Stellungnahme von swissuniversities zur «Tierversuchsverbots-Initiative»

Am 18. März 2019 soll die eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. In der Stellungnahme lehnt swissuniversities, die Rektorenkonferenz der Schweizerischen Hochschulen, diese Initiative ab, da sie extrem und schädlich sei. Zugleich setzt sich swissuniversities aktiv für einen rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren und Menschen bei In-vivo-Versuchen ein.

Die ganze Stellungnahme im Wortlaut:

swissuniversities warnt vor der Initiative für ein Tier- und Menschenversuchsverbot.

Die Initiative gefährdet Fortschritt, Innovation und Bildung in den Life Sciences und Biotechnologien in der Schweiz.

Die eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt», die am 18. März 2019 bei der Bundeskanzlei eingereicht werden soll, will jegliche Versuche an Tieren und Menschen sowie die Einfuhr von Produkten wie Medikamenten verbieten, für die Tier- und/oder Menschenversuche durchgeführt wurden. Zudem verlangt die Initiative, Tierversuche in der Bundesverfassung als Tierquälerei und damit als Verbrechen zu verankern. Die Initiative vertritt eine extreme Haltung, die nicht nur die Forschung gefährden würde. Sie würde auch verhindern, dass Menschen und Tiere in der Schweiz von künftigen medizinischen Fortschritten profitieren können.

Die Verwendung von Tiermodellen und klinischen Studien ist heute notwendig, um Grundlagenwissen zu erwerben und neue Medizinprodukte und -verfahren zu entwickeln. Dabei besteht das Ziel stets darin, die Lebensbedingungen zu verbessern und Leben zu retten.

Zur Klärung von wissenschaftlichen Fragen stützen sich Forschende auf verschiedene Arten von Modellen: in silico (Computermodelle), in vitro und in vivo. Für ihre Arbeit wählen sie jeweils das zweckmässigste Modell oder die zweckmässigste Kombination von Modellen. Tierversuche werden nicht als eigenes Projekt durchgeführt, sondern sind Teil eines Forschungsprotokolls. Aus ethischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen werden nach Möglichkeit In-silico- und In-vitro-Modelle verwendet. Unter anderem in der Onkologie, der Neurorehabilitation und der Immunologie, ist der Einsatz von Tiermodellen weiterhin notwendig. Ohne Tierversuche wäre beispielsweise die Entwicklung von Insulin und Penicillin nicht möglich gewesen, oder auch der Methoden zur Organtransplantation, mit denen Tag für Tag Leben gerettet werden.

Im Bereich Innovation und Entwicklung belegt die Schweiz gegenwärtig einen Spitzenplatz. Es ist illusorisch anzunehmen, dass wir in den Life Sciences und Biotechnologien weiterhin Fortschritte erzielen und unser Wissen ausbauen können, wenn wir auf Versuche an Tieren und Menschen, insbesondere auf klinische Studien, verzichten müssten. Ein Verbot in der Schweiz hätte negative Folgen für die Hochschulen und Universitätsspitäler. Es würde zu einem Verlust von Know-how in der hochspezialisierten Aus- und Weiterbildung in unserem Land führen und unsere Innovationsfähigkeit einschränken, die ihrerseits auf einer hochstehenden Grundlagenforschung beruht. Denn diese Bereiche müssen manchmal auf Tiermodelle und klinische Studien zurückgreifen.

Zudem fordert die Initiative das Importverbot von neuen Produkten, für die direkt oder indirekt Tier- oder Menschenversuche durchgeführt wurden. Dieses Verbot würde die Human- und Tiermedizin massiv beeinträchtigen. Neue Behandlungsmethoden, die dank wissenschaftlichem und medizinischem Fortschritt entwickelt werden, wären nicht mehr verfügbar. Diese Therapien könnten weder für die Schweizer Bevölkerung noch für Haus-, Nutz- oder andere Tiere genutzt werden.

Die Tierversuchsgesetzgebung der Schweiz gehört zu den strengsten der Welt. Die heutigen gesetzlichen Grundlagen gewährleisten eine ethisch vertretbare Forschung. Das Tierschutzgesetz (TSchG) bezweckt, «die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen». Es verlangt namentlich, die durch Versuche verursachten Schmerzen so weit als möglich einzudämmen, vor allem durch den Einsatz geeigneter Anästhesie- und Analgesiemethoden. Jeder Versuch, der Tiere einbezieht, muss von der kantonalen Veterinärbehörde bewilligt werden. Diese arbeitet mit der kantonalen Kommission für Tierversuche zusammen, der sowohl Fachpersonen als auch Vertreterinnen und Vertreter des Tierschutzes angehören. Seit der Änderung der Tierschutzverordnung per 1. März 2018 müssen die Institute und Laboratorien nicht nur eine Leiterin oder einen Leiter für den Tierversuchsbereich sowie eine Versuchsleiterin oder einen Versuchsleiter ernennen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der guten Wissenschaftspraxis sicherstellen: Sie müssen zusätzlich eine Tierschutzbeauftragte oder einen Tierschutzbeauftragten bestimmen, die oder der die Forschenden namentlich im Verfahren für die Beantragung von Versuchsbewilligungen unterstützt. Hinsichtlich der Versuche an Menschen soll das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen (HFG) «Würde, Persönlichkeit und Gesundheit des Menschen in der Forschung schützen». Es gewährleistet insbesondere, dass die Interessen des Menschen gegenüber den Interessen der Wissenschaft und der Gesellschaft Vorrang haben, und berücksichtigt damit die ethischen Grundsätze der Erklärung von Helsinki (Die Erklärung von Helsinki, die vom Weltärztebund (WMA) erarbeitet wurde, beinhaltet die ethischen Grundsätze, die für die medizinische Forschung am Menschen gelten). Durch regelmässige Aktualisierungen der Verordnungen und Richtlinien lässt sich sicherstellen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen den technologischen Fortschritten und den ethischen Anliegen der Schweizer Bevölkerung entsprechen.

Bei Tierversuchen sind Forschende moralisch und rechtlich verpflichtet, das 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine) anzuwenden. Dieser Grundsatz verlangt, dass Tierversuche nur dann bewilligt werden, wenn keine Alternative besteht, dass ihre Zahl auf das notwendige Minimum beschränkt wird und dass die Versuchsmethoden und Haltungsbedingungen möglichst wenig belastend sind. Um die Umsetzung dieser Grundsätze zu fördern und zu erleichtern, wurde in der Schweiz bereits vor über 25 Jahren die Stiftung Forschung 3R gegründet. Unterdessen wurde sie vom 3R-Kompetenzzentrum Schweiz (3RCC) abgelöst, das im März 2018 unter der Federführung von swissuniversities geschaffen wurde, um eine bessere Koordination unter allen Institutionen zu ermöglichen, die Tierversuche durchführen. Dieses Kompetenzzentrum ist das Ergebnis gemeinsamer Überlegungen der Hochschulen, der Industrie, der Behörden und von Tierschutzorganisationen. In der Schweiz werden somit erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Würde und das Wohl der Tiere, insbesondere der Versuchstiere, zu wahren. Zudem setzt sich die wissenschaftliche Gemeinschaft für die laufende Evaluation und Verbesserung ihrer Praxis ein.

Aufgrund der oben dargelegten Argumente lehnt swissuniversities diese Initiative ab, die extrem und schädlich ist. Zugleich setzt sich swissuniversities aktiv für einen rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren und Menschen bei In-vivo-Versuchen ein.

Quelle: swissuniversities

18.03.2019