Erfolgreiche Netzwerk-Forschung wird verlängert
Schlaf, religiöse Konflikte und Gesundheit von Umwelt, Pflanze, Mensch und Tier: Damit befassen sich die drei Interfakultären Forschungskooperationen der Universität Bern. Die innovativen Netzwerkprojekte, die 2018 gestartet sind, waren sehr erfolgreich und werden deshalb um zwei Jahre verlängert.
Mit der Lancierung von drei Interfakultären Forschungskooperationen (IFK) ging die Universität Bern im Jahr 2018 neue Wege in der Forschungsförderung: Die IFK sind Netzwerkprojekte, die jeweils 8 bis 13 Forschungsgruppen aus diversen Fakultäten vereinen und sich an den fünf strategischen Themenschwerpunkten der Universität Bern orientieren. In einem kompetitiven Verfahren wurden die drei Projekte «One Health», «Religious Conflicts and Coping Strategies» und «Decoding Sleep» für eine Förderung von je 1,5 Millionen Franken pro Jahr ausgewählt.
Eindrückliches Leistungszeugnis
«Alle drei Projekte haben in den letzten beiden Jahren qualitativ hochstehende wissenschaftliche Arbeit geleistet», sagt Daniel Candinas, Vizerektor Forschung der Universität Bern. Deshalb hat die Universitätsleitung entschieden, alle drei IFK für zwei weitere Jahre zu verlängern. «Das eindrückliche Leistungszeugnis der IFK bekräftigt unsere Entscheidung, die interdisziplinäre Forschung spezifisch zu fördern. Komplexe, aktuelle Problemfelder können nur fächerübergreifend angegangen werden», so Candinas. Die Förderung der IFK durch die Universität Bern ist auf insgesamt vier Jahre befristet.
«One Health»: die Gesundheit von Umwelt, Mensch und Tier im Fokus
Die IFK «One Health» hat innert kurzer Zeit ein neues, einzigartiges interdisziplinäres Forschungsnetzwerk aufgebaut, um den Einfluss verschiedener Umweltchemikalien auf die Gesundheit von Nahrungsketten und deren mikrobiellen Gemeinschaften zu untersuchen. Es konnten bereits diverse Forschungserfolge verzeichnet werden. «Beispielsweise konnten wir erst kürzlich erstmals detailliert aufzeigen, wie sich die landwirtschaftliche Praxis langfristig auf die Pestizidbelastung in Ökosystemen der Seeböden auswirkt», sagt Matthias Erb, Leiter der IFK «One Health». Darüber hinaus war die IFK auch sehr aktiv in der Lehre (z.B. mit der Summer School «Hidden Players in the Food Chain»), Nachwuchsförderung und Drittmitteleinwerbung.
«In der langen Frist sollen unsere Anstrengungen etwa zu einer möglichst pestizidfreien, nachhaltigen Landwirtschaft beitragen. Die ersten zwei Jahre haben das grosse Potenzial und den enormen Nutzen dieses interfakultären Netzwerks aufgezeigt. Darauf wollen wir aufbauen», so Matthias Erb.
Der interdisziplinäre «One Health»-Ansatz macht auch international Schule. So machen die Forschenden jährlich am 3. November mit dem «One Health Day» auf die grosse Bedeutung interdisziplinärer Forschung zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Umwelt, Mensch und Tier Aufmerksam – in diesem Jahr ist dieses Thema aktueller denn je.
«Religious Conflicts and Coping Strategies»: Modell zur Analyse von religiösen Konflikten
Die IFK «Religious Conflicts and Coping Strategies» hat seit Projektbeginn unter Einbezug aller beteiligten Disziplinen ein Modell zur Analyse von Konflikten mit religiösen Dimensionen entwickelt. «Das Modell kann sowohl Anwendung in der Wissenschaft als auch in der Politik, in Religionsgemeinschaften, in der internationalen Friedensarbeit finden. Auch Medienschaffende können das Modell nutzen, um in der Berichterstattung eine differenzierte Darstellung von Konflikten mit religiösen Dimensionen zu erreichen», erklärt IFK-Leiterin Katharina Heyden.
Seit 2018 haben die Mitglieder der IFK insgesamt 83 wissenschaftliche Beiträge publiziert oder zur Publikation eingereicht sowie zahlreiche wissenschaftliche Tagungen und Workshops organisiert. Zudem ist in diesem Jahr auch ein interaktives Erklärvideo zum Thema der IFK erschienen. Auch für die Zukunft ist in Forschung und Lehre einiges geplant: «2021 findet unter anderem eine Doctoral School, eine Tagung in Kooperation mit der Plattform versoehnt.ch sowie natürlich unsere eigene Jahrestagung unter dem Titel Gender Religion Conflicts statt», sagt Heyden.
«Decoding Sleep»: Was gesunden Schlaf ausmacht
Die IFK «Decoding Sleep» hat die letzten zwei Jahre dazu genutzt, die Schlafforschung unter Einbezug verschiedener Disziplinen auf lokaler Ebene neu auszurichten und auch international zu vernetzen. Von den zahlreichen Forschungserfolgen aus dem Berner Konsortium erregten kürzlich die Meldungen Aufmerksamkeit, dass Menschen im Tiefschlaf neue Vokabeln einer Fremdsprache lernen können und dass im Tiermodell die Genesung nach einem Hirnschlag durch die Beeinflussung des Schlafs gefördert werden kann. Darüber hinaus ist die IFK stark engagiert in der Förderung von Forschenden in allen akademischen Karrierestufen. «In Zukunft möchten wir die IFK noch stärker international ausrichten und die Universität Bern dabei unter den weltweit führenden Zentren der interdisziplinären Schlafforschung etablieren», sagt Claudio Bassetti, Leiter der IFK «Decoding Sleep».
Schlaf-Wach-Störungen können erste Anzeichen von Erkrankungen sein – wie Parkinson und Demenz oder Depression. «Wir tragen zu einem vertieften Verständnis bei, was gesunden Schlaf ausmacht, und wie dadurch körperliches, psychisches und mentales Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbessert werden können. Nicht nur Patientinnen und Patienten, sondern auch die Allgemeinheit soll einen Nutzen aus den Erkenntnissen unserer Forschung ziehen können», so Bassetti.
Informationen zu den drei Projekten im Detail:
IFK «One Health: Cascading and Microbiome-Dependent Effects on Multitrophic Health»
Leitung: Prof. Dr. Matthias Erb, Forschungsgruppe Biotische Interaktionen, Institut für Pflanzenwissenschaften Ko-Leitung: Prof. Dr. Andrew Macpherson, Department for BioMedical Research, Forschungsgruppe Gastroenterologie / Mukosale Immunologie Beteiligte Fakultäten: Philosophisch-naturwissenschaftliche, Medizinische und Vetsuisse-Fakultät. Beteiligte Gruppen: 9 Forschungsgruppen mit Expertise in Mikrobiologie, Umweltwissenschaften, Pflanzen- und Tiergesundheit, Humanmedizin und Bioinformatik. Web: https://www.onehealth.unibe.ch/ |
Vom Boden über Pflanzen und Wiederkäuer bis zum Menschen
Das Projekt «One Health: Cascading and Microbiome-Dependent Effects on Multitrophic Health» befasst sich mit einem immer bedeutender werdenden Forschungsgebiet, in dem die Zusammenhänge zwischen der Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch untersucht werden. Die 9 Forschungsgruppen untersuchen insbesondere den Einfluss von Umweltveränderungen auf Nahrungskettensysteme – also von Böden über Pflanzen hin zu Wiederkäuern und schliesslich Mäusen als Modellorganismen für die menschliche Gesundheit. So kann erstmals vergleichend analysiert werden, wie die mikrobiellen Gemeinschaften an verschiedenen Schnittstellen der Nahrungskette auf Faktoren wie Schwermetalle, Pestizide und Pflanzensekundärstoffe reagieren, und welchen Einfluss diese Veränderungen auf die Gesundheit der einzelnen Glieder der Nahrungskette sowie das gesamte System haben. Indem sie ihre Fachkompetenz vereinen, können die Forschungsgruppen unter anderem gesundheitliche Kaskadeneffekte innerhalb der Nahrungskette beobachten, was ihnen sonst nicht möglich wäre. Dabei handelt es sich um einen neuen Ansatz innerhalb des One Health-Forschungsgebiets. Die Forschenden rechnen damit, dass die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, die Auswirkungen von Umweltchemikalien auf die Gesundheit von Nahrungsketten besser zu verstehen und zu beheben.
IFK «Religious Conflicts and Coping Strategies»
Leitung: Prof. Dr. Katharina Heyden, Institut für Historische Theologie Ko-Leitung: Prof. Dr. Martino Mona, Institut für Strafrecht und Kriminologie Beteiligte Fakultäten: Theologische Fakultät, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Philosophisch-humanwissenschaftliche Fakultät, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Philosophisch-historische Fakultät und Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) Beteiligte Gruppen: 12 interdisziplinäre Forschungsgruppen aus der Theologie, der Rechtswissenschaft, den Religionswissenschaften, der Islamwissenschaft, Judaistik, Politologie, Geschichte, Sozialanthropologie, Psychologie, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Philosophie. Web: https://www.religious-conflicts.unibe.ch/ |
Religiöse Konflikte und Bearbeitungsstrategien
Obwohl Konflikte mit religiösen Dimensionen Vergangenheit und Gegenwart prägen, ist die Bedeutung von Religion in sozialen und politischen Konflikten bisher nicht überzeugend erfasst und erklärt worden. Die bisherige Debatte fokussiert vor allem auf die Frage, ob Religionen lediglich für andere, etwa wirtschaftliche Interessen, instrumentalisiert werden oder ob sie selbst konfliktfördernde oder befriedende Komponenten enthalten. Die Forschungskooperation strebt ein differenziertes Verständnis der ambivalenten Rolle von Religionen in Konflikten an, um adäquate Bearbeitungsstrategien entwickeln zu können. Hauptziel des Projekts ist es, analytische Modelle zu erstellen, welche die diversen ökonomischen, sozialen, psychologischen, kulturellen und politischen Faktoren aufzeigen, die zu Konflikten beitragen, und deren Verbindung zu religiösen Überzeugungen, religiöser Rhetorik, religiösen Motivationen und Akteuren beschreibt. Dafür erforschen die 12 Gruppen vergangene und aktuelle religiöse Konflikte und Bearbeitungsstrategien. Sie verknüpfen dabei kultur- sowie sozialwissenschaftlichen Methoden mit religiösen Binnenperspektiven. Der Inhalt und die Methodologie dieser IFK sollen einen substanziellen Beitrag leisten zu zwei strategischen Themenschwerpunkten der Universität Bern: Interkulturelles Wissen und Nachhaltigkeit.
IFK «Decoding Sleep: From Neurons to Health & Mind»
Leitung: Prof. Dr. med. Claudio Bassetti, Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern sowie Dekan der Medizinischen Fakultät, Universität Bern. Ko-Leitung: Prof. Dr. Fred Mast, Leiter der Abteilung Kognitive Psychologie, Wahrnehmung und Methodenlehre am Institut für Psychologie. Beteiligte Fakultäten: Medizinische, Philosophisch-humanwissenschaftliche und Naturwissen-schaftliche Fakultät Beteiligte Gruppen: 13 Forschungsgruppen aus der Neurologie, Psychologie, Physiologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Pneumologie, Infektiologie und Informatik. Web: https://www.sleep.unibe.ch/ |
Den Schlaf entschlüsseln: Bedeutung für die Gesundheit und Lebensqualität
Schlaf blieb im Lauf der Evolution nahezu unverändert erhalten, was auf dessen fundamentale Bedeutung für das Überleben hinweist. Die Schlafforschung deutet bei Mensch und Tier darauf hin, dass Schlaf sowohl dem Sparen von Energie dient, als auch Erholungs- und Reparaturprozessen im Gehirn und in diversen Organen. Zudem konnte bei Mechanismen, die mit Schlaf in Verbindung stehen, nachgewiesen werden, dass diese die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu regenerieren und neu zu strukturieren, die Reifung des Gehirns sowie die Kognition fördern. Die Forschungskooperation möchte mittels den drei Bereichen «Brain – Mind – Body» ein besseres Verständnis der Mechanismen von Schlaf, Bewusstsein und Kognition erreichen. Schliesslich können Schlaf-Wach-Störungen erste Anzeichen von Erkrankungen sein – wie Parkinson und Demenz oder Depression. Dafür werden molekuare und neurophysiologische Prozesse von Schlaf und Schlafstörungen und deren Zusammenhang mit Hirnschaden, Schmerz und Infektionen untersucht. Zusätzlich sollen mithilfe des Schlafs neue Einsichten zu kognitiven und neuroplastischen Prozessen gewonnen werden. Dazu wird die Bedeutung von Schlaf für die mentale Gesundheit, für Gehirnfunktionen und für körperliche Leistung in gesundem und krankem Zustand bei Tier und Mensch untersucht. Aus den «Big Data» der einzelnen Projektgruppen sollen neue Modellrechnungen von Schlafphasen entwickelt werden – mit dem Ziel, neue Biomarker für Schlaf und Schlafstörungen zu bestimmen. Die IFK kann dafür auf das national vernetzte «Bern Network for Epilepsy, Sleep and Consciousness (BENESCO)», auf international etablierte Netzwerke als auch auf hochspezialisierte Infrastrukturen wie das «Schlaf-Wach-Epilepsie Zentrum Bern (SWEZ)», das «Zentrum für Experimentelle Neurologie» (ZEN) oder das «Swiss Institute for Translational and Entrepreneurial Medicine» (sitem-insel AG) zurückgreifen. Durch ihre Schwerpunkte auf personalisierter Medizin sowie biomedizinischer Technologie trägt sie zur Stärkung des Medizinalstandorts Bern bei.
02.11.2020