Erster Durchgang des Studiengangs zu religiöser Begleitung im Migrationskontext abgeschlossen
Zum ersten Mal in der Schweiz haben Angehörige verschiedener Religionen gemeinsam einen Studiengang im Bereich religiös-existenzielle Begleitung an der Theologischen Fakultät der Universität Bern besucht. Unter den Teilnehmenden des CAS «Religious Care in Migration Contexts» befanden sich drei Muslima, fünf Muslime (darunter drei Imame), ein Hindupriester und zwei Christen (darunter ein reformierter Pfarrer).
Seelsorge in Institutionen wie Asylzentren oder Gefängnissen wird in der Schweiz primär durch die grossen Landeskirchen wahrgenommen. Laut Isabelle Noth, Präsidentin des CAS «Religious Care in Migration Contexts», widerspiegelt diese Situation jedoch in keiner Weise die demografische Zusammensetzung. «Auch wenn sich christliche Seelsorge allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Religion zuwendet, so ist es im Sinne der Freiheit der Religionsausübung wünschenswert, wenn auch qualifizierte Angehörige anderer Religionen Betreuungsfunktionen in Institutionen übernehmen», betont Isabelle Noth. Deshalb hat die Theologische Fakultät der Universität Bern im Rahmen eines Pilotprojekts zum ersten Mal eine gemeinsame berufsbegleitende Weiterbildung für Angehörige verschiedener Religionen im Bereich Seelsorgedienst im Migrationskontext durchgeführt.
Zugang zu professioneller Qualifikation in religiöser Begleitung
Der Studiengang «CAS Religious Care im Migrationskontext» vermittelt Kompetenzen, um die Absolventinnen und Absolventen fachlich und praktisch-methodisch für den Einsatz in Institutionen wie insbesondere Asylzentren zu befähigen. Er öffnet zum ersten Mal den Zugang für nicht-christliche Religionsgemeinschaften zu professionellen Qualifikationen im Bereich religiöser Betreuung und Begleitung. Der Studiengang richtet sich an Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften, die mit religiösen Begleitungsaufgaben betraut sind oder betraut sein werden und die sich mit Theorie und Praxis religiös-existenzieller Betreuung von Menschen im Asylwesen und im Migrationskontext beschäftigen wollen. Um die persönliche Befähigung vorgängig sorgfältig abzuklären, wurde gemeinsam mit Hansjörg Znoj vom Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, ein wissenschaftliches Assessment mit allen Teilnehmenden des CAS durchgeführt.
Der Studiengang beinhaltet eine Übersicht über die aktuellen migrationspolitischen Themen und die religionspsychologischen, interreligiös-seelsorglichen, ethischen und psychotherapeutischen Erkenntnisse über gelebte Religiosität im Migrationskontext. Er bietet eine Einführung in die psychologisch fundierte Gesprächsführung und in seelsorgliche Grundhaltungen und trägt so dazu bei, dass die Teilnehmenden ihre persönlichen und beruflichen Kompetenzen verstärken und erweitern. Spezifische Seelsorgetrainings und Einzel- wie Gruppensupervisionen dienen der Einübung und Reflexion des Gelernten.
Der Studiengang verfügt über einen eigenen Schwerpunkt zu geschlechts- und altersspezifischen Fragen. Dies unter anderem weil Frauen und Kinder auf der Flucht in besonderer Weise äusserst belastenden traumatischen Erlebnissen ausgesetzt sind. Ausserdem ist der Zugang zu lokalen Moscheegemeinden für muslimische Frauen und unbegleitete Minderjährige erschwert – sie sind also verstärkt auf eine religiöse Begleitung direkt in den Asylzentren angewiesen.
Multi- und interreligiöse statt monoreligiöse Seelsorge
«Gelebte Religiosität kann insbesondere in kritischen Lebenssituationen eine entlastende und stabilisierende Wirkung entfalten – sei dies in einem Kontext von Flucht, Trauma, beim Aufenthalt in einem Asylzentrum oder Gefängnis», sagt Isabelle Noth. Gleichzeitig sei ausgerechnet in solchen Situationen auch die Gefährdung durch mögliche destruktive Aspekte von Religiosität wie Fundamentalismus oder Extremismus erhöht. «Religiöses Betreuungspersonal muss in der Lage sein, genau in diesem Spannungsfeld mit Rücksicht auf die institutionellen, rechtlichen und kulturellen Kontexte und die spezifische psychische Verfassung von Einzelpersonen angemessen zu handeln», betont Isabelle Noth.
Seelsorgende in den Institutionen bilden unabhängig von ihrer Religion und ihrem Geschlecht Teams und arbeiten zusammen. «Es ist wünschenswert, dass sie in Zukunft auch die spezifischen Aus- und Weiterbildungen in Seelsorge gemeinsam absolvieren», so Isabelle Noth. Eine multireligiöse Lerngruppe garantiere auch, dass beispielsweise patriarchale Strukturen angesprochen und islamische Seelsorgerinnen ernst genommen würden oder dass sich christliche Seelsorgende auf andere spirituell-kulturelle Hintergründe auf Augenhöhe einlassen. «Dadurch wird der interreligiöse Dialog und der Religionsfrieden in der Schweiz gestärkt», betont Noth.
Es ist geplant, den Studiengang CAS «Religious Care in Migration Contexts» im Frühlingssemester 2019 zum zweiten Mal durchzuführen.
CAS Religious Care in Migration ContextsZum ersten Mal in der Schweiz haben Angehörige verschiedener Religionen gemeinsam einen Studiengang an der Theologischen Fakultät der Universität Bern im Bereich religiös-existentielle Begleitung besucht. Die Absolventinnen und Absolventen setzen sich folgendermassen zusammen: 3 Muslima, 5 Muslime (darunter 3 Imame), 1 Hindupriester und 2 Christen (darunter 1 reformierter Pfarrer). |
28.05.2018