Neues Inventar für Soziale Innovationen im Schweizer Berggebiet
Schweizer Bergregionen sind durchaus innovativ, wenn es um Lösungsansätze für spezifische Herausforderungen von peripheren Gebieten geht. Mit einem neuen Online-Inventar dieser «Sozialen Innovationen» wollen das Geographische Institut und die Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) den Behörden und der Bevölkerung die innovativen Potenziale der Berggebiete besser bewusstmachen.
Die Berggebiete der Schweiz werden im Vergleich zu den Metropolen oftmals als zu wenig innovativ betrachtet. Dennoch entstehen in diesen Regionen innovative Ideen insbesondere für die Lösung spezifischer Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft. Diese «Sozialen Innovationen» unterscheiden sich von Neuerungen in Produkten oder Technologien und versprechen positive Effekte für die regionale Entwicklung.
Mit dem heute von der Universität Bern lancierten «Inventar Soziale Innovationen» soll sich der Blick auf die Berggebiete der Schweiz ändern. Auf der Webseite www.sozinno.unibe.ch wird eine Liste von innovativen Ideen beispielhaft aus dem Berner Oberland öffentlich zugänglich gemacht. Durch eine umfassende Analyse von mehr als 970 innovativen Projekten identifizierte das Forschungsteam 68 Soziale Innovationen, die in den vergangenen Jahren im Berner Oberland entstanden sind. Auf der Webplattform lassen sich die Sozialen Innovationen beispielsweise nach Sektoren, Standorten und thematischen Ausprägungen suchen. Das neue Hilfsmittel soll Entscheidungsgrundlagen für die Regionalpolitik liefern und der Wissenschaft als Forschungsgrundlage dienen.
Lösungen für spezifische Probleme von Bergregionen
Soziale Innovationen bestehen aus einer neuen Form der Zusammenarbeit auf individueller oder organisationaler Ebene. Diese Zusammenarbeit führt zu einer neuen Idee, deren Umsetzung zumindest angedacht ist. Eine solche Innovation kann sich im Kontext der regionalen Entwicklung positiv auf die Gesellschaft auswirken, die Lebensqualität verbessern und oder soziale Beziehungen verändern. «In den Berggebieten entstehen durchaus innovative Ideen. Einerseits wird damit auf die Herausforderungen peripherer Regionen reagiert. Andererseits werden aber auch die Vorzüge dieser Räume in Wert gesetzt,» erklärt Heike Mayer, Professorin für Wirtschaftsgeographie an der Universität Bern und Leiterin der vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Studie.
Innovationen in Bauindustrie, Tourismus- und Gesundheitsbranche
Das Forschungsprojekt konzentriert sich auf Innovationen aus drei Sektoren. Ein Beispiel einer Sozialen Innovation in der Baubranche ist das Mehrgenerationenhaus im Hasliberg. Mit altersgerechten Wohnformen will man älteren Einwohnerinnen und Einwohnern eine Möglichkeit bieten, in der Gemeinde zu bleiben. Die Idee hierfür entstand aus Diskussionen über die Zukunft der Region. Die Bevölkerung der Gemeinde reagiert damit auf den demographischen Wandel. Auch im Tourismus finden sich viele Soziale Innovationen. «Die touristischen Leistungsanbieter arbeiten immer mehr mit anderen Akteuren zusammen und entwickeln innovative Ansätze, um neue touristische Angebote und Prozesse zu gestalten», sagt Monika Bandi Tanner, Co-Leiterin der Forschungsstelle Tourismus (CRED-T) am Zentrum für Regionalentwicklung der Universität Bern. Soziale Innovationen entstehen auch im Gesundheitssektor. Diese decken Versorgungslücken im ländlichen Raum und versprechen der Bevölkerung, aber auch den Fachkräften ein verbessertes Angebot bzw. verbesserte Arbeitsbedingungen.
Politik und Wissenschaft sollen profitieren
Das «Inventar Soziale Innovationen» will nicht nur das Wissen um innovative Lösungen im Berggebiet besser in den betroffenen Regionen verankern, es liefert auch Entscheidungsgrundlagen für die Regionalpolitik. «Die Regionalpolitik sollte nicht nur klassische Innovationen wie neue Produkte oder Technologien fördern, sondern auch ein Augenmerk auf neue Lösungen setzen, die aus der Zusammenarbeit verschiedener Akteure entstehen», sagt Irmi Seidl, Leiterin der Forschungseinheit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der WSL. Nicht zuletzt profitiert auch die Wissenschaft von der Datenbank. So können Fallbeispiele untersucht werden, die Aufschluss darüber geben, wie gesellschaftliche Probleme im Berggebiet angegangen werden können.
Das Inventar wurde im Rahmen eines vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekts von den drei Doktorierenden Pascal Tschumi, Andrea Winiger und Samuel Wirth unter Leitung von Heike Mayer, Irmi Seidl und Monika Bandi-Tanner entwickelt. In einem nächsten Schritt werden die Sozialen Innovationen nach ihrer Entstehungsgeschichte untersucht und es werden Innovationsbiographien erstellt.
Zentrum für Regionalentwicklung (CRED)Das Center for Regional Economic Development (CRED) ist ein interfakultäres Zentrum der Universität Bern für Lehre, Forschung und Beratung zu Fragen der regionalen Wirtschafts-entwicklung. Das Zentrum ist eine Assoziation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich aus volkswirtschaftlicher, wirtschaftsgeographischer und betriebswirtschaftlicher Perspektive mit Fragen der Regionalentwicklung auseinandersetzen. Im Fokus der Arbeit stehen drei Forschungsschwerpunkte: Standortdynamik und regionale Wirtschaftspolitik, Tourismus, Bodenpolitik und Immobilien. Mehr Informationen: www.cred.unibe.ch |
10.03.2020