Waldbrände schaffen Lebensraum für Tiere und Pflanzen
Im Hitzesommer 2003 brannte der Wald bei Leuk im Wallis. Seit dem katastrophalen Brand hat die Natur die verheerte Fläche zurückerobert und bietet zahlreichen bedrohten Tier- und Pflanzenarten einen einzigartigen Lebensraum, wie eine kürzlich erschienene Studie der Vogelwarte Sempach und der Universität Bern zeigt.
Die Narben der gewaltigen Feuersbrunst, die im Hitzesommer 2003 rund 300 Hektaren Bergwald bei Leuk im Wallis zerstört hat, sind immer noch sichtbar. Die Natur jedoch hat die Fläche längst wieder zurückgewonnen.
Waldbrände schaffen neue Lebensräume
Und nicht nur das: Die Waldbrandfläche entwickelte sich zu einem Hotspot für bedrohte Pflanzen, Insekten und Vögel. Bereits wenige Jahre nach dem Brand erreichte beispielsweise der seltene Gartenrotschwanz die schweizweit höchste Siedlungsdichte. «Es ist erstaunlich, wie schnell die Natur in die Waldbrandfläche zurückkehrte und an Vielfalt bald die benachbarten Wälder übertraf», so Livio Rey. Er hat an der Universität Bern in Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach eine Studie über die Vögel in der Waldbrandfläche bei Leuk durchgeführt, deren Ergebnisse kürzlich publiziert wurden. «Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass schweizweit bedrohte Vogelarten im Waldbrandgebiet deutlich häufiger vorkamen als in den nicht abgebrannten Wäldern gleich nebenan», erklärt Rey. Dieses Resultat mag zunächst überraschen, gelten doch Feuer, wie Stürme oder Überschwemmungen auch, als Katastrophen. Das sind sie allerdings vor allem für den Menschen. Für viele Tier- und Pflanzenarten schaffen solche «dynamische Prozesse» neue, heutzutage seltene Lebensräume welche optimale Lebensbedingungen bieten.
Feuer als kontrollierte und lokale Naturschutzmassnahme
Diese dynamischen Prozesse führen dazu, dass in einem Lebensraum die dominanten Arten zurückgedrängt werden. So schaffen sie Platz für konkurrenzschwächere Arten, die auf die Neubesiedlung dieser verheerten Pionierflächen spezialisiert sind. Weil in der Schweiz die dynamischen Prozesse oft unterbunden werden, sind die konkurrenzschwächeren Arten zunehmend selten und bedroht. Diese Vögel profitieren insbesondere von den neu entstandenen offenen Bodenstellen, wo sie Insekten zur Nahrungsaufnahme leicht erbeuten können.
Feuer könnten also durchaus eine kontrollierte und lokale Naturschutzmassnahme sein. «Aber es ist sehr schwer, einen Wald abzubrennen und sicherzustellen, dass der Brand nicht ausser Kontrolle gerät und Menschen gefährdet», gibt Rey zu bedenken. Bevor grundlegende Fragen zu Sicherheit und menschlichen Interessen nicht geklärt sind, wird das grosse Naturschutzpotenzial, das Feuer bieten, leider nicht genutzt werden können.
PublikationRey L, Kéry M, Sierro A, Posse B, Arlettaz R, Jacot A (2019) Effects of forest wildfire on inner-Alpine bird community dynamics. PLOS ONE 14(4): e0214644. |
Quelle: Schweizerische Vogelwarte
19.06.2019