«Gesteinsplanet vor Gebrauch bitte trocknen»

Die feste Oberfläche und das ausgeglichene Klima verdankt die Erde wohl zumindest teilweise einem massereichen Stern in der Nähe der Sonne, als diese geboren wurde. Wären die radioaktiven Elemente dieses in einer Supernova sterbenden Sterns nicht ins frühe Sonnensystem eingespeist worden, wäre unser Heimatplanet eine lebensfeindliche Ozeanwelt, bedeckt mit einem globalen Eisschild. Dies belegen Computersimulationen, an denen der Nationale Forschungsschwerpunkt PlanetS, der an der Universität Bern angesiedelt ist, beteiligt war.

Zwar sind mehr als zwei Drittel der Erde von Ozeanen bedeckt, doch astronomisch betrachtet sind die inneren Planeten unseres Sonnensystems ziemlich trocken – zum Glück, weil zu viel des Guten mehr Schaden anrichten als nutzen kann. Ist der Wasseranteil eines Gesteinsplaneten nämlich bedeutend grösser als auf der Erde, so wird sein fester Mantel von einem tiefen, globalen Ozean und einer undurchdringlichen Eisschicht am Meeresboden bedeckt. Dies verhindert geochemische Zyklen wie den Kohlenstoffkreislauf auf der Erde, die das Klima stabilisieren und Bedingungen schaffen für Leben, wie wir es kennen. «Hatten wir also ausserordentlich viel Glück, oder gibt es systematische Effekte, die Planetensysteme wie unseres von anderen unterscheiden?» fragte sich Tim Lichtenberg, als er an den Instituten für Astronomie und Geophysik der ETH Zürich seine Doktorarbeit in Angriff nahm.

Mit Computermodellen simulierte er nun zusammen mit Kollegen der Universitäten Bern, Bayreuth und Michigan die Entstehung von Planeten aus deren Bausteinen, den sogenannten Planetesimalen – Brocken aus Stein und Eis mit einem Durchmesser von wahrscheinlich ein paar Dutzend Kilometern. Diese Planetesimale bilden sich bei der Geburt eines Planetensystems in einer Staub- und Gasscheibe um den Stern und wachsen zu Planetenembryos heran. «Man geht zurzeit davon aus, dass die Erde den grössten Teil ihres Wassers von diesen teils wasserreichen Planetesimalen geerbt hat», erklärt Lichtenberg, der heute als Postdoc an der Universität Oxford arbeitet. «Aber wenn ein terrestrischer Gesteinsplanet viel Material von jenseits der sogenannten Schneegrenze sammelt, erhält er viel zu viel Wasser.» Werden diese Planetesimale allerdings von innen aufgeheizt, so verdampft ein Teil des ursprünglichen Wassereises und entweicht ins Weltall, bevor es an den Planeten abgegeben werden kann.

Radioaktive Heizung

Genau dies könnte kurz nach der Geburt unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren geschehen sein und immer noch an vielen anderen Orten in der Milchstrasse passieren, wie man aufgrund von urzeitlichen Spuren in Meteoriten vermutet. Als sich die Proto-Sonne bildete, ereignete sich in der kosmischen Nachbarschaft eine Supernova. In diesem explodierenden Stern wurden radioaktive Elemente einschliesslich Aluminium-26 (Al-26) gebildet und in unser junges Sonnensystem injiziert, entweder durch heftige Sternwinde oder den Supernova-Ausstoss des sterbenden, massereichen Sterns. Der Zerfall von Al-26 heizte dann die Planetesimale von innen auf und trocknete sie aus. In ihren Computermodellen konnten die Forscher nun zeigen: Kommt Al-26 bei der Geburt eines Planetensystems in Mengen vor wie bei unserem oder noch häufiger, so werden die Planetesimale durch diese Heizung systematisch dehydriert, bevor sie in Planetenembryos eingebaut werden.

«Mit dem sogenannten Berner Modell der Planetenentstehung und -evolution haben wir dann untersucht, was für Planeten aus den unterschiedlichen Planetesimalen gebildet werden», erklärt Christoph Mordasini, Professor an der Universität Bern. Dabei simulierten die Forschenden die Entstehung von Tausenden von Planeten und untersuchten insbesondere, wie viel Wasser sich schlussendlich in den Planeten befand. «Die Ergebnisse unserer Simulationen deuten darauf hin, dass es zwei qualitativ unterschiedliche Arten von Planetensystemen gibt», fasst Lichtenberg zusammen: «auf der einen Seite solche ähnlich wie das Sonnensystem, deren Planeten nur wenig Wasser aufweisen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, in denen in erster Linie Ozeanwelten entstehen, weil bei der Bildung kein massereicher Stern in der Nähe, und damit kein Al-26 vorhanden, war. Die Anwesenheit von Al-26 während der Bildung der Planetesimale kann für einen Unterschied in der Anreicherung mit Wasser von einer Grössenordnung zwischen diesen beiden Arten von Planetensystemen sorgen.»

Weitere Fragen bleiben offen. So wird man zum Beispiel untersuchen müssen, wie die Austrocknung durch Al-26 mit dem Wachstum von Riesenplaneten, wie Proto-Jupiter im frühen Sonnensystem, zusammenspielt. Die quantitativen Vorhersagen aus dieser Arbeit können künftigen Weltraumteleskopen auf der Jagd nach extrasolaren Planeten dabei helfen, mögliche Spuren und Unterschiede in der Planetenzusammensetzung zu finden und die vorhergesagten Auswirkungen des Al-26-Dehydrierungsmechanismus zu verfeinern. Deshalb warten die Forscher gespannt auf bald startende Raumfahrtmissionen, mit denen erdgrosse Exoplaneten ausserhalb unseres Sonnensystems untersucht werden können. Diese werden die Menschheit der Antwort auf die Frage näher bringen, ob unser Heimatplanet einzigartig ist, oder ob es praktisch unendlich viele Welten wie unsere eigene gibt.

Publikationsdetails:

T. Lichtenberg, G. Golabek, R. Burn, M. R. Meyer, Y. Alibert, T. V. Gerya and C. Mordasini: “A water budget dichotomy of rocky protoplanets from 26Al-heating”, Nature Astronomy Letters, 11. Februar 2019, DOI: 10.1038/s41550-018-0688-5
https://www.nature.com/articles/s41550-018-0688-5

Quelle: NCCR PlanetS

12.02.2019