Noch keine Spur von dunkler Materie
Auf der Suche nach der dunklen Materie, die einen grossen Anteil unseres Universums ausmacht, sind sogenannte Axionen vielversprechend. Axionen sind hypothetische Elementarteilchen, aus denen die dunkle Materie bestehen könnte. An einem internationalen Präzisionsexperiment mit Berner Beteiligung konnten sie nun aber nicht nachgewiesen werden. Die Erkenntnisse leisten einen wichtigen Beitrag zur Suche nach der dunklen Materie.
Die Sterne und Galaxien des Universums beeinflussen durch ihre Anziehungskräfte gegenseitig ihre Bewegungen. Doch die Kräfte der sichtbaren Himmelskörper reichen bei weitem nicht aus, um zu erklären, warum sich die Galaxien so bewegen, wie sie es tun. Daher postulieren Forschende die Existenz von dunkler Materie, deren Masse etwa fünfmal grösser ist als die unserer bekannten Materie. Woraus diese dunkle Materie besteht, ist bisher völlig unklar. Sicher ist, dass sie nicht aus denselben Teilchen aufgebaut ist, aus denen die Sterne, die Erde oder wir selbst bestehen. Forschende haben inzwischen zahlreiche Modelle über die Natur dieser dunklen Materie entwickelt. Eine vielversprechende Möglichkeit ist, dass sie aus sogenannten Axionen besteht. Dabei handelt es sich um bisher hypothetische Teilchen, deren Existenz bisher unverstandene Phänomene der Teilchenphysik erklären könnte. Sollten die Axionen existieren, so würden sie sich unter bestimmten Bedingungen in einem Präzisionsexperiment am Paul Scherrer Institut (PSI) beobachten lassen – genauer genommen an der Ultrakalten Neutronenquelle UCN, einer der Grossforschungsanlagen des Instituts. Die Messungen und Analysen, an denen auch Florian Piegsa vom Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC) der Universität Bern beteiligt war, haben nun aber ergeben, dass sich bestimmte Axionen nicht nachweisen liessen. Damit ist ihre Existenz zwar noch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber der Spielraum an Eigenschaften, die diese Teilchen haben könnten, ist nun deutlich eingeschränkt. Die Experimente grenzen somit die Suche nach dunkler Materie weiter ein. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Physical Review X» publiziert.
Wechselwirkung von Axionen mit Neutronen untersucht
Im Zentrum der Experimente stand eine mögliche Wechselwirkung von Axionen mit Neutronen – elektrisch neutralen Teilchen, die mit Protonen Bestandteil der meisten Atomkerne und somit aller uns vertrauten Materie sind. Dafür wurden Daten aus dem internationalen nEDM-Projekt («Neutron electric dipole moment») verwendet, in dem Forschende aus sieben Ländern vor allem die Eigenschaften von Neutronen untersuchen. Insbesondere wollen sie deren sogenanntes elektrisches Dipolmoment bestimmen. Denn das Neutron hat zwar insgesamt keine elektrische Ladung, es könnte aber ein elektrisches Dipolmoment haben. Die Existenz eines solchen statischen elektrischen Dipolmoments ist mit vielen aktuellen Fragestellungen der modernen Physik verknüpft. In den Messdaten, die für diese Untersuchungen aufgenommen worden sind, könnte sich aber auch die Präsenz der Axionen manifestieren. Dies liegt daran, dass diese nicht nur über die Gravitation mit anderer Materie wechselwirken; sie könnten zum Beispiel auch an die Gluonen koppeln, die «Klebeteilchen», die gewissermassen das Neutron im Inneren zusammenhalten. Damit könnte die Wechselwirkung mit einem Axion ein elektrisches Dipolmoment verursachen. «Sehr salopp gesagt würde eine solche Wechselwirkung die Form des Neutrons verändern, und damit die Verteilung der elektrischen Ladung in seinem Innern», sagt Florian Piegsa.
Bisher präziseste Messungen
In den Messdaten des nEDM-Experiments am PSI hat sich eine solche Oszillation bislang nicht nachweisen lassen, ebenso wenig in den Daten eines Vorgängerexperiments an der Neutronenquelle ILL in Grenoble, die im Rahmen dieses Projekts ebenfalls neu ausgewertet wurden. Diese beiden Experimente sind die ersten, in denen Forschende die Kopplung von Axionen an Gluonen direkt im Labor untersucht haben. Die bisherigen Erkenntnisse über solche Kopplungen konnten nur indirekt aus astrophysikalischen Beobachtungen und kosmologischen Modellen gewonnen werden. Die Labormessungen verbessern die Genauigkeit dieser Ergebnisse um bis zu einen Faktor 1000 und führen dazu, dass man die Existenz von Axionen mit bestimmten Eigenschaften zuverlässig ausschliessen kann. «Dass wir keine Entdeckung gemacht haben, bringt uns neue Einsichten», sagt Piegsa. «Die Ergebnisse dienen dazu, die weitere Suche nach dunkler Materie einzugrenzen.»
Florian Piegsa ist Professor für Experimentelle Teilchenphysik am Albert Einstein Center (AEC) und Laboratorium für Hochenergiephysik (LHEP) der Universität Bern. 2016 erhielt er für seine Forschung an Neutronen einen der renommierten ERC Starting Grants des Europäischen Forschungsrats.
Quelle: Paul Scherrer Institut PSI / Redaktion durch Corporate Communication, Universität Bern
Publikationsdetails:C. Abel et al.: Search for axionlike dark matter through nuclear spin precession in electric and magnetic fields. Physical Review X 7, 041034 (2017). doi: 10.1103/PhysRevX.7.041034 |
15.11.2017