Höhepunkt. Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei: Die Universität Bern nimmt regelmässig an Weltraummissionen der grossen Weltraumorganisationen wie ESA, NASA, ROSCOSMOS oder JAXA teil. Mit CHEOPS teilt sich die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission. Zudem sind die Berner Forschenden an der Weltspitze mit dabei, wenn es etwa um Modelle und Simulationen zur Entstehung und Entwicklung von Planeten geht. Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet. |
Exoplanetenforschung in Genf: 25 Jahre Expertise mit Nobelpreis ausgezeichnetCHEOPS liefert wichtige Informationen über Grösse, Form und Entwicklung bekannter Exoplaneten. Die Einrichtung des «Science Operation Center» der CHEOPS-Mission in Genf unter der Leitung von zwei Professoren der Astronomieabteilung der UniGE ist eine logische Fortsetzung der Forschungsgeschichte auf dem Gebiet der Exoplaneten – denn hier wurde 1995 der erste Exoplanet von Michel Mayor und Didier Queloz, den Nobelpreisträgern für Physik von 2019, entdeckt. Mit dieser Entdeckung positionierte sich die Astronomieabteilung der Universität Genf an der Weltspitze auf diesem Gebiet, was unter anderem 2003 zum Bau und der Installation von HARPS führte. Der Spektrograph auf dem 3,6m-Teleskop der ESO in La Silla war zwei Jahrzehnte lang der weltweit effizienteste, wenn es um die Bestimmung der Masse von Exoplaneten ging. Letztes Jahr wurde HARPS jedoch von ESPRESSO übertroffen, einem weiteren Spektrographen, der in Genf gebaut und auf dem VLT in Paranal installiert wurde. CHEOPS ist somit das Ergebnis von zwei nationalen Expertisen: einerseits dem Weltraum-Know-how der Universität Bern in Zusammenarbeit mit ihren Genfer Kolleginnen und Kollegen, und andererseits die Bodenerfahrung der Universität Genf in Zusammenarbeit mit ihrem Pendant in der Hauptstadt. Zwei wissenschaftliche und technische Kompetenzen, die auch den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS ermöglichten. |
28.06.2021