«Top of Europe» – auch bei Treibhausgasmessungen

Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch gehört nicht nur durch ihren einzigartigen Standort zur Spitze von Europa. Im Rahmen der europäischen Forschungsinfrastruktur «Integrated Carbon Observation System» (ICOS) ist das Labor inmitten der Alpen nun offiziell zertifiziert. ICOS liefert Daten zum besseren Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs und dessen Beeinflussung durch menschliche Aktivitäten. Dahinter steht ein Messnetz von Stationen, die strenge Qualitätskriterien erfüllen müssen. Messungen im Rahmen von ICOS werden auf dem Jungfraujoch auch von der Universität Bern durchgeführt.

Treibhausgasemissionen stellen eine Bedrohung dar, die nach einer globalen Lösung verlangen. Ein Netzwerk von Messstationen aus ganz Europa beobachtet und analysiert die räumliche Verteilung und Trends in unserer Atmosphäre, den Ökosystemen und den Ozeanen und liefert wertvolle Daten zur Entwicklung der weltweiten Emissionen. Die Messung der Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre und des Austauschs dieser Gase zwischen Atmosphäre, Biosphäre und den Ozeanen ist wesentlich, um den Klimawandel zu verstehen und mögliche Konsequenzen voraussagen zu können.

Ein erlauchter Club

Allerdings bestanden bis vor kurzem keine hinreichend strengen Richtlinien, um hochpräzise, vergleichbare Daten liefern zu können. Daher wurde im November 2015 das «Integrated Carbon Observation System» (ICOS) lanciert. Die Aufnahme der biosphärischen, ozeanischen und atmosphärischen Messstationen in dieses Netzwerk ist an strenge Kriterien geknüpft, die sicherstellen, dass die Daten höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Im letzten November wurden die ersten sieben Messstationen aufgenommen – und seit heute gehört das höchstgelegene Labor der Schweiz auf dem Jungfraujoch ebenfalls zu diesem erlauchten Kreis.

Um die Zertifizierung zu erlangen, müssen die Stationen anspruchsvollen internationalen Standards bezüglich der Instrumentierung, der Kalibration und der Datenprozessierung entsprechen; zudem muss eine lückenlose Transparenz der gesamten Datenkette gewährleistet werden. «Die aus ganz Europa gesammelten Informationen über Treibhausgase sind für die nationalen Regierungen unerlässlich, um ihre Minderungsmassnahmen zu verbessern», so ICOS-Generaldirektor Werner Kutsch. Auch für zwischenstaatliche Organisationen seien diese Daten relevant, um fundierte Entscheidungen treffen zu können und um die Anforderungen internationaler Abkommen wie demjenigen von Paris zu erfüllen.

Hoch hinaus

Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch misst im Rahmen von ICOS unter anderem Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Lachgas (N2O) und Kohlenmonoxid (CO). Mit ihrer Lage auf 3500 Metern über dem Meeresspiegel befindet sie sich vorwiegend in der so genannten freien Troposphäre. Messungen in dieser Höhe liefern Schlüsselinformationen bei der Quantifizierung von Emissionsstärken in belasteten Umgebungen.

Zudem gelangen ab und an verschmutzte Luftmassen aus tieferen Regionen zur Messstation auf dem Jungfraujoch. Die Analyse dieser Episoden erlaubt es, verschiedene Quellen von Treibhausgasen in Mitteleuropa zu identifizieren und zu quantifizieren. «Obwohl wir schon viele Jahre Treibhausgasmessungen auf dem Jungfraujoch machen, gelang es uns dank ICOS die Qualität unserer Daten nochmals zu verbessern», erklärt der Empa-Forscher Martin Steinbacher aus der Abteilung «Luftfremdstoffe / Umwelttechnik». «Nebst der internationalen Zusammenarbeit ist zur Erreichung dieser einzigartigen Datendichte und -qualität auch die Kooperation mit vielen nationalen Partnern zentral.» Messungen im Rahmen von ICOS werden auf dem Jungfraujoch auch von der Universität Bern, der Universität Basel und von MeteoSchweiz durchgeführt. Betrieben wird das Forschungslabor von der Internationalen Stiftung Hochalpine Forschungsstationen Jungfraujoch und Gornergrat (HFSJG).

Über ICOS

ICOS ist eine gesamteuropäische Forschungsinfrastruktur, die harmonisierte und hochpräzise wissenschaftliche Daten zum Kohlenstoffkreislauf, zum Treibhausgashaushalt und anthropogenen Veränderungen liefert. ICOS-Daten sind im «Carbon Portal», einem One-Stop-Shop für alle ICOS-Datenprodukte, offen zugänglich. Die ICOS-Forschungsinfrastruktur wird vom «ICOS European Research Infrastructure Consortium» (ERIC) koordiniert und geleitet. ICOS ERIC wurde durch Beschluss der Europäischen Kommission im November 2015 mit Sitz in Finnland gegründet. Derzeit sind zwölf europäische Länder an ICOS beteiligt. ICOS ist eine von 13 zentralen gesamteuropäischen Forschungsinfrastrukturen. 

Das Netzwerk ICOS in der Schweiz besteht aus Partnern der ETH Zürich, Empa, WSL, Universität Bern, Universität Basel und MeteoSchweiz. ICOS Schweiz trägt zwei Messstationen – die  atmosphärische Station auf dem Jungfraujoch und die Ökosystem-Station in Davos – zur europäischen Forschungsinfrastruktur ICOS bei. ICOS Schweiz wird unterstützt durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF), die Empa, die ETH Zürich, die WSL, die Universitäten Bern und Basel und das Bundesamt für Umwelt (BAFU).

 

Forschung der Universität Bern

Innerhalb des ICOS Projekts untersucht die Abteilung der Klima- und Umweltphysik den Kohlenstoffkreislauf mittels kombinierter CO2- und O2-Messungen. Dies geschieht einerseits mit kontinuierlichen Messungen auf dem Jungfraujoch und durch wöchentliche Probennahmen, welche dann im Labor in Bern analysiert werden. Die Messungen werden von der Gruppe von Prof. Dr. Markus Leuenberger (Mitglied des Oeschger Centers für Klimaforschung) durchgeführt. Zudem betreibt Dr. Rolf Bütikofer vom Physikalischen Institut, Abteilung Weltraumforschung und Planetologie, zwei Neutronen-Detektoren als Teil eines weltweiten Netzes von normierten Detektoren, um Prozesse auf der Sonne und den Transport von kosmischen Teilchen in Erdnähe besser zu verstehen. Von Interesse ist hier vor allem der Einfluss der Strahlendosis dieser Teilchen auf Flughöhe, der dort rund hundertmal stärker ist als auf der Erde.

 

Quelle: Medienmitteilung EMPA, 31.05.2018, https://www.empa.ch/web/s604/icos 

31.05.2018