Bedeutung von Biodiversität in Wäldern könnte mit Klimawandel zunehmen

Wälder erfüllen zahlreiche wichtige Funktionen für die Menschheit besonders gut, wenn sie reich an unterschiedlichen Baumarten sind. Gleichzeitig könnten europäische Wälder noch mehr Funktionen erfüllen, als sie dies im Moment tun. Dies zeigen zwei neue Studien, an denen auch Forschende des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern beteiligt waren.

Wälder haben eine sehr grosse Bedeutung für die Gesellschaft: Das Holz nutzen wir in unseren Häusern für Möbel, für Dachstühle und Fussböden. Wälder nehmen Kohlenstoff aus der Luft auf und wirken somit dem Klimawandel entgegen, sie schützen den Boden vor Erosion und regulieren den Wasserkreislauf. Auch wenn wir im Wald spazieren gehen, nutzen wir ihn für unsere Erholung. Die Grundlage für diese Leistungen ist eine Reihe von Prozessen, sogenannte Funktionen, die im Wald ständig ablaufen: Die Bäume betreiben Photosynthese, sie wachsen, produzieren Nachkommen, verteidigen sich gegen hungrige Insekten und Rehe, wehren Krankheitserreger ab und schützen sich gegen Trockenheit. Nährstoffe werden von den Bäumen aufgenommen und wieder freigesetzt, wenn die Bäume sterben und sich zersetzen.

Diversität anstelle von Monokulturen

Eine neue Studie, die unter der Leitung der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und zusammen mit der Universität Bern durchgeführt wurde, zeigt, dass diese Prozesse besser in biodiversen Wäldern funktionieren. Solche Wälder bestehen nicht nur aus einer einzigen, sondern aus mehreren Baumarten. Im Rahmen des europaweiten Forschungsprojektes «FunDivEUROPE» haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bedeutung der Biodiversität für das Funktionieren von Waldökosystemen in sechs Ländern untersucht: in Deutschland, Finnland, Polen, Rumänien, Italien und Spanien. Die Forscherinnen und Forscher haben Waldflächen ausgewählt, die zwischen einer und fünf Baumarten aufwiesen. Die Forschenden haben insgesamt 26 Funktionen gemessen, die zeigen, wie der Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf funktioniert und wie die Bäume wachsen, sich erneuern und auf Stress reagieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Bäume in Wäldern mit mehreren Baumarten schneller wachsen, mehr Kohlenstoff speichern und widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Krankheitserregern sind als Bäume in artenarmen Wäldern. «Wenn man Wald-Monokulturen zu diversen Wäldern umwandelt, sollten diese also auch mehr Ökosystemleistungen und Güter für uns Menschen liefern können», sagt Sophia Ratcliffe der Universität Leipzig, die die Studie geleitet hat.

Die Forschungsergebnisse weisen zudem darauf hin, dass die Baumdiversität in Regionen besonders wichtig ist, in denen das Wasser knapp ist und die Vegetationsperioden länger dauern, wie beispielsweise in Süd- und Zentraleuropa. Warum dies von Bedeutung ist, erklärt Christian Wirth, Leiter der Abteilung Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität der Universität Leipzig, geschäftsführender Direktor des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) sowie Fellow am Max-Planck-Institut für Biogeochemie: «Durch den Klimawandel werden unsere Sommer trockener und länger. Daher gehen wir davon aus, dass es künftig noch wichtiger wird, Wälder so zu bewirtschaften, dass sie eine hohe Diversität an Baumarten aufweisen.»

Wälder sind multifunktional

Die zweite Studie, die ebenfalls in der Zeitschrift Ecology Letters veröffentlicht wurde, zeigt, dass Wälder potenziell eine Reihe von Ökosystemleistungen bieten können – dass aber viele von ihnen nur einzelne leisten. Diese Studie wurde in den gleichen sechs Waldgebieten durchgeführt und mit den Daten von umfassenden Erhebungen aus mehreren europäischen Ländern kombiniert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten 28 Ökosystemfunktionen und konnten die Ergebnisse für ganz Europa abbilden. Die Forschenden gingen der Frage nach, ob Wälder gleichzeitig viele verschiedene Ökosystem-Funktionen haben können oder ob einige dieser Funktionen nicht zusammengehen und deshalb nicht vom gleichen Wald erfüllt werden können. Dabei zeigte sich, dass nur wenige Funktionen gegenseitig in Konflikt stehen, sodass die Waldbewirtschaftung prinzipiell so angepasst werden kann, dass viele Ökosystem-Leistungen gemeinsam erbracht werden können.

Dies hat praktische Bedeutung für die Waldbewirtschaftung, sagt Erstautor Fons van der Plas, der während der Studie an der Universität Bern tätig war: «In den letzten Jahren haben sich Forschende zunehmend dafür interessiert, wie man Multifunktionalität, das heisst die gleichzeitige Bereitstellung von Ökosystemleistungen, fördern kann. Unsere Studie hat gezeigt, dass die Ökosystemmultifunktionalität nicht nur ein theoretisches Konzept ist, sondern dass sie in europäischen Wäldern üblich sein könnte.» Eric Allan, der die Studie mit begleitete, fügt hinzu: «Derzeit sehen wir nicht viele multifunktionale Wälder, was darauf hinweist, dass ein riesiges Potenzial in der Waldbewirtschaftung besteht – denn es gibt keinen Grund, warum Wälder nicht viel mehr Funktionen erfüllen können, als sie es zur Zeit tun.»

Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv)

Publikationsangaben

S. Ratcliffe et al.: Biodiversity and ecosystem functioning relations in European forests depend on environmental context. Ecology Letters (2017). doi:10.1111/ele.12849

F. van der Plas et al.: Continental mapping of forest ecosystem functions reveals a high but unrealized potential for forest multifunctionality. Ecology Letters (2017). Doi: 10.1111/ele.12868

 

17.11.2017