Eine neue Waffe im Kampf gegen Malaria
Forschende der Universitäten Genf und Bern haben einen neuen Ansatz entdeckt, mit dem der Malariaparasit bei jedem Schritt in seinem Lebenszyklus blockiert werden kann. Die Erkenntnisse sind nicht nur im Kampf gegen Malaria relevant, sondern auch in der Bekämpfung anderer Parasiten.
Malaria ist eine parasitäre Tropenkrankheit, die durch den Stich weiblicher Anopheles-Mücken übertragen wird. Der Erreger der Krankheit, Plasmodium falciparum, ist in vielen tropischen Ländern verbreitet und tötet jährlich mehr als 500'000 Menschen, davon sind etwa 80% Kinder unter fünf Jahren. Obwohl es schon lange medikamentöse Behandlungen gegen Malaria gibt, waren die Erfolge im Kampf gegen die Krankheit bislang eher gering. Mit der Identifizierung von zwei sogenannten Proteasen – Enzyme, die Proteine spalten können – und die für das Überleben und die Verbreitung des Parasiten lebenswichtig sind, sowie eines Moleküls, das den Parasiten hemmen kann, haben Forschende der Universitäten Bern und Genf Hoffnung im Kampf gegen Malaria geweckt. Ihre Entdeckung könnte zur Entwicklung neuer Medikamente führen, die nicht nur das Parasitenwachstum im Menschen hemmen, sondern auch die Übertragung vom Menschen zum Moskito und umgekehrt. Diese bahnbrechenden Ergebnisse sind nun im Fachjournal Science erschienen.
Schwierige Bekämpfung
Malaria verursacht typische Fieberschübe, aber auch sehr schwere Komplikationen, die vor allem in Kleinkindern zum Tod führen können, deren Immunsystem noch nicht für den Kampf gegen den Parasiten gerüstet ist. Die verfügbaren Medikamente konnten aus zwei Gründen bisher die Krankheit weltweit nicht effizient eindämmen: zum einen weil sich Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln, und zum anderen weil sich ihre Wirkung auf eine bestimmte Entwicklungsphase des Parasiten beschränkt, ohne aber die Übertragung der Krankheit zu hemmen. Zudem entwickeln Menschen in den tropischen Übertragungsgebieten eine Semi-Immunität: wenn sie sich mit dem Parasiten infizieren, sind bei ihnen die Symptome der Erkrankung sehr viel schwächer. Wenn sie jedoch wieder von einem Moskito gestochen werden, können sie zum Überträger werden – selbst wenn sie Malariamedikamente einnehmen. So unterstützen diese Träger die rasche Ausbreitung der Infektionskrankheit. Um die Krankheit auszurotten, ist es deshalb unumgänglich, nicht nur den Parasiten in seiner schnell wachsenden Form im Blut zu bekämpfen, sondern auch in seinen Formen davor: nämlich bereits die Formen, die für die Übertragung an Moskitos verantwortlich sind, sowie die Formen in der Leber, da sich der Parasit zunächst in der Leber einnistet, bevor er in die Blutzellen eindringen kann.
Eine Parasitenfalle
Unter der Leitung von Professorin Dominique Soldati-Favre, Mikrobiologin an der Medizinischen Fakultät der Universität Genf, entdeckte ein Forscherteam bei Plasmodien, einzelligen Parasiten, neue Angriffspunkte. Diese sind obligatorisch intrazellulär, das heisst sie können nur überleben und sich ausbreiten, wenn sie Wirtszellen befallen und diese wieder verlassen. «Bei genauerer Betrachtung von sogenannten Aspartatproteasen haben wir herausgefunden, dass zwei dieser Enzyme für den Parasitenbefall und den Austritt aus infizierten Wirtszellen entscheidend sind. Hemmt man sie, bleibt der Parasit in der Wirtszelle gefangen und geht zugrunde», erklärt Dominique Soldati-Favre.
Proteasen fungieren als molekulare Scheren und zerschneiden Proteine, etwa um sie zu aktivieren. Eine der beiden Proteasen, die von den Genfer Wissenschaftlern identifiziert wurde, hilft dem Parasiten beim Eindringen in die Wirtszelle und bei seiner Freisetzung aus der Wirtszelle. Die zweite wirkt dagegen auf sogenannte Adhäsine, die beim Anhaften an die Oberfläche der Wirtszelle helfen und für die Invasion notwendig sind. Beide Proteasen sind daher Schlüsselelemente für das Überleben und die Verbreitung der Plasmodien.
«Plasmodien durchlaufen einen komplizierten Lebenszyklus und treffen auf verschiedene Wirtszellen, sei es im Blut, in der Leber oder auch im Mückendarm. Erstaunlicherweise nutzt der Parasit für den Befall und den Austritt aus diesen Zellen jeweils dieselben beiden Aspartat-Proteasen», sagt Volker Heussler, Professor am Institut für Zellbiologie der Universität Bern und Co-Autor der Studie. «Indem wir den Parasiten in mehreren Stadien gleichzeitig angreifen können, hoffen wir nicht nur, die Infektion des Menschen bekämpfen zu können, sondern auch die Übertragung auf Moskitos zu blockieren, was für die Kontrolle der Krankheit unabdingbar ist.»
Ein schlagkräftiger Inhibitor ohne Resistenzbildung
Zu Hemmstoffen für andere Aspartat-Proteasen des Parasiten wurden bereits Studien durchgeführt. Dieser Weg wurde aber nicht weiterverfolgt, weil das therapeutische Potenzial zu gering war. Nach den heutigen Erkenntnissen des Teams um Dominique Soldati-Favre sind diese Inhibitoren aber plötzlich wieder interessant: «Tatsächlich fanden wir ein Molekül, das sehr effizient beide von uns identifizierten Parasitenproteasen hemmt», sagt Mathieu Brochet, Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Genf. «Bei unseren Versuchen konnten wir keine Resistenzbildung der Parasiten gegen diese Proteaseinhibitoren feststellen», fügt Dominique Soldati-Favre hinzu. «Damit umgehen wir womöglich eine der grössten Herausforderungen im Kampf gegen die Malaria. Da der Inhibitor gleichzeitig zwei Enzyme hemmt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide gleichzeitig eine Resistenz entwickeln, statistisch gesehen extrem gering.»
Diese Forschungsergebnisse zeigen also eine Achillesferse von Plasmodien auf. Unterstützt durch die Carigest Stiftung, den Schweizer Nationalfonds und das biopharmazeutische Unternehmen Actelion, könnte damit ein Wendepunkt im Kampf gegen Malaria erreicht worden sein. Voraussetzung dafür ist laut den Forschenden, dass die Erkenntnisse dieser Studie in einem therapeutischen Ansatz umgesetzt werden, welcher an die am stärksten von Malaria betroffenen Länder angepasst ist.
Die Ergebnisse sind auch für die generelle Parasitenbekämpfung relevant: Plasmodien gehören zum Stamm der Apicomplexa, die insgesamt ein grosses Wirtsspektrum haben, einschliesslich des Menschen und verschiedener Nutz- und Haustiere. Der in der Arbeit beschriebene Mechanismus scheint bei anderen pathogenen Apicomplexa-Parasiten ebenfalls wirksam zu sein, wie in einer Studie mit dem Erreger der Toxoplasmose, Toxoplasma gondii, gezeigt wurde.
Publikationsangaben:
|
26.10.2017