Gene und soziale Signale beeinflussen Schwangerschaften bei Pferden

Der weibliche Organismus entscheidet, ob er eine Trächtigkeit respektive Schwangerschaft aufrechterhält oder nicht. Dies tut er nicht nur mittels Partnerwahl, sondern auch noch nach der Befruchtung. Die Signale hierzu hängen mit dem sogenannten Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) des Partners zusammen. Dies haben die Universitäten Bern, Lausanne und Hannover sowie das Schweizer Nationalgestüt von Agroscope in einer Studie zur Fruchtbarkeit bei Pferden herausgefunden.

Sehr viele Trächtigkeiten respektive Schwangerschaften enden mit einem Spontan-Abort, vor allem im Zeitraum zwischen Befruchtung der Eizelle und dem Erkennen einer Schwangerschaft. Beim Menschen reichen die Schätzungen von etwa 20 bis 70% der befruchteten Eizellen und frühen Embryonen, die in dieser Zeit spontan zu Grunde gehen. Natürlich sind genetische Probleme des frühen Embryos oder gesundheitliche Probleme der Mutter wahrscheinliche Erklärungen für viele diese Verluste. Es wäre aber auch möglich, dass der mütterliche Organismus je nach sozialer Situation eine Trächtigkeit zulässt oder nicht. Eine Hypothese wäre dann zum Beispiel, dass Embryonen von bevorzugten Vätern eher vom mütterlichen Organismus angenommen werden als Embryonen von nicht bevorzugten Vätern.

Es ist nicht leicht vorauszusagen, welcher männliche Partner vom weiblichen Organismus als «bevorzugter Vater» wahrgenommen wird. Das Forschungsteam hat sich deshalb auf die sogenannten «MHC»-Gene konzentriert (MHC = Haupthistokompatibilitätskomplex). Diese Gene spielen einerseits eine wichtige Rolle im Immunsystem und können andererseits Körpergerüche von Wirbeltieren beeinflussen. In verschiedenen experimentellen Studien an Menschen, Mäusen, Pferden und anderen Wirbeltieren zeigte sich, dass Körpergerüche von MHC-unähnlichen Typen generell bevorzugt werden. Diese Geruchsvorlieben scheinen eine bunte Mischung von MHC-Genen in der Nachkommenschaft anzustreben.

Tatsächlich findet sich  in menschlichen Populationen eine überzufällig hohe Durchmischung von MHC-Genen. Wenn MHC-Gene nicht nur die Partnerwahl, sondern auch die Fertilität beeinflussen, kann ausserdem erwartet werden, dass Paare mit ähnlichen MHC-Typen länger brauchen, bis sie eine erfolgreiche Schwangerschaft erleben, als Paare mit unähnlichen MHC-Typen. Auch diese Voraussage konnte bereits bestätigt werden. Bei den Hutterern, einer Glaubensgemeinschaft, bei der Verhütung verpönt ist, dauert die Zeit zwischen zwei Geburten länger, je ähnlicher sich Mann und Frau in ihren MHC-Typen sind. Solche ersten Beobachtungen sind aber noch nicht beweiskräftig. Dazu brauchte es ein streng kontrolliertes Experiment. Ein solches wurde in einer Forschungsarbeit mit Pferden durchgeführt – in Kollaboration zwischen den Universitäten Bern, Lausanne und Hannover (D) sowie dem Schweizer Nationalgestüt von Agroscope in Avenches. Die Studie wurde im Fachjourna «Royal Society Proceedings B» publiziert.

Mütterliche Kontrolle über Schwangerschaft

«Wir nutzten für unser Experiment den Umstand aus, dass Stuten zur Besamung ins Nationalgestüt gebracht werden und diese dann neben einem der Hengste des Gestüts im gleichen Stall gehalten werden», erklärt der Studienleiter Dominik Burger vom Institut suisse de médecine équine ISME der Universität Bern und Agroscope. Dieser «Stimulus»-Hengst war entweder MHC-unähnlich oder MHC-ähnlich für diese Stute, das heisst Hengst und Stute hatten kein oder mindestens ein MHC-Antigen gemeinsam. Die Besamung der Stute fand dann wie in der Pferdezucht üblich mit Sperma eines anderen Hengstes, gewählt durch den Besitzer der Stute, statt. Die Stute hatte also keinen sozialen Kontakt zum Vater ihres Embryos.

«Wenn ihr Organismus nun davon ausging, dass der Stimulus-Hengst der Vater des Embryos ist, und wenn MHC-abhängige Gerüche tatsächlich die Fruchtbarkeit erhöhen, so erwarten wir höhere Trächtigkeitsraten bei Stuten, die einem MHC-unähnlichem Hengst ausgesetzt waren, als bei Stuten, die neben einem MHC-ähnlichem Hengst gehalten wurden. Wir haben die Reaktionen von 191 Stuten getestet und fanden, dass MHC-abhängige soziale Reize zum Zeitpunkt der Ovulation tatsächlich die Trächtigkeit beeinflussen.» Die Trächtigkeits-Erfolgsrate bei Stuten, die einem MHC-unähnlichen Stimulus-Hengst ausgesetzt waren, war im Mittel etwa 20% höher als bei Stuten, die bei einem MHC-ähnlichen Hengst standen. 

Dominik Burger (ISME Universität Bern und Agroscope) und Claus Wedekind (Universität Lausanne) ergänzen: «Wir folgern aus unseren Ergebnissen, dass der weibliche Organismus auf mindestens zwei Ebenen eine signifikante Kontrolle über die Reproduktion ausübt, nämlich einerseits über die Partnerwahl, und andererseits über eine spontane Resorption des sehr frühen Embryos, noch bevor eine Trächtigkeit, beziehungsweise Schwangerschaft überhaupt erkannt wird. Wir haben mit unserem Experiment bei Pferden eine Hypothese geprüft, die generell für Wirbeltiere mit interner Befruchtung gelten sollte.» Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese mütterliche Kontrolle über die Reproduktion auch bei vielen anderen Säugetieren besteht – inklusive dem Menschen.

Qulle: Agroscope

06.12.2017